Dunkle Geheimnisse der Credit Suisse bleiben unter Verschluss
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Gericht stärkt CS den Rücken:Dunkle Credit-Suisse-Geheimnisse bleiben unter Verschluss

Gericht stärkt Grossbank in der Beschattungsaffäre den Rücken
Dunkle Geheimnisse der Credit Suisse bleiben unter Verschluss

Wegen der Überwachung von Iqbal Khan hat die CS ein Verfahren der Finanzmarktaufsicht am Hals. Was sich die Bank sonst noch für Geheimdienst-Aktionen geleistet hat, wird die Öffentlichkeit aber wohl nie erfahren – einem neuen Gerichtsurteil sei Dank.
Publiziert: 06.09.2020 um 07:25 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2020 um 22:43 Uhr
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Die Affäre Iqbal Khan im Zeitraffer: Was bisher geschah ...
Foto: ZVG Youtube
Thomas Schlittler

Die Finanzmarktaufsicht gab diese Woche bekannt, als ­Folge der Observation Iqbal Khans (44) ein sogenanntes Enforcement-Verfahren gegen die Credit Suisse (CS) zu eröffnen. Die Finma interessiert vor allem, wie die «Beschattungs- und Sicherheitsaktivitäten» innerhalb der Bank ­dokumentiert und kon­trolliert ­worden sind.

Es ist das x-te Kapitel im nicht ­enden wollenden Paradeplatz-­Theater. Und eigentlich könnte das Publikum weiterhin amüsiert verfolgen, wie die Beteiligten sich selbst, ihre Arbeitgeber und die ­gesamte Finanzbranche öffentlich demontieren. Doch das Ganze ist nicht zum Lachen.

T. (†52), die tra­gische Figur der Affäre

Grund ist das Schicksal des ­Sicherheitsexperten T.* († 52), ­Bindeglied zwischen der CS und den Privatdetektiven, die Khan observierten: T. nahm sich im Herbst letzten Jahres das Leben – eine Woche nach Auffliegen der Beschattungsaktion. Er ist die tra­gische Figur der Affäre.

T. arbeitete jahrelang für die ­Kantonspolizei, dann als Sicherheitsverantwortlicher von Grosskonzernen. 2013 gründete er eine Ein-Mann-GmbH. Zweck: «Die Erbringung von Beratungsdienstleistungen im Bereich der Sicherheit und der Sicherheitsprävention.»

Anders ausgedrückt: T. war ein Problemlöser, ein sogenannter ­Fixer für Firmen, Family Offices und Privatpersonen. Einer von T.s wichtigsten Auftraggebern war die CS. Gemäss «NZZ» soll er bei der Grossbank gar einen eigenen Badge gehabt haben. Egal, mit welchen Schwierigkeiten sich die Bank konfrontiert sah, T. war dazu da, sie zu lösen – unter Wahrung höchster Diskretion.

Die aber war nach dem Auffliegen von Khans Überwachung gefährdet. Seine Anzeige wegen ­angeblicher Drohung und Nötigung sorgte dafür, dass die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung von T.s Wohnung und Büro anordnete. Am 24. September 2019 beschlagnahmte die Kantonspolizei dort zahlreiche Computer, Laptops, Kameras und Handys. Am gleichen Tag beging T. Suizid.

Beweise bleiben unter Verschluss

Jetzt zeigt sich: Hausdurch­suchung und Beschlagnahmung waren für nichts und wieder nichts – weil das Zwangsmassnahmengericht Meilen vor wenigen Wochen verfügte, dass die sichergestellten Gegenstände nicht ausgewertet werden dürfen.

Im Urteil vom 13. Juli, das SonntagsBlick vorliegt, heisst es: «Es fehlt am hinreichenden Tatverdacht respektive dem nötigen Deliktskonnex der gesiegelten Unterlagen mit den im Raum stehenden Delikten.» Für die Staatsanwaltschaft bedeutet das Urteil eine Schlappe. Für die CS dagegen einen grossen Erfolg. Schliesslich war es die Grossbank selbst, welche die Ver­siegelung der beschlagnahmten ­Gegenstände beantragt hatte.

Nur: Wieso war es der CS so wichtig, dass die Computer, Laptops und Handys von T. unausgewertet bleiben? Naheliegendste Erklärung: Die Bank befürchtete, eine Entsiegelung könnte weitere Geheimdienst-Aktionen zutage fördern – im besten Fall peinliche, im schlechtesten Fall gesetzeswidrige.

Die Credit Suisse schweigt

Die CS wollte sich auf Anfrage von SonntagsBlick nicht zu den Gründen für das Versiegelungsgesuch äussern. Auch zum Urteil des Zwangsmassnahmengerichts schweigt die Bank – mit Verweis auf das laufende ­Finma-Verfahren.

Klar ist gleichwohl: Der CS gibt das Urteil des Zwangsmassnahmengerichts Grund zum Jubeln. Nicht nur, weil die geheimen Ak­tivitäten der Grossbank unter Verschluss bleiben, sondern auch, weil ihr das Gericht praktisch einen Persilschein ausstellt.

In der Urteilsbegründung heisst es nämlich: «Der Observations­bericht zeigt deutlich, was für Aufnahmen die Hauptbeschuldigten (Privatdetektive; Red.) gemacht ­haben. Inwiefern sie dabei den ­Geheim- oder Privatbereich des Geschädigten (Iqbal Khan; Red.) verletzt hätten, ist nicht ersichtlich.»

Und weiter: «Aus den editierten Unterlagen ergibt sich, dass die im Raum stehenden Delikte der Nö­tigung und Drohung vom Auftraggeber der Observation (Credit ­Suisse; Red.) offensichtlich nicht getragen wurden.»

