Für Oswald Grübel sind die Banken selber schuld am Niedergang
«Die besten Leute sind längst weg»

Er war vor und während der Sturmjahre Chef der beiden Grossbanken. Im Interview mit BLICK erklärt Oswald Grübel, warum er den Niedergang der Schweizer Banken nicht so dramatisch sieht.
Publiziert: 11.01.2019 um 08:09 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2019 um 12:32 Uhr
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«Man hätte das Ende des Bankgeheimnisses kommen sehen müssen.» Oswald Grübel auf einer Aufnahme von 2010, als er UBS-Chef war.
Foto: Sobli Blick
Konrad Staehelin
Konrad StaehelinWirtschafts-Redaktor

Oswald Grübel (75) kannte die Schweizer Grossbanken vor und während der Finanzkrise wie kein Zweiter: Von 2003 bis 2007 war er CEO der Credit Suisse, von 2009 bis 2011 führte er die UBS. Heute verwaltet er noch sein eigenes Geld. Drei Wochen pro Monat tut er das in der Schweiz, während einer wohnt er in der Nähe von Marbella in Südspanien. Dort erreicht ihn BLICK zum Interview am Telefon.

BLICK: Herr Grübel, warum sind die Schweizer Banken in der Krise?
Oswald Grübel: Die Aktienkurse sind nicht gefallen, weil sie Verluste schreiben, sondern weil die meisten Anleger ihnen für die Zukunft nur noch moderate Gewinne zutrauen. Mehr ist auch nicht möglich, wenn sie bloss noch Geld ausleihen und sich auf die Vermögensverwaltung in Asien konzentrieren. In beiden Geschäften sind die Margen niedrig. Das Investmentbanking mit den hohen Margen dagegen haben sie den Amerikanern überlassen.

Dort drohen auch die grossen Verluste.
Ja, aber die US-Grossbanken betreiben das heute viel gewissenhafter als noch vor der Krise. Sie setzen ihren Händlern weniger überrissene Anreize, haben ein besseres Kontrollsystem eingeführt.

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Das waren noch Zeiten: Der Zürcher Paradeplatz im Jahr 1998 in voller Blüte, rechts schreibt die CS Gewinne, links im Bild die UBS.
Foto: Keystone

Sollen die Schweizer Banken dahin zurück?
Wir werden den Amerikanern im Investmentbanking nicht mehr viel Konkurrenz machen können, nicht wie vor der Krise. Die besten Leute haben die Schweizer Banken verlassen. Es müsste alles neu aufgebaut werden. Das wird aber nicht passieren, denn die Akzeptanz bei den Stakeholdern ist nach allem, was während der Finanzkrise passiert ist, nicht mehr da.

Okay, das Investment Banking ist für die Grossbanken gestorben. Wenigstens ist die Schweiz in der Vermögensverwaltung noch die Nummer eins der Welt.
Ja, aber auch in diesem Bereich hat sie Marktanteile eingebüsst. Es ist unglaublich, wie schnell das Ausland das Bankgeheimnis pulverisiert hat, an dem es sich doch hätte die Zähne ausbeissen sollen. Man hätte es kommen sehen müssen. In den Jahren vor der Krise erpressten regelmässig IT-Mitarbeiter die Bankspitzen, weil sie CDs mit Daten über Steuerflüchtige gestohlen hatten. Dann bezahlte man denen 100'000 Franken, und die Sache war vergessen. Das ist damals nicht an die Öffentlichkeit gekommen.

Die Anzahl Bankmitarbeiter ist in den letzten Jahren abgestürzt. Der Hauptgrund waren weder der Verlust des Bankgeheimnisses noch die Regulierungen nach der Krise, sondern die Digitalisierung.
Ich verstehe den Frust der älteren Kollegen, die es am härtesten trifft. Bei jeder Umwälzung in der Geschichte leidet jemand. Und bei den Banken ist es klar, dass die unteren Hierarchiestufen zuerst weggespart werden. Jene, die oben sitzen, treffen schliesslich die Entscheidungen – und keiner spart sich selber weg. Letztlich wird es aber auch sie treffen. Die strenge Hierarchie in den Banken diente jahrelang vor allem der Kontrolle über die Arbeit in den verschiedenen Abteilungen. Die Kontrolle können jetzt die Computer übernehmen. 

Können die Blockchain-Technologie und Kryptowährungen wie Bitcoin, die darauf basieren, den Banken gefährlich werden?
Nein – in stabilen Ländern wie der Schweiz braucht es keine Alternative zu Banken. Aber in Ländern wie zum Beispiel Simbabwe oder Venezuela ist der Bitcoin sinnvoll. Er ist die einzige Möglichkeit, das Ersparte vor dem Staat in Sicherheit zu bringen. 

Würden Sie einem Jungen heute noch eine Banklehre empfehlen?
Natürlich. Als ich Anfang der 1960er-Jahre meine Banklehre begann, hatte ich keine Lust, und es war verpönt. Ich wollte eigentlich Ingenieur werden und Motoren bauen. Aber meine Erziehungsberechtigten (Grübel wuchs als Waise auf; Anm. d. Red.) meinten, in der Bank hätte ich eine sicherere Zukunft. Ich merkte in der Lehre aber schnell, dass man in der Bank alles mitkriegt, was man will: Wer das menschliche Verhalten, die Politik, Massenpsychologie verstehen will, lernt es in der Bank. Alles, was in einer Wirtschaft passiert, geht am Schluss durch die Bank. Aber das muss man erst verstehen. Wer den Drang dazu nicht hat, sondern sich nur vergraben will, sollte ans Fliessband.

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