Zug auf Platz eins vor Cham und Rüschlikon. Dies ist das Ergebnis des Gemeinden-Ratings der Schweiz. Die «Handelszeitung» ist der Frage nachgegangen: Wo ist die Lebensqualität am höchsten, wo gibt es ausreichend Arbeitsplätze, Schulen und Freizeitangebote, wo kann man von einer gut ausgebauten Infrastruktur profitieren und ist die Kriminalität niedrig?
Es ist die grösste, umfangreichste und einzige Untersuchung von Gemeinden in der Schweiz. Erstellt wurde das Rating vom Zürcher Beratungsunternehmen für Immobilien, Iazi. Als Basis wurden in erster Linie öffentliche Statistiken des Bundes verwendet.
Die vollständige Liste des Gemeinden-Ratings 2023 findest du hier.
948 von insgesamt 2136 Gemeinden, die es in der Schweiz gibt, wurden für die Studie untersucht (lesen Sie nach: Die Methodik, so wurde gerechnet). Alle Gemeinden, die über 2000 Einwohnerinnen und Einwohner zählen, wurden in den Vergleich aufgenommen. Kleinere Gemeinden wären schwer vergleichbar.
Sämtliche Kriterien, die das Leben in einer Gemeinde attraktiv machen, über siebzig an der Zahl, wurden dafür bewertet. Unter anderem die Wohnqualität, Steuern, Erreichbarkeit, Versorgung, Sicherheit, Arbeitsplatzsituation und zahlreiche mehr. Die beste Rangierung ist 1, 948 die schlechteste.
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Die siebzig Faktoren wurden in acht Kategorien zusammengefasst wie Arbeitsmarkt, Wohnen, Bevölkerungsstruktur und so weiter. Der Durchschnitt aller Ergebnisse führte zur Endrangierung einer Gemeinde.
Unter die Top 20 schafften es Gemeinden aus den Kantonen Zug, Zürich, Graubünden, Luzern und Schwyz. Unter den Top-100-Gemeinden finden sich solche aus Nidwalden, Obwalden, Aargau, Appenzell Innerrhoden/Ausserrhoden, Waadt, Basel-Landschaft, Basel-Stadt sowie das Tessin.
Zudem fällt auf, dass viele Städte Kantonssieger wurden: Zug, Bern und Schaffhausen in den gleichnamigen Kantonen, Rapperswil-Jona im Kanton St. Gallen, Frauenfeld im Kanton Thurgau.
«Mit Corona dachte man, dass die Menschen nun aufs Land ziehen. Heute jedoch ist kaum jemand mehr zu 100 Prozent im Homeoffice», sagt Studienautor Donato Scognamiglio, IAZI. «Es ist meist eine Kombination aus drei Tagen im Büro, zwei Tagen daheim. Man wohnt heute quasi an zwei Orten.»
Platz 1
Zug (ZG)
In Zug werden Wirtschaftsfreundlichkeit, Kultur und Sport grossgeschrieben. Immer mehr nationale und internationale Firmen verlegen den Standort dorthin. Zug kann mittlerweile die meisten Firmenansiedlungen (pro Einwohner) in der gesamten Schweiz ausweisen. Klar, sind doch die Steuern rekordtief. «Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen, kurze Wege zwischen Stadt und Bürgerinnen und Bürgern und vor allem gute Schulen sind unser Erfolgskonzept», sagt André Wicki, 60, Stadtpräsident und gebürtiger Zuger. «In den nächsten Jahren werden über 200 Millionen in neue Schulhäuser und Sanierungen investiert.»
Alles ist modern. Die Bürogebäude, der Bahnhof, selbst das mittelalterliche Rathaus, das einer Frischzellenkur unterzogen wurde. Geld ist ja da, denn die Stadtfinanzen quellen über. Vergangenes Jahr wurde ein Überschuss von 71 Millionen Franken erzielt, ähnlich hoch wie bereits die Jahre zuvor. Wohin mit dem vielen Geld? Ein Luxusproblem. In Wohnraum beispielsweise, sagen viele Bürgerinnen und Bürger. Kürzlich haben sie eine SP-Initiative angenommen, die 2000 bezahlbare Wohnungen für Zug verlangt. «Die Grünanlagen und Freiräume sollen dennoch weiterhin erhalten bleiben», sagt André Wicki und hält fest: «Zug soll nicht zum Monaco werden.»
