Gewerkschaft nimmt es mit den eigenen Forderungen nicht so genau
Bei der Unia hat die Stempeluhr Verspätung

Gewerkschaften ärgern sich immer wieder, dass die Arbeitszeiterfassung umgangen wird. Doch selbst nehmen sie es damit nicht allzu genau. Erst jetzt sollen Unia-Angestellte in Zürich-Schaffhausen stempeln.
Publiziert: 30.09.2016 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:01 Uhr
1/2
Erst ab Oktober wird bei der Unia Zürich-Schaffhausen systematisch die Arbeitszeit erfasst.
Foto: TV-Yesterday
Vinzenz Greiner

Es ist eines der wichtigsten Anliegen der Gewerkschaften: Arbeitszeiten müssen erfasst, Überstunden kompensiert oder ausbezahlt werden. Deshalb streitet die Unia immer wieder mit Arbeitgebern, die eine flexiblere Erfassung der Arbeitszeiten fordern.

Nun zeigt sich aber: Im eigenen Haus nimmt es die Unia mit der Zeiterfassung nicht so genau. Erst auf 1. Oktober wird die Unia Zürich-Schaffhausen «eine einheitliche, regionale Lösung» bei der Zeiterfassung einführen. Das geht aus einem internen
E-Mail der Geschäftsleitung hervor, das BLICK vorliegt.

Pikant: Die Unia tut dies nicht aus freien Stücken, sondern sieht sich dazu von Bern gezwungen. «In der Schweiz gilt seit 1. Januar 2016 die Pflicht, die Arbeitszeit zu erfassen. Dem müssen auch wir nachkommen», heisst es im Mail. Bisher sei die Arbeitszeit in einigen Teams erfasst worden, steht dort weiter. Dazu gehörten etwa Angestellte, die an Schaltern und in Callcentern arbeiteten. In anderen Teams «haben wir das noch nicht systematisch gemacht».

Regio-Leiter Lorenz Keller (36) verteidigt das Vorgehen: Die Arbeitszeit werde seit langem generell erfasst, mit der Revision der Vorgaben seien Anpassungen nötig geworden. Sie beträfen etwa Teamleiter, Anwerber oder Bewegungsteams, die Büezer zum Streik mobilisieren. Ab Oktober gilt für sie eine wöchentliche Regelarbeitszeit von 40 bis 45 Stunden. Keller erbte den Job von Roman Burger (39), der wegen Sex-SMS freigestellt wurde.

«Das ist Engagement!»

Ein Unia-Mitarbeiter, der ano­nym bleiben will, kritisiert, die Unia Zürich-Schaffhausen zahle Überstunden nicht aus. Einige wüssten nicht einmal, wie Formulare für Kompensationstage aussähen. Wer abends Gespräche mit Büezern führe und an Events helfe, bekomme zu hören: «Das ist Engagement!» Keller bügelt die Vorwürfe weg: Viele Mitarbeiter verstünden solche Aktivitäten selbst als «politisches Engagement».

Im internen Mail klingt es anders: Mit der neuen Regelung «können auch regelmässige Abendeinsätze, wie sie etwa im Gartenbau stattgefunden haben, abgebildet werden». Ziel sei es gewesen, alle Lösungen «so kompatibel wie möglich mit dem realen Arbeitsalltag» zu gestalten. Die Unia hatte sogar geprüft, die Arbeitszeit der Bewegungsteams von der Erfassung teilweise auszunehmen. Dies sei «ein Skandal», sagt ein Unia-Geschäftsleitungsmitglied aus einer anderen Region.

Unia-Präsidentin Vania Alleva (47) hatte noch im August zwei bürgerliche Initiativen, die genau das forderten, als «Angriff auf das Arbeitsgesetz» kritisiert.

In der Berner Zentrale will man von den Problemen in Zürich nichts wissen. Bei der Unia werde die Arbeitszeit erfasst, die Vorgaben seien für die Regio­nen verbindlich, sagt Sprecher Pepo Hofstetter. Mitarbeiter bestreiten dies. In der Vergangenheit seien auch in anderen Re­gionen die Arbeitszeiten nicht systematisch erfasst worden.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.