«Ich will in Hanoi arbeiten, ich fühle mich da jung»
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Sitzt in Winterthur fest:«Ich will in Hanoi arbeiten, ich fühle mich da jung»

Fritz Schenkel (70) will seit zwei Jahren nach Vietnam zurück und kann nicht
Hotelier sitzt seit zwei Jahren im Hotelzimmer 406 fest

Fritz Schenkel ist in seiner Zeit als Hotelier weit herumgekommen und hat viel erlebt. Seit bald zwei Jahren sitzt er aber fest, weil er keine Arbeitsbewilligung für Vietnam bekommt. Und wegen Corona bleiben die Grenzen zu. Was nun?
Publiziert: 14.12.2021 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2021 um 06:49 Uhr
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Fritz Schenkel, Hotelier mit Leib und Seele, lebt im Park Hotel in Winterthur.
Foto: Zvg
Conny Tovar

Die Baustelle steht schon lange still. Wer weiss, wann und ob das Luxus-Resort in Nha Trang im Süden Vietnams überhaupt jemals öffnen kann. Die Bauarbeiter – vor allem Chinesen – wurden nach Ausbruch der Corona-Pandemie alle nach Hause geschickt. Und für Hotelier Fritz Schenkel (70), der den Bau als Berater betreut hat, gibt es seit bald zwei Jahren auch kein Zurück mehr.

Am 23. Februar 2020 flog Fritz Schenkel von Hanoi nach Zürich. Im Herbst musste er seinen Bruder zu Grabe tragen und wollte sich erst in Ruhe um die Wohnungsauflösung kümmern. Ein paar Wochen später plante er die Rückreise nach Vietnam. Doch Corona verunmöglichte seinen Plan, dorthin zurückzukehren. Seither sitzt er in der Schweiz fest.

Im April hat der «Landbote» die Geschichte des gestrandeten Hoteliers bekannt gemacht. Sie hat schweizweit grosses Echo ausgelöst. «Ganz viele Bekannte von früher haben das gelesen und sich bei mir gemeldet», sagt Schenkel. Briefe, E-Mails – auch alte Gäste aus dem Rossberg, wo seine Familie gewirtet hatte, hätten Kontakt aufgenommen.

Sechs Generationen in der Gastronomie

Seine Passion für Gastronomie und Hotellerie wurde ihm in die Wiege gelegt. Seine Eltern führten bis 1979 das über die Winterthurer Grenzen hinaus bekannte Restaurant Rossberg in fünfter Generation. So stiegen auch die Söhne Fritz und Hans-Rudolf in die Fussstapfen ihrer Vorfahren. Fritz lernte Koch im Baur au Lac in Zürich und besuchte später die Hotelfachschule in Lausanne VD, der Bruder wurde Kellner und arbeitete als Chef de Service unter anderen bei Agnes Amberg und Rosa Tschudy.

Im Rossberg habe sich der Vater Friedrich Schenkel (gestorben 1978) über die Jahre eine super Kundschaft aufgebaut. «Die Winterthurer Noblesse ging bei uns ein und aus», sagt Schenkel. Auch Manager des Hilton International schätzten die Küche und die Gastfreundschaft der Familie. So kam es, dass Fritz eine erste Stelle bei Hilton in Zürich antrat.

Von da weg ging es in regem Wechsel von Hotel zu Hotel, von der Schweiz nach England, irgendwann Korea, dann wieder St. Moritz, China, Vietnam. Für Hotelketten wie Hilton und Swissôtel arbeitete er in leitenden Positionen. Für Kempinski führt er diverse Hotels in China. Seine ruhige und zielgerichtete Art wurde überall geschätzt. In einem Artikel in der «China Daily» über Fritz Schenkel steht: «Das Kempinski Hotel Chengdu verbindet die jahrhundertealte DNA des Hoteliers mit dem würzigen Flair von Szechuan.»

In China glaubte er, er müsse sterben

In der Provinz Szechuan erlebte Fritz Schenkel auch die schlimmsten Momente seiner Karriere. Das schwere Erdbeben vom 12. Mai 2008. «Ich sah mich schon auf dem Friedhof. Es war grausam.» Grausam auch die Bilanz: fast 70'000 Opfer, fünf Millionen beschädigte Gebäude, 5,8 Millionen Menschen wurden obdachlos. 2013 erlebte er ein zweites Erdbeben. Danach habe er vier Monate lang in Hemd und Anzug geschlafen. «Es ging schliesslich um die Etikette. Ich kann ja in einer Notsituation nicht im Pyjama in die Lobby.»

