Grosse Aufgabe für Stefan Bollinger
Neuer CEO von Julius Bär soll das Benko-Debakel vergessen machen

Julius Bär hat endlich einen Nachfolger von Philipp Rickenbacher gefunden. Jetzt soll unter dem neuen Bär-Chef Stefan Bollinger der Neustart gelingen – nach dem Scherbenhaufen mit den Benko-Krediten.
Publiziert: 23.07.2024 um 14:35 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2024 um 14:42 Uhr
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Nach langer Suche hat Julius Bär einen neuen CEO gefunden.
Foto: keystone-sda.ch
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Holger Alich
Handelszeitung

Die Schweizer Finanzwelt musste seinen Namen erst einmal googeln: Der Name Stefan Bollinger, der ab Februar neuer Chef von Julius Bär werden soll, war am Dienstag laut Google Trends einer der am häufigsten gesuchten Begriffe.

An der Börse fiel die Begrüssung verhalten aus: Die Julius-Bär-Aktie legte im frühen Handel nicht einmal 1 Prozent zu. Euphorie sieht anders aus. Der designierte Bär-Chef hat seine Stärken, aber es gibt auch kritische Stimmen. So verfügt Bollinger bisher nicht über CEO-Erfahrung.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Analysten und Analystinnen zeigen in ihren ersten Kommentaren aber auch Wohlwollen: «Mit seinem Hintergrund und seiner Erfahrung ist Stefan Bollinger qualifiziert, um Julius Bär zu leiten», kommentierte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. «Wir rechnen mit einer begrenzten Kursreaktion, da Herr Bollinger dem Markt wahrscheinlich nicht bekannt ist und es unwahrscheinlich ist, dass es in den nächsten zehn bis zwölf Monaten ein strategisches Update geben wird», meinte Nicholas Hermann, Analyst der Citigroup.

Julius Bär suchte seit dem Frühjahr einen neuen Chef, denn der frühere CEO Philipp Rickenbacher musste gehen, weil die Bank auf Kredite an Firmen aus dem Benko-Imperium fast 600 Millionen Franken abschreiben musste. Julius-Bär-Präsident Romeo Lacher wollte nach dieser Episode einen Externen als neuen Chef. Bei der Suche half Egon Zehnder, sie verlief lange zäh. Nun soll mithilfe des Ex-Goldman-Sachs-Bankers Bollinger der Neustart gelingen.

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Was für ihn spricht: Er war 14 Jahre lang Partner bei der US-Bank und ist damit einer der ganz wenigen Schweizer, die diesen Rang erreichen konnten. Seit 2019 war Bollinger Co-Head des Private-Wealth-Managements in der Region Europa, Nahost und Asien – abgekürzt EMEA. Sprich, er kennt sich im Private Banking aus.

Vor allem im Geschäft mit den Superreichen, die 30 Millionen und mehr mitbringen. Das ist die Kernzielgruppe von Goldman. Die US-Bank, die vor allem als Investmentbank bekannt ist, hat seit Jahren das Wealth-Management als Wachstumsfeld auserkoren, da daraus stabilere Erträge als aus dem volatilen Investmentbanking erfolgen. Laut einer Unternehmenspräsentation hat Goldman bereits über 1 Billion Dollar verwaltete Kundenvermögen im Wealth-Management, die rund 16’000 superreichen Kunden und Kundinnen der Bank haben im Schnitt ein Depotvolumen von rund 60 Millionen Dollar. 

Julius Bär ist keine Goldman Sachs

Im deutschen «Handelsblatt» erklärte Bollinger im Mai, dass Goldman in der EMEA-Region die verwalteten Vermögen in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt habe. Zahlen nannte er dabei keine. In der «NZZ» hatte er vor rund vier Jahren erklärt, dass rund 11 Prozent der verwalteten Vermögen der US-Bank aus Europa stammen, 84 Prozent aus den USA. Auch heute dürfte das US-Geschäft dominieren. 

Bei Goldman konnte Bollinger für das Wachstum indes auf die Hilfe der Investmentbank setzen. Wenn zum Beispiel ein Firmengründer mithilfe der Goldman-Investmentbank sein Unternehmen an der Börse verkaufte, konnten Bollinger und sein Team dem Kunden im Anschluss anbieten, den Verkaufserlös anzulegen. 

Dieser Wachstumshebel steht Bollinger bei Julius Bär nicht zur Verfügung; die Privatbank hat keine Investmentbankaktivitäten im Angebot. Daher erwarten Beobachterinnen und Beobachter, dass der neue Bär-Chef wohl kaum wohlhabende Kundschaft zu seinem neuen Arbeitgeber wird mitbringen können: Julius Bär ist eine ganz andere Bank als Goldman Sachs, die etwa auch mit einem starken Private-Equity-Angebot bei der reichen Kundschaft punkten kann.

Dafür ist Julius Bär stark bei eigenen strukturierten Produkten. Das ist ein Bereich, den Bollinger gut kennt, denn er hat in seiner Laufbahn den Bereich «Global Sales Strats and Structuring» geleitet, zu dem die strukturierten Produkte – also zum Beispiel massgeschneiderte Zertifikate – zählen. Insgesamt hat Bollinger einen Grossteil seiner Laufbahn in Bereichen wie Handel und strukturierten Produkten verbracht. 

Enges Erfahrungsfeld

Kritikerinnen und Kritiker monieren deshalb, dass Bollinger damit ein recht enges Erfahrungsfeld habe – so war er nie Finanz- oder Risikochef und leitete auch keine andere Sparte. 

Bei der UBS zum Beispiel ist Bankpräsident Colm Kelleher erpicht darauf, dass der Nachfolger von Sergio Ermotti an der Spitze der UBS möglichst breite Erfahrungen in mehreren Geschäftsfeldern mitbringen soll. Daher machte Kelleher den früheren Investmentbankchef Rob Karofsky jüngst zum Co-Chef der Kernsparte Vermögensverwaltung.

Immerhin hat Bollinger viele internationale Stationen durchlaufen: Der Fünfzigjährige hat in Hongkong, London, Zürich und New York gearbeitet. Allerdings war er laut seinem Linkedin-Profil die meiste Zeit in London. 

Ein internationales Profil ist gut, aber ein dickes Adressbuch mit möglichen Schweizer Kundinnen und Kunden bringt der Neue nicht mit, auch wenn er für kurze Zeit einmal Schweiz-Chef war. Der Schweizer Markt gilt aber als einer der Schwachpunkte von Julius Bär. Um hier vorwärtszumachen, hat Julius Bär vor kurzem Ex-Pictet-Mann Patrick Prinz zum neuen Schweiz-Chef ernannt. Dieser arbeitet seit 2019 bei Julius Bär und hatte zuvor die Verantwortung für das Geschäft in Deutschland und der Schweiz.

Wer folgt auf Bankpräsident Lacher?

Angesichts der zähen Chefsuche überwiegt indes bei Beobachterinnen und Beobachtern unter dem Strich die Erleichterung darüber, dass Julius Bär mit Stefan Bollinger einen valablen Kandidaten gefunden hat. 

Als Nächstes dürfte jetzt die Frage ins Zentrum rücken, wer Bankpräsident Romeo Lacher ersetzen wird. Denn dieser hatte die fraglichen Benko-Kredite mit genehmigt. Da der neue CEO erst im Frühjahr 2025 anfangen wird, dürfte Lacher etwas Zeit gewonnen haben, um seinen eigenen Nachfolger zu finden. Lacher muss nun Bollinger bei der Amtseinführung begleiten, frühestens zur Generalversammlung 2026 dürfte er dann wohl selbst seinen Abschied nehmen.

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