1. Platz Kanton Zürich
Rüschlikon
Attraktiv gelegen, direkt am linken Zürichseeufer, liegt die 6300-Einwohner-Gemeinde. Ausgestattet mit einer Gratisbadeanstalt, einem nahe gelegenen Wald und dem Duttweiler-Park oben am Hügel, der täglich Scharen von Familien und Interessierten anzieht. Seit Jahren zieht Rüschlikon Neuzuzüger an. Ein Wachstum, das man kontrollieren möchte. «Rüschlikon hat eine dörfliche Siedlungsstruktur und einen parkähnlichen Charakter, das soll erhalten bleiben», sagt Gemeindepräsident Fabian Müller, 46. «Rüschlikon soll keine anonyme Gemeinde werden, deshalb sind wir besorgt dafür, die vielen Nationen, mittlerweile über achtzig, zu integrieren. Schüler wie auch deren Eltern sollen ins gesellschaftliche Leben integriert werden.» Mittels Kulturtagen, Ausstellungen, Lesungen, Erwachsenenbildung oder Coachings für Familien.
Nachhaltigkeit und Ökologie werden hier grossgeschrieben: Kürzlich wurde ein Seewasserwärmeverbund angestossen und ausgeschrieben. Anstatt Wärme aus Gas und Öl zu beziehen, soll künftig Strom aus dem Zürichseewasser generiert werden. Wer im eigenen Gärtchen sitzt, kann sich selten über Lärm beklagen. Nervige Laubbläser wurden abgeschafft. Die gemeindeeigenen Laubbläser wurden gegen elektrische ausgetauscht. Ebenso wie die Gemeindeautos, die seit 2012 elektrisch fahren. Und was die Waldpflege betrifft, wurden die Förster angewiesen, den Fokus nicht auf Rentabilität der Holzverarbeitung zu legen, sondern auf Nachhaltigkeit.
1. Platz Kanton Graubünden
Maienfeld
«Wein, Heidi und Pferdesport. Für diese drei Dinge ist Maienfeld bekannt und geschätzt», sagt Stadtpräsident Heinz Dürler, 57. Hier hat sich Johanna Spyri zu ihrer «Heidi»-Geschichte inspirieren lassen. 70’000 bis 80’000 Touristen finden jedes Jahr mit Bussen und Mietwagen den Weg zum Heididorf, 2,5 Kilometer oberhalb von Maienfeld. «Wir stolz darauf, dass Maienfeld der Originalschauplatz von ‹Heidi› ist», sagt Stadtpräsident Heinz Dürler, 57. «Andererseits können die Busse auch zu viel werden. Maienfeld soll kein Disneyland werden.»
Die Landschaft, die vielen Reben und Grünflächen, sie machen den Charme des Dorfes aus. Auch Zuzüger haben Maienfeld zunehmend entdeckt. Unter anderem, da die Erschwinglichkeit von Immobilien noch gegeben ist. Das heisst, der Anteil fürs Wohnbudget wird bei einem gesetzten Einkommen dieser Region nicht überreizt. 880’000 Franken zahlt man für eine 4,5-Zimmer-Wohnung, 1,3 Millionen für ein Einfamilienhaus. «Ein Grossteil sind vermehrt auch ältere Menschen aus dem Engadin, die zu uns ziehen. Sie haben genug vom langen Winter und Schnee», sagt Heinz Dürler. Zudem ist die medizinische Versorgung vor Ort ausgezeichnet. Zwei Pflegeheime, ein medizinisches Zentrum und mehrere Apotheken sind ein erstaunlich grosses Angebot für 3000 Einwohnerinnen und Einwohner.
