Würste und Kalbsfilet gibts am zentralen Zuger Kollinplatz seit Februar nicht mehr zu kaufen. Die Traditionsmetzgerei Rogenmoser hat ihren Verkaufsladen dort dichtgemacht. Das Geschäft lief nicht mehr. Die Schuld, zumindest die Mitschuld daran, gibt Metzger Christian Rogenmoser (42) der Stadt. «Die Parkplatzsituation ist ein Desaster. Parkplätze im Freien werden zunehmend gestrichen und teurer, weshalb wichtige Kunden fehlen», erklärt er gegenüber BLICK. Anders in seiner Filiale an der Dorfstrasse in Baar ZG. Dort klingeln die Kassen, die Kunden können direkt mit dem Auto vorfahren.
Gewerbler Rogenmoser ist kein Einzelfall. Seit einigen Tagen steht auch der Laden von Alois Kneubühler in der Nähe vom Bundesplatz in Luzern leer. Grund für die Schliessung, neben steigender Ladenmieten: die knappe Parkplatzsituation. Eine Realität im innerstädtischen Raum, die schon einige Fachgeschäfte zum Umzug nach ausserhalb der Stadt bewogen hat, wo es genug Parkplätze vor dem Laden gibt. So auch im Tessin: Da klagte Ottaviano Torriani, Präsident der Händlervereinigung von Bellinzona, über Parkplatzmangel. Mehrere Traditionsfirmen gingen ein.
Die Informationen fehlen
Für die Winterthurer FDP-Gemeinderätin und Kleingewerblerin Yvonne Gruber hängt das Lädelisterben in der Altstadt mit dem Abbau von Parkplätzen zusammen. Sie fordert: «Tiefere Gebühren oder mehr Parkplätze und einen Shuttle-Service für Parkplätze ausserhalb der City, aber sicher keinen weiteren Abbau.»
Viele Leser melden sich immer wieder beim BLICK und beklagen das Ladensterben wegen fehlender Parkplätze in der Innenstadt. Sie stören sich an autofreien Zentren, unbezahlbaren Parkplätzen und Parkhäusern am Stadtrand.
BLICK hat bei Städten mittlerer Grösse in der ganzen Deutschschweiz nachgefragt, wie es dort um die Parkplatzsituation stehe. Überraschend: Nicht alle wissen es. Oft fehlen schlicht die Informationen. In Liestal etwa gibts zwar eine Karte, auf welcher Zonen mit Parkplätzen markiert sind. Doch Fehlanzeige bei Zahlen! Biel BE weiss ebenfalls nicht, wie viele Parkplätze wo sind. Eine systematische Erfassung ist erst im Aufbau.
Altstädte sind auf Fussgänger ausgerichtet
Doch wo es Zahlen gibt, ist die Tendenz klar. So sank im Zentrum von Chur das Parkplatzangebot innert zehn Jahren von 500 auf 298. Fast verdreifacht hat sich dagegen die Zahl in den Aussenquartieren. In Thun BE sind im Stadtkern seit 2008 total 90 Parkplätze weggefallen. In den kommenden Jahren werden weitere 150 Parkplätze aufgehoben, so dass es dann noch 100 gibt. Dafür steigt die Zahl der Parkplätze in den Parkhäusern.
In Aarau sind laut Stadtpolizei in den letzten zehn Jahren 60 bis 70 Parkplätze weggefallen. Die Verkehrsberuhigung des Zentrums und damit der grosse Parkplatzabbau liegt dort schon länger zurück. Wer im Zentrum einkaufen will, muss entweder mit dem Bus kommen oder zu Fuss gehen. Auch die Altstädte von Biel und Chur sind auf Fussgänger ausgerichtet.
Der Vorteil der kleineren Städte: Mehr als ein paar Hundert Meter weg sind die grossen Parkplätze oder Parkhäuser nie. Doch für Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Metzgereien, Bäckereien und Käsereien ist schon das zu weit. «Für ein Paar Cervelats läuft niemand zehn Minuten», sagt Metzger Rogenmoser. Gleiches gilt fürs knusprige Zmorge. «Wer am Morgen auf dem Weg zur Arbeit ein Gipfeli will, geht dafür nicht durch die halbe Stadt», sagt der Präsident des Vereins Bülach Stadt, Mischa Klaus (49), der selbst eine Confiserie betreibt.
Wofür und wo Schweizer auf welches Verkehrsmittel setzen, weiss eine aktuelle Studie von Verbänden des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Sie zeigt auf, dass Auto und Motorrad für die Hälfte der zurückgelegten Verkehrswege verantwortlich sind und für 65 Prozent der Kilometer. Beim Einkaufen werden gar drei von vier Kilometern mit dem Auto zurückgelegt. Der Fuss- und Veloverkehr macht nur einen Anteil von sechs Prozent aus. Die Studie schlägt darum vor, Raum für Strassen und Parkplätze zu beschränken.
