In Zürcher Finanzkreisen mehrten sich zuletzt die Spekulationen, dass U-Häftling Pierin Vincenz (62) bald freikommt (BLICK berichtete).
Jetzt legt die «Handelszeitung» nach: Der Ex-Raiffeisen-Boss könnte laut einem heutigen Bericht spätestens am 17. Juni freikommen. Dann laufe die durch das Zwangsmassnahmengericht gewährte Fristenerstreckung zur Haftverlängerung aus. Wenn Staatsanwalts Marc Jean-Richard-dit-Bressel (54) nicht erneut einen Antrag auf U-Haftverlängerung stellt, um mehr Zeit für die Ermittlungen zu haben.
Vincenz soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und von Raiffeisen ein Doppelspiel gespielt und sich persönlich bereichert haben. Als Kompagnon fungierte der ebenfalls inhaftierte Ex-Aduno-Chef Beat Stocker (58). Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Beide sitzen seit Ende Februar in Zürcher U-Haft.
Die Staatsanwaltschaft erteilt keine Auskunft zum Zeitungsbericht und zu laufenden Verfahren.
Frist-Ende fällt mit Delegierten-Event zusammen
Vincenz könnte genau vor der grossen Raiffeisen-Delegiertenversammlung wieder in Freiheit sein. Im Kunst- und Kulturzentrum LAC in Lugano TI treffen sich die Raiffeisen-Teppichetage und die 164 Delegierten am 16. Juni zur jährlichen Versammlung. Brisantes Thema: die Lohnerhöhung bei Raiffeisen Schweiz und im Verwaltungsrat. Der Antrag liegt vor, dass der Verwaltungsrat seine für 2017 beschlossene Lohnerhöhung revidiert.
Dass Vincenz – sofern er tatsächlich frei kommt – in Lugano auftaucht oder die Party stört und öffentlich auspackt, wie die «Handelszeitung» schreibt, ist unwahrscheinlich. Dass die Frist für eine mögliche U-Haftverlängerung genau zum Zeitpunkt der Delegiertenversammlung abläuft, ist purer Zufall.
Was für eine Verlängerung der U-Haft spricht: Die Spesenabrechnungen des Ex-Raiffeisen-Bosses. «Sie beschäftigen nun sogar die Justiz», schreibt der in Sachen Raiffeisen gut informierte Finanzblog «Inside-Paradeplatz» heute. Auslöser für die Untersuchungen sei die Genossenschaftsbank selbst. Die Aufarbeitung der Ära Vincenz durch den externen Ermittler Bruno Gehrig (71) habe eine grosse Anzahl unklarer Spesen zutage gefördert. «Die Spesen-Abklärungen sind keine Petitessen», heisst es im Finanzblog.
Auch wenn der Ex-Raiffeisen-Chef bald aus der U-Haft entlassen wird, wird sein Fall die Justiz noch jahrelang auf Trab halten. «Im Zweifel kommt es zur Anklage, alleine das kann aber x Monate dauern», sagt Strafverteidiger Valentin Landmann (67) zu BLICK. Welche Auflagen, im Fachjargon Ersatzmassnahmen, Vincenz bis dann einhalten müsste, könne man nicht wissen.