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Gopfried Stutz zur Ehe für alle
So werden Schwule benachteiligt

Wie bei Hetero-Paaren wird es auch bei gleichgeschlechtlichen Witwen und Witwer geben. Und somit werden Schwule gegenüber Lesben diskriminiert, weil eben Witwer gegenüber Witwen benachteiligt sind.
Publiziert: 06.12.2020 um 18:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2021 um 14:02 Uhr
Claude Chatelain, Publizist und Wirtschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer
Claude Chatelain

Nun hat nach dem Nationalrat auch der Ständerat der Ehe für alle zugestimmt, wenn auch nur knapp. Neinsager machten verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Viel wurde auch über die Samenspende für lesbische Paare geredet. Doch niemand scheint sich an der neuen Ungerechtigkeit zu stören, die damit geschaffen wird: die Diskriminierung von verheirateten Schwulen gegenüber verheirateten Lesben.

Wie bei Hetero-Paaren wird es auch bei gleichgeschlechtlichen Witwen und Witwer geben. Und somit werden Schwule gegenüber Lesben diskriminiert, weil eben Witwer gegenüber Witwen benachteiligt sind.

Ist die Frau beim Ableben des Ehemanns mindestens 45 Jahre alt und hat die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert, so hat sie – selbst wenn sie nie Kinder hatte – Anspruch auf eine Witwenrente von der AHV. Und das nicht zu knapp: Bis zu 1896 Franken pro Monat erhält eine Witwe. Weitere Hunderte von Franken gibts dann noch von der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge. Und nochmals: Ich rede hier von Witwen, die nie Kinder hatten, voll im Berufsleben stehen und finanziell unabhängig sind.

Kinderlose Witwer haben dieses Privileg nicht. Sie haben nur dann Anspruch auf eine Rente, solange sie Kinder unter 18 haben. Bei Hetero-Paaren kann man diese Ungleichheit aus historischen Gründen erklären. Aber bei gleichgeschlechtlichen?

Zugegeben: Man könnte auch argumentieren, dass durch die Ehe für alle die Ungleichbehandlung zwischen verheirateten und lesbischen Frauen in eingetragener Partnerschaft aufgehoben wird. So gesehen entsteht durch die Ehe für alle nicht eine neue Diskriminierung, sondern die bestehende Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen bleibt bestehen.

Und da ist ja noch diese Geschichte vom Witwer aus dem Appenzell. Seine Frau starb, als die Kinder vier und zwei Jahre alt waren. Ergo erhielt er eine Witwerrente – aber nur, bis das jüngste Kind das 18. Altersjahr erreichte. Nachher war Schluss. Wäre er eine Frau, hätte er bis zum AHV-Alter eine Hinterlassenenrente erhalten. Diese Ungerechtigkeit liess der Mann nicht auf sich sitzen. Er gelangte ans Bundesgericht, das seine Beschwerde 2012 abwies. Recht erhielt er dafür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Das war vor zwei Monaten.

Was jetzt? Werden Witwerrenten der Witwenrente angeglichen oder umgekehrt? Meines Wissens sind Richterinnen und Richter in Strassburg gar nicht befugt, uns diesbezüglich Vorschriften zu machen. Die Schweiz hat das entsprechende Protokoll bewusst nicht ratifiziert. Dennoch ist das Bundesamt für Justiz am Prüfen, ob das Urteil an die Grosse Kammer des EGMR weitergezogen werden soll.

Man stelle sich vor, die Eidgenossenschaft müsste alle Witwer den Witwen gleichstellen – rückwirkend bis weiss nicht wann. Das sprengt meine Vorstellungskraft. Subito würde ich in Strassburg vorstellig und auf Diskriminierung klagen, weil ich im Unterschied zu Frauen meine ungekürzte AHV-Rente erst mit 65 statt mit 64 Jahren erhalten habe.

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