Zusammenbruch beschleunigte das CS-Aus
Neue Details zum Milliardenflop mit Greensill-Fonds

Der Zusammenbruch der Greensill-Fonds beschleunigte den Niedergang der CS. Jetzt liefert ein Expertenbericht neue Einzelheiten, die Fragen zur Rolle von UBS-Manager Iqbal Khan aufwerfen.
Publiziert: 05.01.2025 um 11:18 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2025 um 12:15 Uhr
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Foto: imago/Geisser

Auf einen Blick

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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Er hat die Credit Suisse verlassen, bevor die Probleme der Grossbank zu gross wurden: Starbanker Iqbal Khan (48) wechselte Ende Juni 2019 abrupt zur UBS und übernahm dort einen Topjob in der Konzernleitung. Viele seiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sind inzwischen nicht mehr bei der CS beziehungsweise der UBS beschäftigt – die meisten sind gar nicht mehr im Banking tätig. Dazu gehören Urs Rohner (65), Verwaltungsratspräsident der CS, oder die beiden CEOs Tidjane Thiam (62) und Thomas Gottstein (60) sowie Risikochefin Lara Warner oder der Chef der Investmentbank, Brian Chin. Die Liste liesse sich fast endlos fortsetzen.

Bei der Credit Suisse war Iqbal Khan von 2015 bis 2019 Chef der Geschäftseinheit International Wealth Management (IWB) und damit zuständig für die Bereiche Asset Management und Private Banking. In seinem Verantwortungsbereich wurde 2015 ein völlig neues Anlageprodukt konzipiert, die sogenannten Supply Chain Finance Funds (SCF-Fonds) – besser bekannt als Greensill Funds.

Dahinter steckte der schillernde Finanzunternehmer Lex Greensill, ein gebürtiger Australier, der sich auf die Finanzierung von Lieferketten spezialisiert hatte. Vereinfacht gesagt, streckte Greensill Unternehmen Bargeld vor und bezahlte deren Lieferanten-Rechnungen. Für die schnelle Zahlung erhielt er einen kleinen Rabatt. Später forderte Greensill den vollen Rechnungsbetrag vom Kunden zurück und strich den Gewinn ein. Um dieses kapitalintensive Geschäft betreiben zu können, war er auf potente Geldgeber angewiesen. So kam die CS ins Spiel, die über die neuen Fonds Gelder von Kunden einsammelte und an Greensill weiterleitete. Im Gegenzug erhielt die Bank scheinbar sichere Wertpapiere.

Im März 2021 fiel das Kartenhaus zusammen. Die CS musste Kundengelder in der Höhe von 10 Milliarden Dollar einfrieren. Über 1000 der reichsten Kunden aus dem In- und Ausland mussten um ihr Geld bangen. Ein Imageschaden, von dem sich die Bank nie mehr erholte. Das Greensill-Debakel und die 5-Milliarden-Pleite mit dem Hedgefonds Archegos leitete die terminale Phase der Bank ein.

PUK untersuchte Rolle der Finma

Für die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) war Greensill ein zentrales Thema. Um die Rolle der Finma im Zusammenhang mit der CS zu klären, gab sie bei den Rechtsanwälten Albrecht Langhart und Matthias Hirschle ein Gutachten in Auftrag. In diesem Bericht, der sich auf das Enforcement-Verfahren der Finma gegen die CS stützt, sind jetzt neue Details über das Versagen der Bank im Umgang mit den SCF-Fonds bekannt geworden.

