Ein Pariser Sondergericht das Urteil im spektakulären Strafprozess gegen IWF-Chefin Christine Lagarde verkünden. Der 60-jährigen Finanzmanagerin wird Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit einer umstrittenen Millionenzahlung an den französischen Geschäftsmann Bernard Tapie vorgeworfen. Sie amtierte von 2007 bis 2011 als französische Wirtschafs- und Finanzministerin.
Die Staatsanwaltschaft hatte sich in dem ungewöhnlichen Prozess dafür ausgesprochen, Lagarde nicht zu bestrafen. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu ein Jahr Haft und 15'000 Euro Strafe - das würde auch die Frage aufwerfen, ob Lagarde ihren Posten an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) räumen muss.
Der Gerichtshof der Republik ist für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig. Er tagt nur sehr selten. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern auch zwölf Parlamentarier.
Lagarde hatte 2007 als Ressortchefin einem Schiedsverfahren zugestimmt, um einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Unternehmer Tapie zu beenden. Dieser hatte sich von der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas geprellt gesehen.
Als die Schiedsmänner Tapie mehr als 400 Millionen Euro an Entschädigung zusprachen, verzichtete Lagarde darauf, Einspruch einzulegen. Die Einigung stellte sich später als sehr brüchig heraus: Der Schiedsspruch wurde von Zivilgerichten aufgehoben und Tapie zur Rückzahlung des Betrags verurteilt. Zudem laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, darunter Lagardes früheren Büroleiter.
Lagarde sagte mehrfach vor Gericht, sie habe damals nach bestem Gewissen gehandelt. Sie war als Ministerin massgeblich für Frankreichs Reaktion auf die internationale Finanzkrise verantwortlich, die mit dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers 2008 begonnen hatte.