1. Platz Kanton Basel-Landschaft
Bottmingen
In Bottmingen, 6000 Einwohner gross, findet man das Angebot einer Stadt, dennoch ist man auf dem Land. Es gibt Kulturveranstaltungen, ein Hallenbad sowie ein Freibad, zahlreiche Spazierwege, einen angrenzenden Wald, und besonders stolz ist man auf das Wasserschloss aus dem 13. Jahrhundert. Dort wird geheiratet, Mozarts «Zauberflöte» aufgeführt, ebenso finden dort Rock- oder Gourmetveranstaltungen statt. Am Fusse des Bruderholzes, zu dem ein kleiner Teil von Bottmingen gehört, wohnen die vermögenden Steuerzahler. 1,6 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner besitzen ein Vermögen von über 6 Millionen Franken. Sie tragen 57 Prozent der Vermögenssteuern. Bottmingen ist damit eine der einkommensstärksten Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft. Um diese betuchte Klientel ist man besorgt.
«Im schweizweiten Vergleich hat der Kanton Basel-Landschaft hohe Steuern», sagt Gemeindepräsidentin Melanie Krapp, 59. «Unsere Zielsetzung ist daher, dass Bottmingen in unserem Kanton zu den günstigsten Gemeinden gehört.» Gleichzeitig wird seit Jahren in das Schulwesen investiert. Es gibt Spielgruppen, Kindertagesstätten, in den Schulen Mittags- und Abendbetreuung. «Wir hören immer wieder, dass Familien aufgrund der Schulen und des guten Betreuungsangebots nach Bottmingen ziehen.» Aktuell wird an einem Jugendkonzept gearbeitet. Eine Jugendbeauftragte soll einen besseren Zugang zu diesem Bevölkerungsanteil herstellen. Ein eigenes Jugendhaus gibt es bereits.
1. Platz Kanton St. Gallen
Rapperswil-Jona
Hier ist man nahe an Zürich, schnell am Flughafen, der See liegt vor der Tür. Die Löhne sind höher als im Kantonsdurchschnitt, Arbeitsplätze gibt es vor Ort. Die Immobilienpreise sind, verglichen mit den umliegenden Kantonen Zürich und Schwyz, um einiges niedriger. Der Nachteil sind die höheren Kantonssteuern gegenüber den umliegenden Gemeinden in den Kantonen Zürich und Schwyz. Immerhin konnte seit der Fusion von Rapperswil und Jona im Jahr 2008 der Steuerfuss kontinuierlich gesenkt werden. Auch Roger Federer hat Gefallen gefunden an der «Riviera der Ostschweiz», wie sie manch einer nennt. Man kann den Baukränen zusehen, die gerade dabei sein, sein riesiges Anwesen vor der Stadteinfahrt aufzubauen. «Sein Zuzug hat uns einiges an PR gebracht», sagt Stadtpräsident Martin Stöckling, 49.
«Rapperswil-Jona soll keine Schlafstadt von Zürich werden, deshalb investieren wir viel Geld in das gesellschaftliche und sportliche Leben», sagt Martin Stöckling. Der Prozentanteil der Stadtfinanzen, der in Freizeit und Sport fliesse, sei vermutlich wesentlich grösser als in anderen Städten. «Es gibt fast keine Sportart, die man bei uns nicht ausüben kann.» Zudem wird in das Schulwesen investiert. Gut 200 Millionen Franken fliessen bis 2035 in Neubauten und Sanierungen. Auch der Altersheim- und Pflegebereich soll ab 2026 mit 80 Millionen Franken ausgebaut werden.
1. Platz Kanton Thurgau
Frauenfeld
«Frauenfeld besticht durch eine gute Mischung aus Wohnen und Arbeiten», sagt Stadtpräsident Anders Stokholm, 57. «Hier gibt es gleich viele Arbeitsplätze wie Einwohner. Als traditioneller Industriestandort zieht Frauenfeld Fachkräfte aus aller Welt an. Dennoch kann man beim Einkaufen noch Deutsch sprechen.» Wohnraum in Frauenfeld ist noch bezahlbar. Zwar stiegen die Immobilienpreise innert drei Jahren um 40 Prozent. Dennoch ist der Kauf einer 4,5-Zimmer-Wohnung für 860’000 Franken finanzierbar. Ein Einfamilienhaus kostet 1’245’000 Franken.
