Noch gibt es ein Überangebot an Lehrstellen. Doch wegen des Frankenschocks stehen zusehends auch Ausbildungsplätze auf der Kippe. «Viele Firmen müssen jetzt den Gürtel enger schnallen», sagt Michael Siegenthaler (29), Arbeitsmarktexperte bei der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF).
Unter dem starken Franken leidet laut Siegenthaler vor allem die Industrie und damit ausgerechnet jener Sektor, in dem die meisten Lehrlinge ausgebildet werden. Für den Ökonomen ist deshalb klar: «Verschieben Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland, gehen auch Lehrstellen verloren.»
Zurzeit treffen fast täglich neue Meldungen über die Verlagerung von Jobs ein. So kündigte zuletzt der Hörgerätehersteller Sonova an, Teile der Produktion nach Grossbritannien und China auszulagern. EgoKiefer, die Tochter des Bauausrüsters AFG, produziert ihre Fenster künftig in der Slowakei.
Um Kosten zu sparen, reicht vielen Firmen aber schon der Gang auf die andere Seite der Grenze. Wie der Wirtschaftsförderer von Vorarlberg auf Anfrage sagt, habe das Interesse von Schweizer Betrieben an einer Verlagerung nach Österreich «merklich» zugenommen. Auch im deutschen Bundesland Bayern gehen vermehrt Anfragen ein, wie das Wirtschaftsministerium in München bestätigt.
Doch nicht nur Lernende, sondern auch Arbeitsuchende mit Lehr- oder Studienabschluss dürften wegen der Aufhebung des Mindestkurses künftig mehr Mühe haben, eine Stelle zu finden. «Generell steigt in Krisenzeiten die Arbeitslosigkeit zuerst bei den Jugendlichen», sagt Oliver Schärli (42), Leiter Arbeitsmarkt im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Sobald sich Firmen gezwungen sähen, Mitarbeiter zu sparen, würden statt Familienvätern oder Müttern eher junge, weniger gut Ausgebildete entlassen, sagt er.
Bereits heute stehen in der Schweiz viele Jugendliche ohne Job da – trotz aller Lobeshymnen auf das Lehrbildungssystem. So waren 2014 im Schnitt 8,6 Prozent der 15- bis 24-Jährigen erwerbslos, wie die international vergleichbare Erwerbslosenquote vom Bundesamt für Statistik zeigt.