Familienbetrieb schreinert neue Postwelt
Emmentaler möbeln die Post auf

Die Post will über 300 Filialen neu möblieren. Der 10-Millionen-Auftrag ist für die Schreinerei Röthlisberger der grösste der Firmengeschichte.
Publiziert: 03.12.2018 um 21:07 Uhr
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So wie hier in Interlaken soll die neue Postwelt bis in drei Jahren aussehen.
Foto: Siggi Bucher
Tobias Marti und Thomas Schlittler

Adrian Röthlisberger (51) ist gut drauf. «Tschou!» «Sälü!» «Hoi!» Der Chef führt durch seine Schreinerei, alle paar Meter bleibt er stehen und grüsst jemanden. Im Familienunternehmen in Schüpbach im Emmental duzt man sich. Die Stimmung ist ausgelassen. Gerade ist ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk eingetroffen. Ein richtig grosses, richtig wertvolles – mit einer gelben Schleife drum.

Die Post hat der Röthlisberger AG den grössten Auftrag in der 78-jährigen Geschichte der Schreinerei beschert. Für zehn Millionen Franken dürfen die Schreiner in den nächsten drei Jahren in der ganzen Schweiz 311 Fi­lialen des gelben Riesen neu möblieren. Sämtliche Schalter, Theken, Paravents und Baldachine der Poststellen werden von den Emmentalern gebaut, geliefert und montiert. Sie geben der Post ein neues Gesicht, vom Genfer- bis zum Bodensee.

Elf Firmen buhlten um den Auftrag

«Es ist mir eine Freude, und gleichzeitig eine Verpflichtung», sagt ­Geschäftsleiter Röthlisberger. Elf Firmen buhlten um den Auftrag. Nicht wegen des Preises, sondern wegen der weichen Faktoren habe man den Zuschlag bekommen, ist Röthlisberger überzeugt. Er meint damit: Die Emmentaler sind ein zertifizierter Betrieb, arbeiten nur mit Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft und setzen voll auf Wasserkraft. Nachhaltigkeit und Umwelt seien bei der Beschaffung besonders stark gewichtet worden, so die Post.

Diese dürfte mit der Wahl gut bedient sein. Hätte sie einem ausländischen Billiganbieter den Vorzug gegeben, wären die nächsten Negativschlagzeilen in ­einem ohnehin schwierigen Postjahr gewiss gewesen. So aber kann sich der gelbe Riese als Unterstützer der lokalen Wirtschaft präsentieren.
Drei Röthlisbergers sitzen in der Geschäftsleitung, mit 120 festen und 40 temporären Mitarbeitern hat der Betrieb aber eine beträchtliche Grösse. «Wir nennen uns trotzdem Manufaktur, weil die Produkte mehr mit traditioneller Schreinerei denn mit Fabrik zu tun haben», sagt Adrian Röthlisberger.

Material stammt aus der Schweiz und Österreich

Freunde einer gepflegten Möblierung dürften dennoch enttäuscht werden, schwere Eichentische oder elegante Nussbaumtresen werden in den Poststellen keine zu finden sein. Die Möbel sind aus beschichteten Spanplatten geschreinert, aus Recyclingmaterial zwar, aber eben nicht aus «richtigem» Holz. Das Material stammt aus der Schweiz und Österreich.

Was aber tut Röthlisberger, wenn ganz Schüpbach über die neuen Möbel der Dorffiliale die Nase rümpft, weil Geschmäcker halt sehr unterschiedlich sein können? Der lacht und zuckt mit den Schultern: «Designt haben wir die Einrichtung ja nicht, wir dürfen sie einfach schreinern.»

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