Gewerkschafterin kritisiert Franchise-System
«Die Grossen nehmen ihre Verantwortung nicht wahr»

Betreiber von Tankstellen gehen hart um mit ihren Angestellten. Aus Angst vor dem Verlust des Jobs, schlucken viele die schlechten Arbeitsbedingungen.
Publiziert: 20.03.2017 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:07 Uhr
Gewerkschafterin Natalie Imboden kritisiert das Franchise-System.
Foto: PD
Patrik Berger und Michal Bolzli

Franchising erlebt einen Boom in der Schweiz. Heute gibt es 250 so genannte Franchise-Systeme, in den 70er-Jahren waren es 20. Parallel steigen die Klagen über die Franchisenehmer, die auf eigene Rechnung arbeiten, aber von bekannten Namen wie Migros, Coop oder Shell profitieren. 

Das zeigen die Fälle von Isabel Mancebo (45), die ihren Job als Filialleiterin des Migrolshops in Schönbühl BE nach 15 Jahren verlor – weil Geld in der Kasse gefehlt hat. Oder das Schicksal von Tijana Soldo (24), der nach dem Mutterschaftsurlaub gekündigt wurde – obwohl man ihr immer versprochen hatte, den Job an der Shell-Tankstelle freizuhalten (BLICK berichtete).

Shell-Mitarbeiterin Tijana Soldo (24) wurde nach dem Mutterschaftsurlaub gekündigt.
Foto: Toini Lindroos

«Die Grossen wie Migros oder Shell nehmen ihre Verantwortung nicht wahr», klagt Natalie Imboden (46), Detailhandelsverantwortliche bei der Gewerkschaft Unia. «Dabei müssten sie ein Interesse daran haben, dass die Arbeitsbedingungen gut geregelt sind.» Das Problem: Beim Franchising liegt die Verantwortung als Arbeitgeber beim Franchisenehmer. 

Viele schwarze Schafe

Und die sorgen immer wieder für Schlagzeilen: Anfang 2014 führte ein Spar-Franchisenehmer in Winterthur-Wülflingen ZH ein Betriebsreglement mit klaren arbeitsrechtlichen Verstössen ein.

Zu späten Lohnauszahlungen, Pausenkürzungen und Gewaltanwendung soll es bei der Franchise-Tochter der Coop Mineralöl AG in Romanshorn TG gekommen sein. Und vor zwei Jahren wurden in Winterthur ZH Mitarbeiter einer Brezelkönig-Filiale von Mini-Kameras während der Arbeitszeit gefilmt. Das sind nur ein paar Beispiele.

Imboden hofft, dass sich die Situation mit einem GAV für Tankstellenshops verbessert. Derzeit liegt der Ball beim Staatssekratariat für Wirtschaft (Seco). Es muss den GAV für allgemeinverbindlich erklären. «Damit werden Standards für Löhne und Arbeitszeiten festgelegt, die dann für alle Betriebe gelten. Auch für die Mitarbeiter in Franchise-Betrieben.»

Die Angestellten sind allerorts unter Druck. BLICK ist der Fall einer Shop-Angestellten bekannt, die die abendliche Kassendifferenz von 30 Franken aus dem eigenen Sack bezahlt hat. Oder eines Verantwortlichen für eine Waschanlage, der gar ein Loch von 188 Franken mit seinem Geld bezahlt hat. So gross ist die Angst vor einem Jobverlust. «Kassendifferenzen dürfen nicht auf die Angestellten überwälzt werden. Das Risiko trägt der Arbeitgeber», sagt Gewerkschafterin Imboden.

Kein Branchen-Problem

Der Schweizer Franchise Verband wiegelt ab. «Wir erkennen kein franchisetypisches Problem», sagt Geschäftsführer Christoph Wildhaber (53), nachdem BLICK ihn mit den jüngsten Fällen konfrontierte. Dass es auffällig viele schwarze Schafe bei den Franchisebetreibern gibt, glaubt er nicht. «Uns sind keine statistischen Auffälligkeiten im Franchising bekannt», sagt Wildhaber. 

Trotzdem nimmt er Konzerne wie Migrol und Shell in die Pflicht: «Ein Franchisegeber ist gut beraten, seine Partner angemessen mit den nötigen Kenntnissen vertraut zu machen.» 

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