Eine Mutter oder ein Vater fehlt am Arbeitsplatz, um ein krankes Kind zu Hause zu pflegen. Das ist Arbeitgeberdirektor Roland Müller (53) ein Dorn im Auge: Eltern sollten «Betreuungsfälle wie ein krankes Kind im Voraus planen und generell organisieren», sagte er gestern im BLICK.
In den letzten Jahren setzte sich der Arbeitgeberverband dafür ein, Frauen besser in der Arbeitswelt zu integrieren. Beruf und Familie sollten kein Widerspruch sein. Mit seiner harten Haltung stellt Müller die Frauenoffensive in Frage. Doch sein oberster Chef pfeift ihn nicht etwa zurück – sondern legt noch einen drauf: Die vom Gesetz vorgesehenen freien Tage seien «nicht zur Betreuung der Kinder gedacht, sondern für das Organisieren der Betreuung», sagt Valentin Vogt (56), Präsident des Arbeitgeberverbandes.
Im Voraus organisieren
Und das könne man schon im Vorfeld: «Man kann für den Fall, dass ein Kind krank wird, Eltern, Grosseltern, Nachbarn oder einfach den Ehepartner mobilisieren, die sich dann ums Kind kümmern können.» Bei Alleinerziehenden schlägt Vogt Babysitter vor. Die Kosten dafür müsse dann allerdings der Elternteil tragen.
Bei Politikerinnen von links bis rechts kommen die Aussagen der Arbeitgeberspitze schlecht an. «Wenn der Verband im Ernst meint, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden soll, dann soll er nicht neue Steine in den Weg legen, sondern alte abbauen», sagt BDP-Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (59). «Das hier ist aber ein neuer Stein.»
Krankheiten kann man nicht planen
Auch die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (59) widerspricht Müller: «Aus persönlicher Erfahrung als Mutter weiss ich, dass es nicht möglich ist, die Krankheit der Kinder zu planen.» Kranke Kinder bräuchten Pflege und Fürsorge, damit sie rasch wieder gesund würden. Kein Elternteil wolle schliesslich sein krankes Kind alleine zu Hause lassen. «Deshalb ist seitens der Arbeitgeber Flexibilität gefordert», mahnt die FDP-Politikerin.
SP-Nationalrätin und Kinderschutz-Schweiz-Präsidentin Yvonne Feri (50) betont: «Im Mittelpunkt muss in jedem Fall das Wohl des kranken Kindes stehen, nicht jenes des Arbeitgebers.» Deshalb dürften Eltern die vom Gesetz vorgesehenen drei freien Tage ohne schlechtes Gewissen nutzen, wenn es die Situation verlange. «Wenn es länger geht, liegt es aber in der Verantwortung der Eltern, eine gute Betreuungslösung zu finden.»
CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (52) appelliert an die Vernunft beider Seiten, Arbeitgeber und Eltern, pragmatische Lösungen zu finden. «Die Arbeitgeber sollen keinen Druck ausüben, die Arbeitnehmer umgekehrt die Situation nicht ausnützen», sagt Schneider. «Wenn nötig, soll man die drei Tage aber auch verwenden können.»