Wie so oft bei René Benko: ganz viel heisse Luft und wenig Substanz. So wars auch bei Signa Sports United (SSU), die er Ende 2021 auf die Startbahn schob. Fulminant war der Start an der Börse in New York, wo der Internetsporthändler nun plötzlich über 3 Milliarden Franken wert war. Ein phänomenaler Aufstieg, doch bereits ein Jahr später begann der Sinkflug. Das machte auch die Geldgeber aus der Schweiz nervös, wie das neue Buch «Inside Signa – Aufstieg und Fall des René Benko» jetzt dokumentiert.
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Zuvorderst argwöhnisch waren die Banker von Julius Bär, schliesslich hatten sie den Signa-Gesellschaften Kredite in der Höhe von total 606 Millionen Franken gewährt; diese waren besichert mit Liegenschaften, aber auch mit wenig werthaltigen Assets. Bei einer 200-Millionen-Kredittranche dienten zudem Aktien von Signa Sports United als Sicherheit. Diese gerieten jedoch an der Börse zunehmend unter Druck, weil die Umsätze sich nur mässig entwickelten.
Am 28. Dezember 2022 fragte ein Bär-Kadermann bei einem Signa-Manager nach: «Wir hoffen, du hattest ein paar erholsame Tage mit der Familie. Habt ihr eine Erklärung, wieso der SSU-Aktienkurs seit Freitag so zusammengebrochen ist?»
Die seit Monaten überfällige Frage nach dem Aktienkurs löste bei Signa Alarmstufe rot aus. In einem internen Mail meinte der Signa-Manager genervt: «Es ist nicht mein Job, eure miserable Performance gegenüber der Bank zu rechtfertigen.» Und weiter schrieb er: «Der Kredit war mehrfach über die Laufzeit im Covenant Breach (eine Verletzung des Kreditvertrags), und du hast es als Aufsichtsratsvorsitzender nicht für notwendig gehalten, das auch nur im Ansatz auf die Agenda zu nehmen.»
Miserable Performance, Kreditvertragsverletzung – und das zum Jahresende 2022. Es kam noch schlimmer: Der Umsatz stieg nur verhalten an, und die Verluste wuchsen. Das SSU-Management tröstete sich mit dem Versprechen von Benkos Signa-Holding, dass diese ihrer amerikanischen E-Commerce-Tochter 150 Millionen Euro zusätzliches Kapital zur Verfügung stellen würde. Irgendwann im Herbst.
Doch SSU kam nicht auf Touren, und mit überquellenden Lagern nahmen auch die Liquiditätsprobleme zu. Im Januar 2023 schrieb ein Signa-Handelsmanager intern über die Zustände bei der Sports Group: «Während der Laden abschmiert, hab ich mich gefragt, wer vom Topmanagement sich überhaupt um das Problem vor Ort kümmert. Die Antwort findet ihr hier – NIEMAND!!!»
Lindt-Patron Tanner zunehmend genervt
In diesen dramatischen Tagen meldete sich auch Ernst Tanner, Präsident von Lindt & Sprüngli und Grossinvestor bei der Signa Holding, der Muttergesellschaft von SSU. Er ist ein ausgewiesener Profi in Sachen Marketing und Konsumtrends. Einem Topmanager der kriselnden Sportfirma schrieb er: «Freizeit boomt. Die ganze Weltbevölkerung kauft sich ein Velo. Wir sind Marktleader online. Wann fängt SSU an, von diesem Trend zu profitieren?» Eine gute Frage, über ein Jahr nach dem Börsenstart.
Tanner nervt sich auch darüber, dass ihm René Benko keinen reinen Wein einschenkte und Zahlen offenlegte. Er schrieb: «An was liegt der Misserfolg bei SSU? It is more than overdue («mehr als überfällig»), dass das Management inklusive Chairman eine umfassende Präsentation gibt inklusive Ausblick 2023/24/25.»
Der Schweizer Schoggikönig war im Mai 2023 spät dran. Längst war SSU auf dem Weg ins Desaster. In einem vertraulichen Mail an Benko meldete der SSU-Chairman gröbere Probleme mit Lieferanten. «Man will mit SSU teilweise nur noch gegen Vorkasse oder extrem kurzfristigen Zahlungszielen (zehn Tage) arbeiten. Wir haben so gut wie keine Warenkreditversicherung mehr.» Und fast schon verzweifelt fügt er an: «Die Lieferanten trauen uns und der Signa-Gruppe einfach nicht.»
Insolvenz der SSU fast unvermeidbar
Die Not wurde noch grösser, denn im Oktober zog die Signa ihr Versprechen einer Kapitalspritze über 150 Millionen Euro zurück. Das SSU-Management war perplex und liess per Pressemitteilung verbreiten, Signa Sports United würde nun eine Strategieüberprüfung und eine Restrukturierung in Angriff nehmen. Zudem wurde ein Rückzug von der Börse in New York angekündigt, weil das Listing zu teuer sei und zu viel Managementzeit beanspruche. Ziel sei jetzt, «so schnell wie möglich wieder profitabel zu werden».
Doch daran war nicht zu denken, denn kurz darauf rutschte die überschuldete SSU in die Insolvenz. Der kurzzeitige Börsenhöhenflieger war am Boden, Totalschaden. Und der Crash hatte Folgen, denn er erfasste die gesamte Signa-Gruppe, die nun Stück für Stück pleite ging. Und er führte auch bei der Bank Bär in Zürich zu erheblichem Schaden: Im Januar 2024 schrieb die Bank die Kredite in der Höhe von 606 Millionen ab, der Jahresgewinn halbierte sich – und CEO Philipp Rickenbacher musste das Haus verlassen.
Klaus-Michael Kühne zog früh den Stecker
Während die Bank Bär sich viel zu lange von Benko blenden liess, war ein anderer Investor viel früher misstrauisch. Klaus-Michael Kühne, der Logistikunternehmer aus Schindellegi SZ zog bereits Ende 2022 den Stecker. Er war seit längerem in Benkos Immobilienfirma Signa Prime Selection finanziell engagiert. Doch spätestens im Herbst 2022 kamen bei Kühne Zweifel an der Professionalität Benkos auf. Wenig vertrauensbildend war zum Beispiel die Hausdurchsuchung der Wiener Staatsanwaltschaft in den Büros der Signa Holding.
Im Dezember 2022 hatte Kühne vollends das Vertrauen verloren. Beim gemeinsamen Mittagessen in Hamburg stand der Milliardär nach zehn Minuten abrupt auf und verabschiedete sich trocken, wie die Buchautoren Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart in «Inside Signa» schreiben.
Ein schwerer Schlag für Benko, der den Unternehmer Kühne als seinen Vorzeigeinvestor benötigte. Also schickte er Kühne nach dessen Abgang ein SMS und bat um Aufklärung. «Lieber Herr Kühne, offen gesagt bin ich ratlos! Ich bin heute extra nach Hamburg gekommen.» Und er drängte auf einen neuen Termin am Nachmittag, um sich auszusprechen.
Doch Kühne reagierte nicht, worauf Benko ein zweites SMS schickte. «Eine kurze persönliche Aussprache mit Ihnen wäre mir sehr wichtig – es reichen auch zehn Minuten ... Ihr René Benko.» Schliesslich meldete sich Kühne doch noch und schrieb Klartext: «Es tut mir leid – das Vertrauen ist zerstört.» Gleichzeitig bat er ihn, seine Beteiligung an der Signa Prime Selection rückabzuwickeln. Damit war das Tuch zwischen Benko und Kühne zerschnitten. Ein schwerer Rückschlag für Benko.