Anfang Woche startete die deutsche Autoindustrie die Aktion Reinwaschen. Zwei Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals bei VW sollte der Selbstzünder rehabilitiert werden. 600’000 deutsche Jobs hingen am Verbrennungsmotor, rechnete das stockkonservative Wirtschaftsinstitut Ifo vor. «Man tut dem Diesel Unrecht», doppelte VW-Chef Matthias Müller (64) gestern in der «Neuen Zürcher Zeitung» nach. Und der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (47) leistete im Magazin «Focus» den Offenbarungseid: Er selbst würde sich jederzeit wieder einen Diesel kaufen, so der CSU-Politiker. «Das sind sparsame, hoch effiziente Kraftpakete.»
Doch der Schuss ging nach hinten los. Gestern wurde die Aktion zum Rohrkrepierer. Die deutsche Autoindustrie steckt viel tiefer im Sumpf als angenommen. Die grossen fünf – VW, Audi, Porsche, Mercedes und BMW – treffen seit mindestens 20 Jahren geheime Absprachen, wie das Magazin «Der Spiegel» enthüllt.
«Wenn die Geschichte stimmt, ist das ein Riesen-Erdbeben für die deutsche Autoindustrie», sagt der deutsche Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer (66). Vom Cabriodach über die Auswahl der Zulieferer bis zu technologischen Neuerungen sprechen sich die dominanten Player bis in die Details ab, wie das Magazin nachzeichnet. In Arbeits- und Unterarbeitskreisen treffen sich Manager und technische Verantwortliche und legen fest, was man will und was lieber nicht.
Zum Teil mag es sich dabei um sinnvolle technische Harmonisierungen handeln. «Dass sich Unternehmen austauschen, ist normal», sagt Dudenhöffer. «Die Frage ist, wo die Grenze zwischen einem legalen Erfahrungsaustausch und einer illegalen Absprache liegt.»
Gemäss «Spiegel» haben die Auto-Multis die Grenze zur Illegalität eindeutig überschritten. Sie hebelten den Wettbewerb über Jahre hinweg aus – zum Nachteil von Kunden, Zulieferern und Umwelt.
Was bis jetzt über den Dieselskandal bekannt ist, ist nur die Spitze des Eisberges. Der Bericht weist nach, dass die Autobauer nicht nur bei den billigen Dieselmotoren geschummelt haben, sondern auch bei den teuren.
Diese galten bis anhin als sauber. Denn die Abgase werden vom Harnstoff Adblue gereinigt. Doch die Branche hat auch hier manipuliert: Die Hersteller verständigten sich darauf, nur relativ kleine Tanks einzubauen. Der Platz im Wagen sollte lieber für teure Lautsprecher und Stauraum verwendet werden.
Die Folge: Die Menge Harnstoff reicht nicht, um den Stickstoff zu neutralisieren. Die Motoren stossen viel mehr Schadstoffe aus, als die Hersteller deklarieren. Auch hier, so vermutet der «Spiegel», sorgt eine Schummelsoftware dafür, dass auf dem Prüfstand alles einen sauberen Anschein macht.
Auffällig: Mercedes und Audi haben diese Woche beispiellose Rückrufaktionen gestartet. Insgesamt 3,85 Millionen Dieselautos mit Adblue müssen für ein Software-Update in die Garage.
«Der Imageschaden ist enorm», sagt Dudenhöffer. «Fast täglich werden Negativmeldungen publik. Seit Jahren werden Tricksereien mit Abgasen bemängelt. Immer wieder werden neue Updates aufgespielt, von denen eigentlich niemand weiss, was sie leisten.»
Die Branche hat kalte Füsse bekommen. VW und Mercedes haben schon vor einem Jahr Selbstanzeigen beim deutschen Kartellamt deponiert. «Es bestehe der Verdacht», dass es «zu kartellrechtswidrigem Verhalten» gekommen sei, zitiert der «Spiegel» aus der VW-Eingabe. Den Herstellern drohen Milliardenbussen. Die EU-Kommission kennt bei Kartellen kein Pardon. Die Aktienkurse der mutmasslichen Sünder kamen gestern unter die Räder.
