Gutachten zu Deals von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wirft Fragen auf
Wusste Gisel schon seit 2009 Bescheid?

Patrik Gisel, der neue CEO von Raiffeisen, stand gestern im Fokus der Medien. Immer wieder versicherte er, nichts von den Machenschaften Vincenz' gewusst zu haben. Ein Gutachten stellt das nun in Frage.
Publiziert: 03.03.2018 um 20:49 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2022 um 09:30 Uhr
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Im Dezember 2017 traf BLICK Pierin Vincenz zum Interview: Jetzt ist er im Visier der Staatsanwaltschaft.
Foto: Philippe Rossier
Patrik Berger

Er konnte einem schon fast ein wenig Leid tun, Patrik Gisel (55), CEO der Raiffeisen-Gruppe. Fiebrig und mit arg lädierter Stimme versuchte er den Journalisten die guten Zahlen des Raiffeisen-Jahres 2017 zu verkaufen. Allein: Die interessierten niemanden.

Alle wollten vom Vincenz-Ziehsohn immer wieder die gleiche Frage beantwortet haben: «Wieso haben Sie von alledem nichts bemerkt?» Gisel wurde trotz Grippe, die er mit Medikamenten zu unterdrücken versuchte, nicht müde zu wiederholen, dass er seit seinem Amtsantritt «jeden Stein umgedreht» habe. Und dass er dabei keinerlei Hinweise auf strafrechtlich relevante Taten gefunden habe.

Hat Vincenz Ziehsohn Gisel angelogen?

Das erstaunt noch immer. Pierin Vincenz (61) und Gisel haben jahrelang sehr eng zusammengearbeitet. Die beiden Banker waren auch privat dicke Freunde. Gisel muss doch einfach etwas mitbekommen haben, denkt sich wohl manch' kleiner, ehrlicher Raiffeisen-Genossenschafter auf dem Lande. Oder hat Raiffeisen-Übervater Vincenz seinen Ziehsohn Gisel tatsächlich jahrelang angelogen?

Die «Schweiz am Wochenende» behauptet nun, dass Gisel wohl schon seit 2009 von den Machenschaften seines damaligen Chefs gewusst haben muss. Dannzumal hat die Raiffeisen beim renommierten Rechtsprofessor Peter Forstmoser ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Vincenz als Käufer und Verkäufer

Dieses kommt zum Schluss, dass Vincenz 2007 beim Kauf der Kartenspezialistin Commtrain Card Solutions als Präsident von Aduno sowohl auf der Käufer- als auch der Verkäuferseite stand. Und dies der Kreditkartengesellschaft verheimlicht hat.

Konsequenzen für Pierin Vincenz hatte das Gutachten keines. Man liess ihn am Hauptsitz in St. Gallen weiterhin gewähren. Er habe zwar gegen Best-practice-Regeln verstossen, im juristischen Sinne sei ihm aber nichts vorzuwerfen. Vor allem auch, weil Vincenz beim Verkauf keine aktive Rolle gespielt habe. Damit gaben sich Gisel und der Raiffeisen-Verwaltungsrat zufrieden.

Dabei hätten bei ihnen spätestens dann sämtliche Alarmglocken schrillen müssen, als sie das Rechtsgutachten auf dem Tisch hatten. Hätten sie damals hingeschaut und vom charismatischen Bündner verlangt, die Finanzströme hinter dem Deal aufzudecken, wären sie ihm wohl auf die Schliche gekommen.

Jetzt übernimmt die Staatsanwaltschaft

Nun liegt die Sache bei Zürcher Staatsanwaltschaft. Die wird genauer hinschauen und akribischer prüfen als es die Untergebenen von Vincenz damals gemacht haben. Seit gestern Freitag sitzt Vincenz, in Untersuchungshaft. Für Pierin Vincenz und alle anderen Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Auch Patrik Gisel wird wohl auch in den nächsten Wochen nicht darum herumkommen, unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Er behauptete vor dem Medien zwar mehrfach und sehr selbstbewusst, dass ein Rücktritt für ihn kein Thema sei. Letztlich ist es aber am Raiffeisen-Verwaltungsrat darüber befinden.

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