Frankreich
Über eine Million gegen Macrons Rentenreform auf der Strasse

In Frankreich ist Präsident Macron mit den grössten Protesten seiner Amtszeit konfrontiert: Offenbar über eine Million Menschen gingen gegen sein Wahlkampf-Versprechen einer Rentenreform auf die Strasse. Ein Generalstreik legte das öffentliche Leben weitgehend lahm.
Publiziert: 05.12.2019 um 14:31 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2019 um 22:02 Uhr
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"Lasst uns aufbegehren!" heisst es auf einem Transparent von Protestierenden in Paris.
Foto: Thibault Camus

«Schützt unsere Renten» und «Soziale Unsicherheit tötet» hiess es am Donnerstag auf Protestbannern. Das Innenministerium sprach am Abend von 806'000 Teilnehmern im ganzen Land, wie der Radionachrichtensender Franceinfo und andere Medien berichteten. Die Gewerkschaft CGT zählte hingegen mehr als 1,5 Millionen Demonstranten, davon allein 250'000 in Paris - dies sei eine «historische Mobilisierung» gewesen.

Nach den «Gelbwesten"-Protesten ist die Rentenreform die nächste grosse Herausforderung für Präsident Emmanuel Macron und ein durchaus heikles Vorhaben.

Der Ausstand bei der Bahn und im Pariser Nahverkehr ist «unbefristet» angekündigt. Auch am Freitag werden die meisten Züge gestrichen sowie rund 20 Prozent der Flüge, wie die Bahngesellschaft und die Zivile Luftfahrtbehörde mitteilten.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, drohte der Regierung mit wochenlangen Protesten. Der Streik sei in vielen Bereichen verlängerbar, «das ist sicher», sagte er in Paris. Am Freitag wollten die Gewerkschaften über das weitere Vorgehen beraten.

Bereits am Donnerstag beteiligten sich fast neun von zehn Lokführern an dem Streik. Auch viele Schulen blieben geschlossen, in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, der Polizei und bei der Müllabfuhr kam es ebenfalls zu Ausständen, ebenso wie an Flughäfen, wo das Bodenpersonal die Arbeit niederlegte. Auch sieben der acht französischen Erdöl-Raffinerien wurden bestreikt.

In Paris fuhren die meisten U-Bahnen nicht. Auch Touristenattraktionen wie der Eiffelturm und Schloss Versailles blieben geschlossen.

Am Rande der Pariser Demonstration kam es vorübergehend zu Gewalt: Schwarz gekleidete Vermummte zündeten einen Bauwagen und Mülleimer an und warfen Fensterscheiben ein. Die Polizei setzte Tränengas ein. Der Fernsehsender BFM-TV sprach von mindestens 500 Gewaltbereiten. Vereinzelt waren darunter auch Menschen in gelben Warnwesten zu sehen. In Paris wurden mehr als 70 Gewaltbereite vorübergehend von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Auch in anderen französischen Städten wie Nantes, Bordeaux und Lyon kam es vereinzelt zu Zusammenstössen von Vermummten mit den Sicherheitskräften. Das Innenministerium hatte vor Krawallen von Anhängern des «Schwarzen Blocks» und «radikalen Gelbwesten» gewarnt. In Paris waren 6000 Polizisten im Einsatz.

Premierminister Edouard Philippe sagte am Rande einer Krisensitzung der Regierung, er danke den Gewerkschaften für die grösstenteils friedlich verlaufenen Demonstrationen. Der Premier will die umstrittene Rentenreform Mitte der kommenden Woche erstmals im Detail vorstellen.

Macrons Büro erklärte, der Präsident halte «entschlossen» an seinem Plan fest. Macron hatte die Reform wegen der «Gelbwesten"-Proteste vorerst aufgeschoben. Im Kern will er die mehr als 40 verschiedenen Rentensysteme vereinheitlichen und das Defizit der Rentenkassen abbauen, das bis 2025 auf 17 Milliarden Euro steigen könnte. Die Gewerkschaften fürchten massive Kürzungen.

Nach Umfragen unterstützt eine Mehrheit der Franzosen den Generalstreik, der auch von der Opposition mitgetragen wird. Die Gewerkschaften hoffen auf eine Sprengkraft wie 1995: Damals sagte die Regierung unter Präsident Jacques Chirac eine Rentenreform nach wochenlangen Protesten ab.

Der grosse Streik hat auch Auswirkungen auf Reisende aus der Schweiz. Die SBB rieten von Reisen nach Frankreich von Donnerstag bis Sonntag ab. Es verkehrten nur einzelne Züge, namentlich die TGV-Schnellverbindungen zwischen der Schweiz und Frankreich wurden annulliert.

Auch im Flugverkehr gab es Probleme. Die Fluggesellschaft Air France beispielsweise strich 30 Prozent der französischen Inlandflüge. 25 Flüge ab Genf-Cointrin und 26, die dort landen sollten, wurden annulliert. Auch in Zürich wurden Flüge nach Paris gestrichen.

(SDA)

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