Zu den Geschädigten dürften auch Schweizer Unternehmen zählen. Für Firmen wie Autoneum, Ems, Feintool, Georg Fischer oder Komax ist die deutsche Automobilindustrie der wichtigste Abnehmer. «Ihnen könnte der Skandal schaden», sagt Armin Rechberger (53), Analyst der Zürcher Kantonalbank.
18. September 2015: Die US-Umweltbehörde bringt den Dieselskandal ins Rollen. VW hat eine Software eingesetzt, die erkennt, wann das Auto auf dem Prüfstand steht. Dann stösst der Motor extra wenige Schadstoffe aus.
21. September 2015: VW gibt den Betrug zu. Die VW-Aktien stürzen ab.
23. September 2015: VW-Chef Martin Winterkorn (70) tritt ab. Porsche-Chef Mathias Müller (64) übernimmt.
26. September 2015: Als erstes Land verbietet die Schweiz den Verkauf von betroffenen Fahrzeugen der VW-Marken. Es geht um Audi, Seat, Skoda und VW der Baujahre 2009 bis 2014 mit 1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-TDI.
2. November 2015: Auch Porsche und Audi geraten unter Verdacht. Die US-Umweltbehörde prüft die Dreiliter-Diesel. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge aus dem VW-Konzern betroffen.
31. Januar 2016: Beim VW-Importeur Amag in Dübendorf ZH wird dem ersten von 130'000 Schweizer Dieseln das Schummeln ausgetrieben.
15. März 2016: 300 Grossaktionäre verklagen VW. Sie wollen drei Milliarden Franken Schadenersatz.
11. Januar 2017: VW zahlt dem US-Justizministerium 4,3 Milliarden Franken.
25. April 2017: Frankreich ermittelt gegen Peugeot und Citröen wegen Verdachts auf Abgasmanipulation.
22. März 2017: Die Staatsanwalt Stuttgart knöpft sich Mercedes vor.
13. Juni 2017: Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) will mit anderen europäischen Organisationen in den Niederlanden gegen VW klagen. 2000 Schweizer Besitzer von Schummeldieseln machen mit.
21. Juli 2017: Audi ruft 850'000 Autos mit Sechszylinder- und Achtzylinder-Motoren zurück.
18. September 2015: Die US-Umweltbehörde bringt den Dieselskandal ins Rollen. VW hat eine Software eingesetzt, die erkennt, wann das Auto auf dem Prüfstand steht. Dann stösst der Motor extra wenige Schadstoffe aus.
21. September 2015: VW gibt den Betrug zu. Die VW-Aktien stürzen ab.
23. September 2015: VW-Chef Martin Winterkorn (70) tritt ab. Porsche-Chef Mathias Müller (64) übernimmt.
26. September 2015: Als erstes Land verbietet die Schweiz den Verkauf von betroffenen Fahrzeugen der VW-Marken. Es geht um Audi, Seat, Skoda und VW der Baujahre 2009 bis 2014 mit 1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-TDI.
2. November 2015: Auch Porsche und Audi geraten unter Verdacht. Die US-Umweltbehörde prüft die Dreiliter-Diesel. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge aus dem VW-Konzern betroffen.
31. Januar 2016: Beim VW-Importeur Amag in Dübendorf ZH wird dem ersten von 130'000 Schweizer Dieseln das Schummeln ausgetrieben.
15. März 2016: 300 Grossaktionäre verklagen VW. Sie wollen drei Milliarden Franken Schadenersatz.
11. Januar 2017: VW zahlt dem US-Justizministerium 4,3 Milliarden Franken.
25. April 2017: Frankreich ermittelt gegen Peugeot und Citröen wegen Verdachts auf Abgasmanipulation.
22. März 2017: Die Staatsanwalt Stuttgart knöpft sich Mercedes vor.
13. Juni 2017: Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) will mit anderen europäischen Organisationen in den Niederlanden gegen VW klagen. 2000 Schweizer Besitzer von Schummeldieseln machen mit.
21. Juli 2017: Audi ruft 850'000 Autos mit Sechszylinder- und Achtzylinder-Motoren zurück.