Es ist kurz nach 7 Uhr morgens am 3. Juli, die meisten der 46 Car-Passagiere auf dem Weg an den italienischen Gardasee schlafen, als die Hölle über sie hereinbricht. Ihr Fahrer passt auf der Autobahn A9 in Bayern einen Moment nicht auf, fährt mit rund 60 km/h auf einen Lastwagen auf. Dieser fährt mit 28 km/h. Die gut 30 km/h Tempo-Unterschied lösen eine Katastrophe aus. Der Car-Tank platzt. Kurzschlüsse und Entladungen in der Batterie entzünden den Diesel. Der Car brennt innert Minuten lichterloh. 18 Passagiere sterben (BLICK berichtete).
Sie fahren auch durch die Schweiz
BLICK-Recherchen zeigen jetzt: Der Aufbau des Cars hat viel damit zu tun, dass es trotz nur 30 km/h Tempo-Unterschied zum Drama kommen konnte. Es ist ein Bus vom holländischen Hersteller VDL, Typ Futura. Auch zahlreiche Schweizer Firmen schwören auf ihn.
Die Firma Zemp Car aus Rain LU fährt zum Beispiel fast nur diesen Car-Typ. Eine Anfrage von BLICK bleibt unbeantwortet. Auch das Unternehmen Twerenbold aus Baden AG setzt auf VDL Futura. «Wir führen seit Jahren Busse dieses Herstellers in unserer Flotte», schreibt eine Twerenbold-Sprecherin. «Alle Busse überzeugen durch hohe Verlässlichkeit im Betrieb.»
Dieses Argument gilt für den deutschen Experten Wolfgang Tschakert (65) nicht. Zwar sei es sicherer, im Car zu reisen als im Auto. «Das liegt daran, dass die Fahrer meistens Vollprofis sind und fast nie Unfälle bauen.» Doch wenn es knallt wie auf der A9, geht es schnell böse aus. «Bei einem Frontalunfall kann es selbst bei geringem Tempo gefährlich werden. Es ist wie immer: Es mussten erst viele Menschen sterben, bis die Branche aufwacht.»
Warum sind die Cars so brandgefährlich? In den meisten Cars sind sowohl Tank als auch Batterie vor der Vorderachse verbaut. Bei einem Frontalunfall sind sie der grössten Wucht ausgesetzt. Und sie können in der Kombination, wie vor einem guten Monat in Bayern, tödlich sein. Der Grund für diese Bauweise: Weil der Motor hinten im Bus sitzt, bauen die Hersteller der Balance zuliebe auch vorne Gewicht ein.
Es geht aber auch anders, sagt Tschakert. Er testet seit Jahrzehnten Cars. Er zeigt BLICK die Fotos, die er dabei gemacht hat. «Hersteller wie Mercedes-Benz oder Setra machen es gut, sie trennen Tank und Batterie.» Konkret verbauen sie die Batterie nicht vor der Vorderachse, sondern weiter hinten. Tschakert: «Alle müssten es so machen.»
Ein Schweizer Bus-Experte, der anonym bleiben will, ergänzt: «VDL ist dafür bekannt, leichte Busse zu bauen. Das ist gut für die Kraftstoff-Effizienz, aber kann sich negativ auf die Sicherheit auswirken, weil der Crash-Schutz nicht so gut ist.» Konkret: Der Druck auf Batterie und Tank wäre beim gleichen Crash bei anderen Cars nicht so stark gewesen. Weder Twerenbold noch VDL äusserten sich gegenüber BLICK zu diesen Vorwürfen.
Müssen Schweizer Car-Passagiere jetzt vor Fahrten in niederländischen VDL-Bussen zittern? Nicht unbedingt, sagt der anonyme Fachmann. «Schweizer Firmen investieren mehr in die Sicherheit als Car-Unternehmen im Ausland. Zum Beispiel lassen sie sich freiwillig Feuerlöscher einbauen, obwohl sie gar nicht dazu verpflichtet sind.»