BLICK: Herr Walter, die Österreicher haben die Schweiz im Tourismus abgehängt. Was ist Ihr Geheimrezept?
Gerhard Walter: Wir haben keines, auch wenn wir in Tirol seit Jahren im Tourismus sehr erfolgreich sind. Auch für St. Moritz gilt: 90 Prozent sind harte Arbeit, 10 Prozent sind Inspiration.
Wir können also gar nichts von unseren Nachbarn lernen?
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sollten wir alle kennen. Gastfreundschaft ist das A und O im Tourismus. Überall. Man muss sie leben und vor allem auch spüren.
Was haben Sie mit St. Moritz vor?
Der Slogan «Top of the World» verpflichtet. In der Vergangenheit hat es Rückschläge gegeben. St. Moritz und das Engadin haben Logiernächte verloren. Nun muss es wieder nach oben gehen.
Sie haben sich gegen 70 Mitbewerber durchgesetzt. Hat Ihr österreichischer Charme den Ausschlag gegeben?
Das müssen Sie den Verwaltungsrat fragen. Ich hatte aber sicher keinen Österreicher-Bonus.
Ein Österreicher wird Chef des traditionsreichsten Winterkurorts der Schweiz. Das gefällt nicht allen.
Mit Marcel Koller ist ein Schweizer Trainer der österreichischen Fussball-Nationalmannschaft – und er ist sehr erfolgreich! Also sollte es auch möglich sein, dass ein Österreicher in der Schweiz Tourismusdirektor wird.
Was reizt Sie am neuen Job?
Es ist sehr spannend, für ein ganzes Tal mit 13 Gemeinden zu arbeiten. Die Gegensätze sind gross, da gibt es das schillernde St. Moritz und Gemeinden, in denen man die Natur des Engadins erleben kann.
Wann waren Sie das letzte Mal in St. Moritz auf der Piste?
Das ist leider vier Jahre her. Ich habe das Skigebiet in bester Erinnerung. Ich kenne St. Moritz ganz gut, war schon am White Turf und auch im Sommer immer wieder zu Gast im Engadin.
Wo hat der Schweizer Tourismus Nachholbedarf?
Eine Ferndiagnose masse ich mir nicht an. Der Schweizer Tourismus ist besser als sein Ruf. Auch wenn die Zahlen nicht überall gut sind, machen viele Schweizer Kollegen einen guten Job.
Wie steht es um Ihre Rätoromanisch-Kenntnisse?
Einige Worte verstehe ich heute schon. Ich werde mich bemühen, die Sprache zu lernen. Das Rätoromanische ist ein wichtiger Teil der Kultur.
Für Danuser kein Problem
Ein Ösi als Chef der Schweizer Tourismus-Ikone St. Moritz? Kein Problem für Hans Peter Danuser (69), den Direktor des Engadiner Nobelkurorts: «Auch Nestlé und Roche entwickelten sich unter österreichischen Chefs hervorragend», sagt er zu BLICK. «Die Nationalität spielt keine Rolle. Man muss die Besten nehmen.»
Dass dieses Kriterium auf den neuen Direktor Gerhard Walter (52) zutrifft, steht für Danuser ausser Frage: In Kitzbühel und Lech habe Walter bewiesen, dass er sein Metier beherrsche. «Österreich hat der Schweiz viele Gäste weggenommen. Wir können von seiner Erfahrung lernen.»