Etikette, das hat der ehemalige Fourier der Schweizer Armee auch seine Angestellten gelehrt. Könnte er zurück nach Vietnam, würde er am liebsten als Consultant in einer Hotelfachschule arbeiten, «weil das Training für junge Leute einfach enorm wichtig ist».

Von Woche zu Woche hoffte er, dass die Grenzen wieder aufgehen, dass er wieder eine Arbeitsbewilligung bekommt und zurück nach Hanoi kann. Mit den wieder rasant ansteigenden Corona-Zahlen und der neuen Omikron-Variante sieht es aber auch für die nächsten Monate nicht gut aus. Auch die Bemühungen eines Headhunters, für Schenkel wieder eine Position im Ausland zu finden, verliefen bislang im Sand.

«Ich habe halt immer gehofft, dass ich wieder nach Hanoi reisen kann.» Wegen der Infrastruktur und der Funktionalität war das Park Hotel die beste Übergangslösung. Doch nach bald zwei Jahren kann man schlicht nicht mehr von Übergang reden. Dieser Realität hat sich Fritz Schenkel aber lange verschlossen.

Im Internet Corner hält er Hof mit der Welt

Wie lange er noch im Hotel in Winterthur wohnen bleibt, ist dennoch ungewiss. Eine eigene Wohnung zu beziehen, einen Computer zu kaufen, Internet zu installieren, das wollte er bislang nicht. Lieber hält er im kleinen Internet Corner des Hotels weiterhin Hof mit der Welt. Von Zeit zu Zeit mietet er sich ein Auto, fährt durch die Gegend. Täglich holt er sich bei einem Winterthurer Take-away sein Zmittag und freut sich über regen Besuch, den er im Hotel empfängt.

Manchmal sei er schon ein bisschen alleine, «aber nicht einsam». Darum lebt er auch in der Stadt und nicht im Haus seiner Cousine in Berg am Irchel ZH, wo Schenkel noch eine Wohnung für Kleider und Erinnerungsstücke aus dem Rossberg gemietet hat. Aber vielleicht bleibt ihm bald keine andere Lösung mehr, als doch aufs Land zu ziehen. Schweren Herzens. «Ich habe so viele Jahre in pulsierenden Städten in Asien gewohnt, ich brauche das.»

Clinton, Putin, Leuthard – er hatte sie alle zu Besuch

In der Zwischenzeit zehrt er von seinen Erinnerungen. Erzählt davon, wie er Bill Clinton (75), dessen Frau Hillary (74) und Tochter Chelsea (41) im Jahr 2000 im Hotel Hanoi Daweoo in Vietnam begrüssen durfte. Kurz darauf, 2001, war Wladimir Putin (69) zu Gast. «Ihn habe ich auf Deutsch begrüsst.» Er sei sehr unkompliziert, bescheiden und sehr höflich gewesen. Auch Familie Clinton sei in Bezug auf Essen und Trinken sehr genügsam aufgetreten. Clinton hätte sich auch ungezwungen mit diversen Leuten im Hotel und mit dem Personal unterhalten.

Im chinesischen Chengdu traf er 2007 auch eine Delegation mit Ex-Bundesrätin Doris Leuthard (58). 2001 beherbergte er den damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter (85) in Hanoi. Die Liste seiner prominenten Gäste ist noch viel länger: Staatspräsidenten, der ehemalige US-Aussenminister John Kerry (77), Asien-Korrespondent Peter Achten (80), Kunstsammler Uli Sigg (75), asiatische Popstars und Fussballer gaben sich die Türklinke in die Hand.

Seit bald zwei Jahren hat seine Tür die Nummer 406 – im Winterthurer Hotel Park. Ob sich tatsächlich noch einmal eine neue in Vietnam auftun wird, muss sich zeigen. Es wäre Schenkel zu wünschen, denn trotz seiner 70 Jahre will er sich keinesfalls zur Ruhe setzen. «Ich bin gesund, ich habe noch Drive, und die Arbeit hält mich jung.»

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