Experten erklären die Facebook-Krise
Zu viel Werbung! Zu viele Skandale!

Nicht nur die Aktie von Facebook ist in dieser Woche abgestürzt, das grösste soziale Netzwerk der Welt verzeichnete in Europa auch erstmals einen Nutzerschwund. Experten erläutern für BLICK die Gründe.
Publiziert: 27.07.2018 um 18:22 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:24 Uhr
Facebook-Aktie stürzt ab
1:11
Nach schwachen Zahlen:Facebook-Aktie stürzt ab
Nicola Imfeld, San Diego

Wer hoch steigt, kann tief fallen. Dieses Sprichwort hat diese Woche das US-Unternehmen Facebook an der New Yorker Wall Street zu spüren bekommen. Nach enttäuschenden Quartalszahlen und düsterem Ausblick verlor die Facebook-Aktie knapp 20 Prozent ihres Wertes (BLICK berichtete). 

Auch heute Freitag konnte die Aktie die Talfahrt nicht beenden. CEO Mark Zuckerberg verlor in den vergangenen 48 Stunden über 20 Milliarden US Dollar. Hauptverantwortlich für den Aktien-Sturz sind nicht die zugekauften Netzwerke wie Instagram oder Whatsapp, sondern das hauseigene Original Facebook. 

2010 sah man auf Facebook noch Ferienfotos

Das grösste soziale Netzwerk steckt in der Krise. Zwischen 2007 und 2010 registrierten sich Millionen Teenager und Jugendliche, ehe ab 2011 sich auch immer mehr Erwachsene für Facebook zu interessieren begannen. 

Auf Facebook wurden alte Freunde aufgespürt, Ferienfotos geteilt und Geschichten erzählt. Wenn man heute sein Profil besucht, sieht man anstelle von Ferienfotos von Bekannten viel eher Werbevideos von Fremden – von Unternehmen. Diese veränderten Inhalte seien der Hauptgrund für die Krise von Facebook, sagt Stephen Dann, Social-Media-Experte aus Brisbane (Australien).

Von Win-Win zu Lose-Win

Dann unterrichtet an der Australian National University in Canberra. Er hat sich mit dem Werdegang vom sozialen Netzwerk befasst. Er sagt im Gespräch mit BLICK: «Facebook hat auf der Organisationsseite falsche Entscheidungen getroffen.» Es sei verständlich, dass das Unternehmen sich habe monetisieren wollen. «Aber man hätte den Algorithmus nicht so extrem anpassen sollen. Etwas weniger Werbung wäre auf lange Sicht mehr gewesen», sagt Dann. 

Anfangs hätten wir unsere sozialen Daten für die Verbindung mit Freunden und Familien eingetauscht. «Mit der Zeit waren die Bedürfnisse der Nutzer sekundär», erklärt Dann die Wende von den Ferienfotos zu den Werbevideos. 

Schwer wiegen auch die Skandale in der jüngeren Vergangenheit, sagt Dann und spricht damit auch den unzulässigen Verkauf von bis zu 87 Millionen Nutzerdaten an Cambridge Analytica an. «Die Verwendung von Daten und der zuerst taubstumme Umgang mit der Verbreitung von Falschnachrichten hat zu einem enormen Vertrauensverlust geführt.»

Facebook bleibt profitabel – aber nicht mehr so wie früher

Die Krise von Facebook lässt sich nicht nur mit der sinkenden Aktie belegen: Weltweit wächst das soziale Netzwerk nur noch sehr langsam. Und in Europa gab es im zweiten Quartal von 2018 erstmals einen Nutzerschwund! Zusätzlich ging dort die Zahl der täglich aktiven Nutzern zurück. 

Auch Phil Simon, Professor an der Arizona State University, sieht die Hauptgründe für den Fall beim zu heftigen Umschwung auf Werbeinhalte und die vergangenen Skandale. Er sagt aber auch: «Facebook ist immer noch sehr beliebt. Vergessen wir nicht, dass das Benutzerwachstum sich zwar verlangsamt oder in Europa leicht rückläufig ist, aber das soziale Netzwerk insgesamt immer noch wächst.» Dies sei nicht einfach, wenn man mehr als zwei Milliarden Benutzern hat. «Twitter blieb bei etwa 310 Millionen monatlich aktiven Usern stehen – Facebook erreicht knapp 1,5 Milliarden aktive Nutzer, die sich alle 30 Tage anmelden», so Simon weiter. 

Der Buchautor, der bereits 2011 in seiner Publikation vor einem Datenskandal gewarnt hat, stellt dem sozialen Netzwerk wegen seiner 2,35 Milliarden Usern eine gute Prognose. «Facebook muss sich trotz allem nicht fürchten. Sie profitieren von ihrer grossen Community.» So lange die Menschen das Online-Netzwerk nicht in Scharen verlassen, werde Facebook weiterhin profitabel sein. «Wohl einfach nicht mehr so wie früher», schiebt Simon nach.

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