Gopfried Stutz
Langfristig steigen Aktien (noch) immer

In der heutigen Zeit, in der die Menschheit mehr Angst hat vor natürlichen als vor Computerviren, ist die Kapitalismuskritik wieder lauter geworden.
Publiziert: 06.02.2021 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2021 um 10:20 Uhr
Claude Chatelain, Publizist und Wirtschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer
Claude Chatelain

Die Genfer Privatbank Pictet hat diese Woche ihre jährliche Langzeitstudie publiziert, für die sie unter anderem auch bekannt ist. Was da jeweils herauskommt, ist durchaus interessant. Zum Beispiel dies: «Der durchschnittliche jährliche Wertzuwachs einer Anlage am Schweizer Aktienmarkt lag im Zeitraum von Anfang 1926 bis Ende 2020 bei circa 7,8 Prozent.»

Oder: «Wer 1926 zu Beginn des Jahres 1000 Franken in Aktien investiert hätte, hätte diesen Betrag per Ende 2020 auf 1,276 Millionen Franken vermehrt.»

Nun, es kommt natürlich immer darauf an, in welche Aktien man investiert hätte. Pictet orientiert sich am gesamten Markt. Doch die Botschaft ist klar: Langfristig sind die Aktien noch immer gestiegen.

Werden sie das auch in Zukunft tun? Ich denke es. Wissen tu ich es aber nicht. Offiziell leben wir im Anthropozän. In jenem Zeitalter, in dem der Mensch der grösste Einflussfaktor der Erde geworden ist. Der deutsche Philosoph Richard David Precht nennt das heutige Zeitalter jedoch Monetozän. Das Zeitalter des Geldes, «in dem nicht der Mensch biotisch, sedimentär und geochemisch die Erde umpflügt, sondern die Verwertungsinteressen des Kapitals».

Also nochmals: Werden die Aktienkurse auch in Zukunft immer und immer steigen? Mit Precht können wir die Frage anders stellen: «Ist die Erde noch zu retten?» Falls ja, müsste man aber aus dem gnadenlosen Prozess des Wachstums ausbrechen und die belebte Natur wiederentdecken, statt sie allein als Ressource zu betrachten. So jedenfalls sieht es der vielleicht prominenteste deutsche Philosoph der Gegenwart. Wie er in seinem eben erschienenen Buch «Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens» schreibt, dränge diese Bewegung «über kurz oder lang auf die Überwindung des Kapitalismus».

Gerade in der heutigen Zeit, in der die Menschheit mehr Angst hat vor natürlichen als vor Computerviren, ist die Kapitalismuskritik wieder lauter geworden.

«Es wäre falsch, die Wirtschaft wieder hochzufahren», sagte jüngst der in Wien lebende Historiker, Philosoph und Bestsellerautor Philip Blom in der Sendung «Sternstunde Philosophie» des Schweizer Fernsehens.

Folgt man seinem Rat, explodiert die Arbeitslosigkeit – kein erhellender Gedanke. Oder ist ein bedingungsloses Grundeinkommen die Alternative? Vielleicht in ganz ferner Zukunft.

Was die Pictet-Studie übrigens auch noch sagt: Es gab Perioden von über zehn Jahren, in denen der Schweizer Aktienmarkt eine negative Rendite erzielte. Unter Umständen muss man also sehr lange warten, bis sich der Markt erholt, vom eigenen Aktienportefeuille ganz zu schweigen. Das erinnert an den berühmten Satz von John Maynard Keynes, dem bekanntesten Ökonomen des zurückliegenden Jahrhunderts: «Langfristig sind wir alle tot.»

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