Die Fonds wurden schlampig aufgesetzt, strukturelle Risiken wurden nicht erkannt und deshalb auch nicht überwacht, der Versicherungsschutz war mangelhaft, Bankberater erhielten finanzielle Anreize zum Verkauf der Fonds. Ein Untersuchungsbeauftragter der Finma stellte fest, dass bereits der «Prozess zur Qualifikation der SCF-Fonds mit Mängeln behaftet» war, dass «erkennbare Risiken sorgfaltswidrig nicht erkannt» wurden, dass «ein wirksames Reporting und eine wirksame Überwachung» fehlten und dass «Interessenkonflikte und Fehlanreize im Vertrieb der SCF-Fonds» bestanden. Sein Fazit: «Die Bank hatte im gesamten Untersuchungszeitraum (ab 2017 bis zur Schliessung der SCF-Fonds im März 2021) die von einer Bank dauernd einzuhaltenden Anforderungen an eine angemessene Organisation verletzt.»

Der Ausfall der Greensill-Fonds forderte zahlreiche Opfer im Management der CS. Ehemalige Chefs des Asset Managements wie Eric Varvel und Michel Degen verliessen die Bank. Auch Risikochefin Lara Warner musste gehen. Gegen sie laufen mutmasslich Untersuchungen der Finma. Auch Ex-CS-CEO Thomas Gottstein ist ins Visier der Behörde geraten, wie Blick im Juli 2023 aufdeckte.

«Nicht stufengerecht»

Iqbal Khan hingegen wurde von der Finma nicht angetastet. Weder gibt es ein Enforcement-Verfahren gegen ihn, noch wurde er offenbar je zur Sache befragt. Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass er von 2017 bis zu seinem Ausscheiden Ende Juni 2019 oberster Chef des Private Banking und des Asset Management war und als Mitglied der Konzernleitung in weiten Teilen die Verantwortung für die Organisation trug, die laut Finma nicht angemessen war.

Eine Finma-Sprecherin sagt dazu: «Die Frage der Verantwortlichkeit aller relevanten Manager ist immer Teil der Untersuchungen und der Verfahren der Finma.» Entsprechend sei sie auch Teil des Greensill-Verfahrens gewesen.»

Was wusste Khan, hätte er eingreifen müssen? Laut internen Quellen soll er weder in die Konzeption noch in die Genehmigung der Fonds involviert gewesen sein. «Das wäre nicht stufengerecht gewesen», sagt eine Auskunftsperson. Auch seien die Greensill-Fonds lange Zeit nicht auf seinem Radar aufgetaucht. Ein sogenannter Papertrail (Datenspur) konnte erst für das zweite Quartal 2019, also kurz vor seinem Ausscheiden, nachgewiesen werden. Den Quellen zufolge wurde er damals darüber informiert, dass die Kundengelder in kurzer Zeit stark angestiegen waren, was Fragen aufwarf. Als Khan die CS verliess, beliefen sich die Kundenvermögen auf 8,2 Milliarden Dollar. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Manager schon früher von den Fonds gewusst haben musste, zumal der Verkauf sehr gut lief und seine Abteilung davon profitierte.

Dass die Finma ihn in Ruhe liess, dürfte auch damit zusammenhängen, dass Khan gerade noch rechtzeitig zur UBS wechselte. Wäre er länger geblieben, hätten ihn die Probleme möglicherweise eingeholt. Eine UBS-Sprecherin schreibt auf Anfrage: «Die Angelegenheit wurde während zweier Jahre akribisch von CS-internen und externen Experten untersucht, die Finma hat ein Enforcement-Verfahren durchgeführt und abgeschlossen. Iqbal Khan ist von keinem dieser Verfahren betroffen, und keine Untersuchung hat eine Verfehlung von ihm festgestellt.» Khan selbst sagte in einem «NZZ»-Interview vor einem Jahr, dass er das Vertrauen von Sergio Ermotti und jenes des Verwaltungsrats geniesse. «Das ist es, was für mich wirklich wichtig ist.»

Die Finma ging auf mehrere Fragen zur Rolle des Managers während seiner Zeit bei der CS nicht näher ein. Die Sprecherin schreibt, dass die Finma immer dann eingreife, wenn «individuelle Zurechenbarkeiten für Verletzungen gegen das Aufsichtsrecht gefunden werden».

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