Gopfried Stutz!
Wie Vincenz seine Banken schröpfte

Die Direktoren der einzelnen Raiffeisenbanken waren alles andere als erfreut, als sie immer mehr Geld nach St. Gallen überweisen mussten.
Publiziert: 29.01.2022 um 20:16 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2022 um 00:16 Uhr
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Unter Pierin Vincenz mussten die Filialen zusätzliches Kapital an die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft einzahlen.
Foto: Keystone
Claude Chatelain

Es ist keineswegs so, dass Pierin Vincenz zu seiner Zeit als Chef der Raiffeisen-Gruppe von allen gelobt und bewundert wurde, wie das etwa kolportiert wird. Die lokalen Bankdirektoren waren alles andere als erfreut, als sie immer mehr Geld nach St. Gallen überweisen mussten.

Die Raiffeisen-Gruppe ist kein Bankenkonzern mit vielen Filialen. Es ist eine Gruppe mit derzeit 219 rechtlich autonomen Banken, im Rechtskleid einer Genossenschaft. Einige dieser Genossenschaften haben zusätzlich Filialen, sodass Raiffeisen an über 800 Standorten Bankgeschäfte anzubieten vermag. All diese Genossenschaften sind ihrerseits Genossenschafter der Raiffeisen Schweiz Genossenschaft mit Sitz in St. Gallen.

Die ursprüngliche Aufgabe von Raiffeisen Schweiz lag darin, übergeordnete Dienstleistungen für ihre Mitglieder zu erbringen. Deren ehemaliger Chef, Pierin Vincenz, hatte aber mehr im Sinn. So sind wegen des starken Wachstums die Raiffeisenbanken mehrmals aufgefordert worden, zur Stärkung der Eigenkapitalbasis zusätzliches Kapital an die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft einzuzahlen. Je nach Grösse der einzelnen Raiffeisenbank beträgt die Kapitalbeteiligung mehrere Millionen Franken.

Zudem müssen die Raiffeisenbanken neben all den Abgaben auch einen Management-Beitrag nach St. Gallen überweisen. Die Geschäftsleitung um Pierin Vincenz begründete dies mit dem Argument, dass Raiffeisen Schweiz viel Verantwortung trage und eine grosse Bank führe. Man kann dies auch Gewinnabschöpfung nennen. Heute tönen solche Töne wie blanker Hohn.

Die Unzufriedenheit einiger Bankdirektoren zeigt sich an einem anderen Beispiel: Die Regionalverbände Wallis, Freiburg und Bern hatten den Antrag gestellt, eine unabhängige Ombudsstelle für die im Verbund befindlichen Raiffeisenbanken einzurichten. Der Antrag wurde von den anderen Regionalverbänden abgelehnt. Aus heutiger Sicht ist das schwer nachvollziehbar.

Völlig quer in der Raiffeisen-Landschaft war auch die Eröffnung von Niederlassungen, die direkt nach St. Gallen rapportierten. Das widerspricht dem ursprünglichen Zweck von Raiffeisen Schweiz. Und wer sorgte für deren Kapitalisierung? Natürlich die anderen Genossenschaften mit ihrer Gewinnabschöpfung.

Hinzu kommt, dass die vorab in Städten eröffneten Niederlassungen von einem Wettbewerbsvorteil profitierten. Sie konnten im Unterschied zu den anderen Raiffeisenbanken Hypotheken und Geschäftskredite vergeben, ohne dass der Kunde oder die Kundin Genossenschafter werden musste.

Nun ist Raiffeisen Schweiz unter der neuen Führung daran, diese Fehlentwicklung rückgängig zu machen. Am Montag informierte die Medienstelle, dass die Niederlassungen in Bern und Thalwil verselbständigt worden sind. Die Verselbständigungen der Niederlassungen in Winterthur, St. Gallen, Basel und Zürich erfolgt schrittweise bis voraussichtlich Anfang 2023.

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