Gleichzeitig ist man dabei, den ökologischen Fussabdruck zu senken. 50 Millionen Franken investiert die Stadt in den Bau eines Fernwärmeprojekts. Man will weg vom Gas. Ein Holzkraftwerk der EWZ produziert bereits Strom für 8000 Personen. Die Innenstadt wurde neu belebt mit Sitzskulpturen, es finden Gruppenveranstaltungen statt, eine Stadtbuslinie wurde verlängert, E-Trottinetts eingeführt. Bereits wurde in einigen Strassenzügen das Tempo reduziert, gleichzeitig soll die Altstadt für Autos bewusst befahrbar bleiben.
1. Platz Kanton Bern
Bern
Bern glänzt mit vielem. Etwa mit einer Altstadt, die ins Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen wurde. Mit dem ÖV ist man schnell überall. Es scheint von allem mehr zu geben, als man braucht, sei es an Lebensmittelläden, Ärzten, Spitälern, Schulen, Einkaufszentren oder Freizeitanlagen. Man hat den Verkehr im Griff, grössere Verkehrskollapse, gerade im Vergleich mit anderen Schweizer Grossstädten, kennt man nicht. «Ich spüre eine grosse Zufriedenheit der Bevölkerung Berns», sagt Stadtpräsident Alec von Graffenried, 61. «Das zeigen auch die Umfragen. Vor vier Jahren haben 97 Prozent der Bernerinnen attestiert, dass sie gerne in Bern wohnen.»
Für 145’000 Einwohnerinnen und Einwohner gibt es 192’000 Arbeitsplätze, ein derartig grosses Angebot gibt es kaum irgendwo. «Andere setzen auf Life Science, die UNO oder internationale Märkte», sagt Alec von Graffenried. «Bern ist seit 175 Jahren die Hauptstadt, und wir haben angefangen, uns mit dieser Rolle zu arrangieren. Die Bundeshauptstadt ist das Zentrum der Schweiz, das ist der USP von Bern.» Die Sogwirkung der Bundeshauptstadt zieht Zuzieher an. Selbst wenn andere Gemeinden wie Muri, Ittigen oder Zollikofen steuerlich attraktiver sind. Die Preise von Wohneigentum haben zwar in den vergangenen drei Jahren um insgesamt 32 Prozent angezogen, sind jedoch angesichts der hohen Einkommen noch immer erschwinglicher als anderenorts.
1. Platz Kanton Schaffhausen
Schaffhausen
Die Einwohnerzahl von Schaffhausen wächst seit zehn Jahren wieder. Nicht zuletzt deshalb, da hier die Tragbarkeit für Wohnraum noch gegeben ist. Ein Einfamilienhaus kostet 1,1 Millionen Franken, eine 4,5-Zimmer-Wohnung 815’000 Franken. Durch die vermehrte Nachfrage sind jedoch auch hier die Preise gestiegen, 32 Prozent in den vergangenen drei Jahren. «Wir spüren, dass immer mehr Menschen aus dem Raum Zürich nach Schaffhausen ziehen, die weiterhin nach Zürich zur Arbeit pendeln», sagt Stadtpräsident Peter Neukomm, 61. «Früher dachten viele, Schaffhausen sei zu weit entfernt. Doch langsam werden wir wahrgenommen, auch aufgrund der guten Verkehrsverbindungen und der hohen Lebensqualität, mit der Schaffhausen schon immer punkten konnte.»
Hier findet man eine der grössten und besterhaltenen mittelalterlichen Altstädte. Das Sport- und Kulturangebot ist gross: Jährlich findet ein Literatur- und ein Jazzfestival, das Rock- und Popfestival Stars in Town sowie alle zwei Jahre das internationale Bachfest statt. Das Stadttheater ist beliebt. Zunehmend ziehen auch internationale Headquarters nach Schaffhausen. «Die Tiefsteuerstrategie für Unternehmen sowie die Möglichkeit zur Rekrutierung von Fachkräften aus dem süddeutschen Raum zahlen sich aus», sagt Peter Neukomm. «Dadurch profitieren wir von hohen Unternehmenssteuererträgen, was es uns ermöglicht, kräftig zu investieren.» Mehr als 200 Millionen Franken werden in den nächsten vier Jahren insgesamt in neue Sport- und Schulanlagen, den öffentlichen Verkehr oder die Aufwertung öffentlicher Räume investiert.