Doch in Städten treffen besonders viele Interessen aufeinander. «Viele Gewerbler verstehen nicht, warum ihre Gemeinden oder Stadtverwaltungen nicht mehr Unterstützung bieten in Sachen Parkplätze», so Fachmann Paul Dominik Hasler. Sie verkennen dabei, dass Politiker und Verwaltungen einen breiteren Fokus hätten. Heute gehe es besonders darum, den Verkehr zu reduzieren und die Lebensqualität zu erhöhen. Julia Fritsche
Wofür und wo Schweizer auf welches Verkehrsmittel setzen, weiss eine aktuelle Studie von Verbänden des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Sie zeigt auf, dass Auto und Motorrad für die Hälfte der zurückgelegten Verkehrswege verantwortlich sind und für 65 Prozent der Kilometer. Beim Einkaufen werden gar drei von vier Kilometern mit dem Auto zurückgelegt. Der Fuss- und Veloverkehr macht nur einen Anteil von sechs Prozent aus. Die Studie schlägt darum vor, Raum für Strassen und Parkplätze zu beschränken.
Doch in Städten treffen besonders viele Interessen aufeinander. «Viele Gewerbler verstehen nicht, warum ihre Gemeinden oder Stadtverwaltungen nicht mehr Unterstützung bieten in Sachen Parkplätze», so Fachmann Paul Dominik Hasler. Sie verkennen dabei, dass Politiker und Verwaltungen einen breiteren Fokus hätten. Heute gehe es besonders darum, den Verkehr zu reduzieren und die Lebensqualität zu erhöhen. Julia Fritsche
Unterstützung kommt von Paul Dominik Hasler vom Schweizer Verband für Raumplanung und Umweltfragen, Espace Suisse: «Es gibt in der Tat Geschäfte, die auf Parkplätze in direkter Nähe angewiesen sind, gerade in Branchen mit kurzer Besuchszeit.» Neben Verpflegungsgeschäften gehörten dazu auch Drogerien oder Apotheken. «Da kann der Verlust des Parkplatzes vor dem Haus das Geschäftsmodell ins Wanken bringen. Das gilt aber nur für einzelne Läden.» Besonders gering sei die Bereitschaft der Kunden zu Fusswegen in kleinen Orten.
Es geht in Richtung Bewahrung
«Parkplätze sind zentral», so der Bülacher Klaus. Dazu brauche es ein gutes ÖV-Netz. Zudem müssten die Läden heute auch online präsent und erreichbar sein. Doch die Betriebe bräuchten Unterstützung. «Es ist heute sehr schwierig, in Kleinstädten etwas vorwärtszubewegen», so Klaus. «Politisch gehts in Richtung Bewahrung. Dann aber leben wir am Ende im Museum.»
Relativ stabil sei glücklicherweise die Zahl der Läden in Thun BE, sagt Alain Marti, Präsident der Innenstadtgenossenschaft Thun (IGT). «Trotzdem weht auch den Thuner Detailhändlern ein rauer Wind entgegen.» Zu den Gründen dafür zählt Marti auch die «erschwerte Erreichbarkeit und die Aufhebung von oberirdischen Parkplätzen». Familienunternehmen würden sterben, der Branchenmix habe sich in den letzten Jahren verschlechtert.
Es wäre aber zu einfach, die Schwierigkeiten und Veränderungen nur den aufgehobenen Parkplätzen in die Schuhe zu schieben. «Aber ja, die Kunden sind bequem, fahren am liebsten mit dem Auto ins Geschäft und nicht vor das Geschäft», sagt Marti.
Andreas Burri (42), Leiter Wirtschaftsförderung der Stadt Aarau, will das Lädelisterben zwar nicht auf die Parkplatzfrage reduzieren. Doch einen Einfluss hätten Parkplätze auf jeden Fall. Auch er sieht besonders Geschäfte des täglichen Bedarfs unter Druck. Doch es sei ein grundsätzlicher Wandel im Gange. «Wir sehen häufigere Ladenwechsel und mehr Nischenanbieter», so Burri. Es gehe vermehrt um das Erlebnis und die Kombination von Laden- und Gastronomieformaten.
Einfach wird es nicht, warnen Experten vor der turbulenten Zukunft. «Das Ladensterben hat noch gar nicht richtig begonnen, kommt aber jetzt», sagt Internethandels-Experte Alexander Graf.