Davor hat die Wirtschaft ein Jahr lang gezittert: vor staatlichen Lohnkontrolleuren. Diese sollen Firmen aufspüren, die Frauen systematisch schlechter bezahlen als Männer. Denn laut Bundesamt für Statistik (BfS) verdienen Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikation im Schnitt 8,7 Prozent oder monatlich 677 Franken weniger als Männer.
Mit dieser Diskriminierung müsse Schluss sein, kündete Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) vor einem Jahr an. Der Aufschrei war gross. Eine Lohnpolizei soll die Firmen kontrollieren!
Selbstkontrolle, keine Sanktionen
Doch die Suppe dürfte weniger heiss gegessen werden als angerichtet. Die Unternehmen sollen bloss alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchführen.
Die Kontrolle könnten die Unternehmen wahlweise einer Revisionsfirma, einer staatlich anerkannten Selbstregulierungsorganisation oder den Sozialpartnern übertragen. Geprüft würde dabei nur, ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt wurde.
Sanktionen sind nicht vorgesehen. Lediglich als Variante schlägt der Bundesrat vor, dass die Kontrollstelle dem Bund eine Meldung erstatten muss, wenn ein Unternehmen die Vorgaben verletzt. Solche Firmen kämen auf eine schwarze Liste.
Experten bezweifeln aber, dass sich die vom BfS ermittelten Lohndifferenzen tatsächlich mit Diskriminierung erklären lassen. Die Bundesstatistiker berücksichtigen Kriterien wie Berufserfahrung und Weiterbildung nicht. Laut Kritikern lassen sich aber genau mit diesen Faktoren die Lohnunterschiede erklären.
Diskriminierung ist nicht der Grund
Denn Frauen haben öfters Erwerbsunterbrüche als Männer und weisen deshalb im Schnitt weniger Berufserfahrung vor. Studien aus Deutschland zeigen, dass die nicht erklärbare Lohndifferenz verschwindet, wenn man diese Faktoren einbezieht. Mit anderen Worten: Nicht Diskriminierung führt zu tieferen Frauenlöhnen, Schuld sind Babypausen und Teilzeitarbeit.
Der von der Wirtschaft finanzierte Think Tank Avenir Suisse warnt vor einer staatlichen Lohnpolizei. «Eine falsche Therapie aufgrund einer Fehldiagnose würde sich zu Ungunsten der Frauen auswirken, denn sie könnte Unternehmen dazu bewegen, weniger Frauen einzustellen», so die Autoren einer neuen Studie. Sie fordern mehr Tagesschulen und günstigere Kinderkrippen. So hätten die Frauen mehr Anreize und Möglichkeiten, vollzeit zu arbeiten.
Ganz anderer Meinung sind die Gewerkschaften. Ihnen geht der neue Vorschlag von Sommaruga nicht weit genug. Auf betrieblicher und nationaler Ebene brauche es den Einbezug der Sozialpartner, um die Einhaltung der Lohngleichheit zu kontrollieren, fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB).