Es ist Mittagszeit in Zürich. Lange Schlangen vor hippen Take-aways oder Restaurants sind alltäglich. Doch diese Menschenkette vor der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beim Bürkliplatz, die bis ins Innere des Gebäudes reicht, überrascht. Der Hunger ist da nicht im Spiel. Im Gegenteil: Jung und Alt wollen etwas loswerden: die alten Banknoten.
Manche haben ein Couvert in der Hand, andere haben eine Tasche unter den Arm geklemmt. Doch alle haben das gleiche Ziel: einen der Schalter der SNB. Wartezeiten von bis zu einer Stunde sind keine Seltenheit, wie ein mehrmaliger Augenschein von Blick zeigt.
Fotoalbum mit alten Scheinen drin
Auch das Rentner-Ehepaar Petra und Heinz K.* steht Schlange. Die beiden Schweizer leben seit 50 Jahren in Australien. Einmal im Jahr haben sie aber Heimweh und reisen in ihre Heimat. «Letztes Jahr wollten wir auch schon alte gegen neue Noten tauschen. Da mussten wir fast eine Stunde warten», sagt Heinz K. Ein Freund habe noch eine alte 200er-Note gefunden. «Jetzt, da wir wieder in der Schweiz sind, nutzen wir die Gelegenheit, um endlich die Note umzutauschen.» Dieses Mal hatte das Ehepaar Glück, es musste nur eine viertel Stunde warten.
Michael H.* steht ebenfalls Schlange. Er ist überrascht, dass es dieses Mal etwas schneller geht. «Vor ein paar Wochen war die Schlange etwa dreimal so lang wie heute», sagt er. Der Grund für seinen Umtausch: «Mein Vater hat mir ein Fotoalbum vererbt, und zwischen jeder Seite hatte es einen alten Geldschein.» H. erklärt sich den Andrang so: «Viele haben noch Geld irgendwo im Haus versteckt. In einem Schrank, im Nachttisch oder in einer Schublade. Beim Putzen oder Zügeln kommen die Scheine wieder zum Vorschein.»
Bis zu 400 Umtauschgesuche täglich
Die Noten der neunten Serie sind zwischen 2016 und 2019 in den Umlauf gebracht worden. Der achten Serie wurde am 30. April 2021 der Status als gesetzliches Zahlungsmittel entzogen. Seither kann man bei Coop, Migros und Co. nur noch mit den neuen Noten der neunten Serie bezahlen.
Der Ansturm über eineinhalb Jahre später an den SNB-Schaltern überrascht. Ist offenbar aber die Regel. SNB-Sprecher Alain Kouo sagt: «Pro Tag werden zwischen 300 und 400 Umtauschgesuche behandelt.»
Dem Umtausch ist keine Frist gesetzt: Die Banknoten der achten Serie können zeitlich unbefristet bei den Kassenstellen der SNB in Bern und Zürich sowie bei den SNB-Agenturen gegen neue Noten eingetauscht werden.
Wartezeiten wegen Formalitäten
Wieso es häufig Warteschlangen gibt, erklärt der SNB-Sprecher mit rechtlichen Gründen: «Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes und den damit verbundenen notwendigen Abklärungen kann dies zu längeren Wartezeiten führen.» Kouo ergänzt: «Derzeit sind noch rund 18 Milliarden Schweizer Franken der alten Serie im Umlauf.»
Alte Noten hat auch Werner F.* Mit einer edlen Ledertasche in der Hand steht er in der Schlange vor der SNB in Zürich. «Da sind die alten Noten drin», sagt er grinsend. «Ich weiss aber nicht, wie viele es sind.» Seine Frau habe das Geld in einer Schublade in der Kommode zu Hause gefunden. Als er später herauskommt, sagt F. zu Blick: «17 Hunderter waren es.» Jetzt könne er wieder einkaufen gehen, sagt er und zieht lachend von dannen.
*Name der Redaktion bekannt