Warum kriege ich einen Lohn, wenn ich arbeiten gehe? Müsste ich nicht dem Arbeitgeber Geld geben, dass ich arbeiten darf? Und warum muss ich Miete zahlen? Warum zahlt mir der Vermieter nicht Geld, wenn ich in seiner Wohnung hause?
Nun ist er völlig übergeschnappt, der Gopfried Stutz, denken Sie jetzt wohl. Doch genau so absurd scheint mir, dass man etwas dafür bezahlen muss, wenn man Geld auf der Bank liegen hat. Und das geschieht ja derzeit wegen der negativen Zinsen.
Sie sind eine Folge der Politik der Zentralbanken. Sie überfluten den Markt mit Geld. Steigt das Angebot an Geld, so sinkt dessen Preis, eben der Zins. Die Notenbanken wollen mit der Geldflut die Konjunktur in Schwung halten. Doch das billige Geld fliesst nur beschränkt in die Wirtschaft. Es fliesst dafür massenweise in die Finanz- und Immobilienmärkte – und treiben dort die Preise auf Rekordhöhe.
Die ökonomische Lehre sagt uns, eine Ausweitung der Geldmenge führe zu einer Inflation. Ja, gütiger Himmel, wo ist denn diese Inflation? Angesichts der Geldflut müsste sie längst galoppieren. Obwohl auch die Schweizerische Nationalbank schon seit Jahren die Geldmenge ausweitet, steigt die Teuerung nicht. Dennoch ist sie da – eben bei den Aktien und Immobilien.
Doch das haben die Notenbanken und auch die Schweizerische Nationalbank kaum im Blick. Sie schauen weiterhin vor allem auf ihr allerwichtigstes Ziel, das sie sich schon vor vielen Jahren gesetzt haben: die Steigerung der Konsumentenpreise, eben die Inflation, unter zwei Prozent zu halten.
Nur: Die Welt von heute ist nicht die gleiche wie die Welt von früher. Insbesondere die Globalisierung hat die weltweite Wirtschaft derart verändert, dass man sich nicht mehr nur auf frühere Erfahrungen stützen darf. In früheren Jahren führte eine Ausweitung der Geldmenge stets zu Inflation. In der jüngsten Zeit ist das nicht mehr passiert.
Ökonomen hinterlassen oft den Eindruck, eine exakte Wissenschaft zu vertreten. Doch Wirtschaftswissenschaft ist eine empirische Wissenschaft. Ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen basieren auf Erfahrungen und Annahmen.
Und doch halten die Notenbanken an früheren Rezepten fest, die heute angesichts veränderter Umstände ganz offensichtlich nicht mehr taugen. «Die Notenbanken sind stur», sagte jüngst Kurt Schiltknecht, ehemaliger Chefökonom der Schweizerischen Nationalbank (SNB), im Schweizer Fernsehen.
Die Folge haben Sparer zu tragen. Für ihr Erspartes bekommen sie nichts mehr, oder sie müssen sogar etwas dafür bezahlen. Die Gewinner sind Aktionäre und Immobilienbesitzer, deren Vermögen noch grösser werden. Wer hat, dem wird gegeben – mit dem Segen der Schweizerischen Nationalbank.