Am Donnerstag, den 15. Januar 2015, führte die Nationalbank (SNB) der Schweiz drastisch vor Augen, dass Geldpolitik keine abstrakte Grösse ist, die nur für Insider der Wirtschaft von Interesse ist. Innert Minuten war jede Schweizerin und jeder Schweizer betroffen von der Geldpolitik der Nationalbank: als Konsumenten, als künftige Rentner, als Mieter oder Eigenheimbesitzer und als Arbeitnehmer.
Nachdem sich die SNB um 10.30 Uhr per Kommuniqué zu Wort gemeldet hatte und Präsident Thomas Jordan kurz darauf vor die Medien getreten war, war der Schweizer Franken plötzlich 15 Prozent mehr wert - oder umgekehrt, der Euro 15 Prozent weniger. Das war der Frankenschock, der seither die Schweizer Wirtschaft durchschüttelt. Mit einer dramatischen Kehrtwende hatte die SNB die Verteidigung des Euromindestkurses aufgegeben.
Plötzlich kostete ein Euro nur noch rund einen Franken und Schweizerische Schnäppchenjäger witterten ihre Stunde. Bei Filialen der Zürcher Kantonalbank (ZKB) und bei Banken in den Grenzregionen wurden einen Tag später die Euro-Noten knapp. Teilweise mussten die Banken die Ausgabe von Euro-Noten rationieren.
Für zwei Tage später wurde im grenznahen Ausland ein Ansturm von Einkaufstouristen erwartet. Die SBB und grenznahe Verkehrsbetriebe setzten Extrawagen ein und sie takteten ihren Fahrplan enger. An den Billettautomaten lohnte sich aufgrund verschieden programmierter Wechselkurse ein Preisvergleich.
Im weiteren Verlauf des Jahres gaben Schweizerische Detailhändler ihre Währungsgewinne auf importierte Waren in Form von tieferen Preisen an die Konsumenten weiter - wenn auch in der Regel nicht in vollem Umfang. Laut Credit Suisse lagen die Konsumentenpreise wegen der Frankenaufwertung, aber auch wegen des tiefen Ölpreises, 1,1 Prozent unter dem Wert von 2014.
Die Preise für Hypotheken sanken im weiteren Verlauf des Jahres und Immobilienpreise gerieten unter Druck. Eigenheime wurden günstiger. Und: In der Folgen sanken die Mieten oder zumindest der weitere Anstieg wurde gedämpft.
Weniger erfreulich ist, dass allein am Donnerstag, den 15. Januar 2015 die Vermögen der Pensionskassen um 30 Milliarden Franken geschrumpft sind. Das Beratungsunternehmen Towers Watson schätzte, dass die Schweizer Pensionskassen rund 4 Prozent ihres Vermögens eingebüsst hatten. Zudem sei der durchschnittliche Deckungsgrad um rund 4 Prozent zurückgegangen.
Besorgniserregend für viele Schweizer ist auch der Gedanke an den Arbeitsplatz. Denn unter massiven Druck gerieten all jene Unternehmen in der Schweiz, die ihre Produkte ins Ausland verkaufen oder die ausländische Gäste in der Schweiz empfangen.
Nationalbankpräsident Jordan rechtfertigte letztmals vergangene Woche den völlig überraschenden Schritt. Der Entscheid sei im Gesamtinteresse der Schweiz gewesen sagte er gegenüber Radio SRF. Wegen der extremen Euroschwäche - der Entscheid der SNB nahm die Ankündigung der Europäischen Zentralbank vorweg, die Geldschleusen weiter zu öffnen - musste die SNB mit immer höheren Beträgen auf dem Devisenmarkt intervenieren, um den Mindestkurs halten zu können.
Allein im ersten Halbjahr 2015 wies die SNB einen Rekordverlust von 50,1 Milliarden Franken aus; nur der Verlust auf Fremdwährungen betrug damals 47,2 Milliarden Franken. Dabei handelt es sich jedoch anders als bei einer Geschäftsbank um Buchverluste, da die Nationalbank jene Institution ist, die Geld druckt und damit zur Verfügung stellt. Zudem hat die SNB bereits mit dem zweiten Halbjahr einen Teil dieser Verluste wieder wettgemacht. Für das Gesamtjahr geht sie von einem Verlust von 23 Milliarden Franken aus.
Der Paukenschlag der SNB vom 15. Januar 2015 ist auch ein Jahr später noch in aller Munde. Das zeigt der Begriff «Frankenschock», der in der Folge des SNB-Entscheids zu ungeahnter Popularität kam. Das Wort wurde im November von einer Jury aus Finanzexperten zum Finanzwort des Jahres gekürt. «Frankenschock» hat in dieser deutschen Schreibweise Eingang selbst in die englischsprachige Finanzpresse gefunden.