Fiskus belastet Schweizer Firmen extrem unterschiedlich
Höhere Gewinne, halb so viel Steuern

Unternehmen tragen längst nicht alle gleich viel bei zum Wohle der Allgemeinheit – selbst bei vergleichbaren Profiten. Schlummert hier Potenzial für die Finanzierung der Corona-Krise?
Publiziert: 15.11.2020 um 16:16 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2020 um 11:35 Uhr
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Partners Group von 2010 bis 2019. Reingewinn: 4,8 Milliarden Franken. Ertragssteuern: 0,6 Milliarden Franken. Im Bild die Gründer Urs Wietlisbach, Alfred Gantner und Marcel Erni (v.l.)
Foto: Gian Marco Castelberg/13Photo
Thomas Schlittler

Es ist die Erfolgsstory der jün­geren Schweizer Wirtschafts­geschichte: die Partners Group mit Sitz in Baar ZG.

Die 1500 Mitarbeiter der Ver­mögensverwaltungsgesellschaft sorgen dafür, dass das Kapital von Pensionskassen, Versicherungen und reichen Familien hübsche ­Renditen abwirft. Dabei fokussieren sie sich voll auf Private-Equity-An­lagen – also auf Beteiligungen an Unternehmen, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden.
Das Konzept funktioniert – und wie! Erst 1996 von Alfred Gantner (52), Marcel Erni (55) und Urs Wietlisbach (59) gegründet, gehört die Partners Group seit September dieses Jahres zum Swiss Market ­Index (SMI).

Das Trio engagiert sich auch sozial. Mit ihrem Verein PG Impact unterstützen die Gründer unternehmerische Non-Profit-Organisationen und sorgen auch mit grosszügigen Einzelspenden immer wieder für Aufsehen: eine Million für «Jeder Rappen zählt», zwei Millionen für Corona-geschädigte Firmen, ein paar Millionen für den Schweizer Sport.

So wenige Steuern wie kaum ein anderer Grosskonzern

Weniger spendabel ist die Partners Group gegenüber der Allgemeinheit. Berechnungen von SonntagsBlick zeigen: Im Verhältnis zum Gewinn bezahlen die Senkrechtstarter aus Zug so wenige Steuern wie kaum ein anderer Schweizer Grosskonzern.

Von 2010 bis 2019 erwirtschaftete die Partners Group einen Reingewinn von rund 4,8 Milliarden Franken. 3,3 Milliarden davon gingen als Dividenden an die Firmeninhaber. Der Staat erhielt lediglich 0,6 Milliarden an Ertragssteuern.

Zum Vergleich: Die Coop-Gruppe verbuchte im selben Zeitraum einen Reingewinn von 4,7 Milliarden Franken, etwas weniger als die Partners Group. Die Genossenschaft musste dem Fiskus aber 1,4 Milliarden abliefern – mehr als doppelt so viel wie die Vermögensverwalter.

Wie kommen solche Unterschiede zustande? Sind sie gerecht­fertigt? Oder Indiz dafür, dass ­gewisse Konzerne nach wie vor Schlupflöcher finden, um Teile ­ihres Gewinns an den Steuerbehörden vorbeizuschleusen?

Angesichts der Corona-Krise sind diese Fragen relevanter denn je. Die Pandemie verursacht Kosten, wie sie die Schweiz noch nie gesehen hat. Und viele fragen sich: Wer soll das alles bezahlen?

Vergleiche seien schwierig

Die Grosskonzerne sehen sich nicht in der Pflicht. Sie beteuern, ihre Steuern ordnungsgemäss zu entrichten, und verweisen darauf, schon heute Milliarden an den Fiskus abzuliefern. Ein Sprecher der Partners Group: «Wir sind uns unserer steuerlichen Verantwortung selbstverständlich bewusst und führen die korrekten Steuerbeträge ab.»

Vergleiche mit Coop und anderen Konzernen findet das Unternehmen «schwierig». Geschäftsmodelle und geografische Tätigkeitsgebiete seien zu unterschiedlich. Für den Umstand, dass die Partners Group vergleichsweise wenige Steuern bezahlt, hat der Konzern trotzdem eine Erklärung parat: «Bei uns findet die meiste Wertschöpfung in der Schweiz statt – am Standort Zug, wo auch die meisten Mitarbeiter beschäftigt sind. Dadurch ist unsere Besteuerung sehr nahe an dem Steuersatz für Firmen im Kanton Zug.»

Zug gleich Tiefsteuerkanton, gleich geringe Abgaben – eine Erklärung, die logisch scheint. Dass es nicht ganz so einfach ist, zeigt ein Blick nach Basel. Dort sind bekanntlich Roche und ­Novartis zu Hause. Die Pharma­riesen haben in den vergangenen zehn Jahren ähnlich hohe Reingewinne erzielt. Bei Novartis summierten sie sich auf 104,7 Milliarden US-Dollar, bei Roche auf 101,7 Milliarden Franken. Ganz anders in Sachen Steuern: Roche lieferte zwischen 2010 und 2019 weltweit 28,9 Milliarden Franken an Ertragssteuern ab. Novartis derweil 16,5 Milliarden US-Dollar.

Beide Konzerne bestätigen diese Zahlen. Auf die Unterschiede zum ­direkten Konkurrenten aber wollen sie nicht eingehen. «Wir kommentieren die Steuerzahlungen anderer Unternehmen nicht», so eine Roche-Sprecherin.

Differenzen nicht wegen Optimierungen

Bei Novartis klingt es gleich. Der Konzern liefert immerhin einige all­gemeine Erklärungsansätze: «Multinationale Konzerne haben unterschiedliche Profile in Bezug auf ihre globale Geschäftstätigkeit, auf die Märkte, in denen sie präsent sind, sowie auf die Gerichtsbarkeit, mit der sie Geschäfte machen.» Selbst innerhalb derselben Branchen variiere dieser «juristische Fussabdruck der Geschäftstätigkeit» erheblich – und bestimme auch den jeweiligen Steuersatz.

Ein erfahrener Steuer­experte erklärt, was dies im Falle der Basler Pharmariesen bedeutet. Der Mann, der anonym bleiben will, sagt: «Die Wertschöpfung von Novartis ist stärker auf die Schweiz konzentriert als jene von Roche – deshalb profitiert der Konzern stärker von den tiefen Gewinnsteuern in Basel beziehungsweise der Schweiz.»

Roche dagegen unterhalte mit den Tochterunternehmen Genentech in den USA sowie Chugai in Japan sehr bedeutende Forschungsstandorte im Ausland. «Deshalb fallen in den USA und Japan auch mehr Gewinne an – und dort sind die Steuersätze höher als in der Schweiz.»

Ein anderer Steuerexperte merkt an, dass von aussen nicht im Detail beurteilt werden könne, weshalb ein Konzern wie viele Steuern zahle. Dass grosse Differenzen zustande kommen, weil einige ihre Steuern deutlich besser optimierten als an­dere, schliesst er aber aus. «Da sind bei allen Grosskonzernen Profis am Werk.»

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