Fahrer Fabio S. landet auf dem Sozialamt, weil Uber kein Arbeitgeber sein will
«Jetzt muss ich mit 600 Franken durchkommen»

In der Corona-Krise erhalten Uber-Fahrer weder Kurzarbeitsentschädigung noch Erwerbsersatz. Sie sind die Opfer eines langjährigen Rechtsstreits. Ein Betroffener erzählt.
Publiziert: 30.05.2020 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 30.05.2020 um 20:34 Uhr
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US-Fahrdienstvermittler Uber schreibt wegen der Corona-Pandemie grosse Verluste.
Foto: AFP
Thomas Schlittler

Die Tage von Fabio S.* (24) sind lang: Tagsüber büffelt er für seinen Uni-Abschluss. In der Nacht ist er in Zürich unterwegs – als Uber-Fahrer.

Der junge Mann muss seinen ­Lebensunterhalt selbst verdienen. Ein All-inclusive-Studentenleben – von den Eltern finanziert – ist ihm nicht vergönnt. «Bis vor Corona kam ich mit dem Lohn als Uber-Fahrer einigermassen über die Runden», erzählt er. Seit Ausbruch der Pandemie müsse er aber froh sein, wenn er in acht Stunden auf vier, fünf Fahrten komme. «Damit mache ich kaum 100 Franken pro Tag. Das reicht nicht.»

Taxis mussten zwar nie den Betrieb einstellen. Dennoch wartete der Grossteil der Fahrer während des Lockdowns vergeblich auf Kundschaft. Daran hat sich nach den bisherigen Lockerungen nur wenig geändert.

Der Kanton sieht ihn als Angestellten, Uber nicht

Der Staat reagierte: Für Taxi­fahrer, die bei einem Unternehmen fest angestellt sind, konnte Kurz­arbeitsentschädigung beantragt werden. Für selbständige Fahrer wurde Mitte April die Möglichkeit geschaffen, zwei Monate lang ­Corona-Erwerbsersatz zu beziehen.

Fabio S. nützt das alles nichts: «Uber sieht sich nicht als Arbeit­geber und will deshalb keine Kurzarbeit für mich beantragen. Der Kanton wiederum sieht mich als Angestellten von Uber und ver­weigert deshalb den Erwerbsersatz für Selbständige.»

Uber-Fahrer wie Fabio S. sind ­einem langjährigen Rechtsstreit zum Opfer gefallen. Dabei geht es um die Frage, ob Uber ein Arbeit­geber ist oder eine Vermittlungsplattform.

Uber gebe keine Schichten und Mindeststunden vor

Suva und Sozialversicherungs­anstalt des Kantons Zürich sind ­sicher, dass Uber Arbeitgeber ist – und damit für seine Fahrer Bei­träge für AHV, IV und Erwerbsausfall ­bezahlen muss. Ihre Begründung: Uber bestimme und kontrolliere die wesentlichen Umstände der Fahrten – Preis, Weg, Verhalten, Bewertung. Die Fahrer befänden sich in einem arbeitsorganisa­torischen Abhängigkeitsverhältnis zu Uber.

Dennoch beharrt das Unternehmen darauf, dass die Fahrer selbständige Unternehmer seien. «Den Fahrern, welche die Uber-App nutzen, steht es vollkommen frei, ob, wann und wo sie diese nutzen möchten», argumentiert Sprecherin Luisa Elster. Uber gebe keine Schichten und keine Mindeststunden vor und verlange keinerlei Exklusivität. Letztlich wird das Bundesgericht entscheiden, ob Uber in Zukunft den Pflichten eines ­Arbeitgebers nachkommen muss. Bis dahin darf Uber in der Schweiz wohl weitermachen wie bisher.

Uber-Fahrer, die auch als Taxifahrer arbeiten, haben Anspruch

Roman Künzler, Verantwort­licher Logistik und Transport bei der ­Gewerkschaft Unia, kritisiert das scharf: «Das Vorgehen von Uber untergräbt den Sozialstaat Schweiz. Das dürfen wir auf keinen Fall akzeptieren!»

Der Bund sieht es ähnlich: «Die derzeitige Situation der Uber-Fahrer illustriert eingängig, was es bedeuten kann, für ein Unternehmen erwerbstätig zu sein, das die Arbeitgeberrolle und damit auch die soziale Verantwortung für die Erwerbstätigen nicht übernehmen will», sagt Harald Sohns vom Bundesamt für Sozialversicherungen. Er weist allerdings darauf hin, dass viele Uber-Fahrer gleichzeitig als «normale» Taxifahrer arbeiten und in diesem Rahmen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz oder Kurzarbeitsentschädigung hätten.

Auf Fabio S. trifft das nicht zu. Ihm blieb nichts anderes ­übrig, als Sozialhilfe zu beantragen. «Das Sozialamt bezahlt nun Miete und Krankenkasse. Für Essen, Kleidung, Handy und Sozial­leben muss ich jetzt mit 600 Franken pro Monat durchkommen.»

* Name geändert

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