Die CS-Oberen dürften diesen Befund mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen. Ganz anders als der Observierte Iqbal Khan und dessen Frau. Deren Rechtsanwalt will dem Urteil des Zwangsmass­nahmengerichts allerdings keine Bedeutung beimessen: «Die darin ­getroffenen Erwägungen sind für das noch laufende Strafverfahren völlig irrelevant. Die Familie Khan war in diesem Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht auch keine Verfahrenspartei.»

Staatsanwaltschaft wirft die Flinte ins Korn

Das klingt kämpferisch. Die Staatsanwaltschaft dagegen zeigt Ermüdungs­erscheinungen. Die Strafverfolger bedauern zwar den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts. Auf einen Weiterzug an die nächste Instanz verzichten sie aber. «Der Entscheid ist schlüssig begründet, weshalb die Staatsanwaltschaft ihn akzeptierte», teilt deren Medienstelle mit.

Somit ist das Urteil rechtskräftig und die CS definitiv aus dem Schneider. Die Grossbank muss sich nur noch mit der Finma herumschlagen.

Die von der CS angeheuerten ­Privatdetektive dagegen haben noch immer ein Strafverfahren ­wegen angeblicher Nötigung und Drohung am Hals. Nächster Termin ist der 23. September. Dann müssen Iqbal Khan, seine Frau ­sowie ­einer der beschuldigten Privat­detektive bei der Staatsanwaltschaft antraben.

Zentrale Frage dabei wird sein, ob das Ehepaar Khan glaubhaft machen kann, dass es vom Beschatter tatsächlich in «Todesängste» versetzt worden ist, wie es in der Strafanzeige steht.

Der letzte Vorhang im Paradeplatz-Theater ist also noch lange nicht gefallen.


* Name der Redaktion bekannt

Skandal im Zeitraffer

17. September 2019 Khan bemerkt, dass er verfolgt wird. An der Ecke Fraumünster- und Börsenstrasse in Zürich stellt er die von der CS angeheuerten Privatdetektive. Khan erstattet Strafanzeige wegen Drohung und Nötigung.

29. August 2019 Es wird bekannt, dass Iqbal Khan zur UBS wechseln will. Gemäss Bericht der Kanzlei Homburger gab Pierre-Olivier Bouée, operativer Leiter bei der CS, seinem Sicherheitschef am gleichen Tag den Auftrag, Khan zu überwachen.

24. September 2019 Sicherheitsmann T.*, der zwischen CS und Detektei vermittelte, nimmt sich das Leben. Sein Name soll via CS an die Medien gelangt sein. Am gleichen Tag nimmt die Polizei in T.s Wohnung und Büro eine Hausdurchsuchung vor.

7. Februar 2020 CEO Tidjane Thiam wird die Beschattungsaffäre doch noch zum Verhängnis. Thomas Gottstein, bisheriger Schweiz-Chef der Credit Suisse, ersetzt den Ivorer.

17. Dezember 2019 Die «Neue Zürcher Zeitung» macht publik, dass Khans Beschattung kein Einzelfall war. Die Zeitung präsentiert Beweise dafür, dass im Februar 2019 bereits Peter Goerke, oberster CS-Personalchef, beschattet worden ist.

20. September 2019 Der Blog «Inside Paradeplatz» macht die Beschattung Khans und die Verhaftung der Detektive publik. Daraufhin werden immer mehr Details bekannt. Zentrale Frage ist: Was wusste CS-CEO Tidjane Thiam?

2. September 2020 Die Finma leitet ein sogenanntes Enforcement-Verfahren gegen die CS ein. Die Behörde will vor allem wissen, wie die «Beschattungs- und Sicherheitsaktivitäten» innerhalb der Bank dokumentiert und kontrolliert worden sind.

*Name der Redaktion bekannt

17. September 2019 Khan bemerkt, dass er verfolgt wird. An der Ecke Fraumünster- und Börsenstrasse in Zürich stellt er die von der CS angeheuerten Privatdetektive. Khan erstattet Strafanzeige wegen Drohung und Nötigung.

29. August 2019 Es wird bekannt, dass Iqbal Khan zur UBS wechseln will. Gemäss Bericht der Kanzlei Homburger gab Pierre-Olivier Bouée, operativer Leiter bei der CS, seinem Sicherheitschef am gleichen Tag den Auftrag, Khan zu überwachen.

24. September 2019 Sicherheitsmann T.*, der zwischen CS und Detektei vermittelte, nimmt sich das Leben. Sein Name soll via CS an die Medien gelangt sein. Am gleichen Tag nimmt die Polizei in T.s Wohnung und Büro eine Hausdurchsuchung vor.

7. Februar 2020 CEO Tidjane Thiam wird die Beschattungsaffäre doch noch zum Verhängnis. Thomas Gottstein, bisheriger Schweiz-Chef der Credit Suisse, ersetzt den Ivorer.

17. Dezember 2019 Die «Neue Zürcher Zeitung» macht publik, dass Khans Beschattung kein Einzelfall war. Die Zeitung präsentiert Beweise dafür, dass im Februar 2019 bereits Peter Goerke, oberster CS-Personalchef, beschattet worden ist.

20. September 2019 Der Blog «Inside Paradeplatz» macht die Beschattung Khans und die Verhaftung der Detektive publik. Daraufhin werden immer mehr Details bekannt. Zentrale Frage ist: Was wusste CS-CEO Tidjane Thiam?

2. September 2020 Die Finma leitet ein sogenanntes Enforcement-Verfahren gegen die CS ein. Die Behörde will vor allem wissen, wie die «Beschattungs- und Sicherheitsaktivitäten» innerhalb der Bank dokumentiert und kontrolliert worden sind.

*Name der Redaktion bekannt

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