Bei einem Augenschein im Industrieviertel in Zug ist nichts von der digitalen Revolution zu spüren, die hinter den unscheinbaren Fassaden vorangetrieben wird. Dabei ist nur ein Steinwurf vom Bahnhof entfernt innert kürzester Zeit ein ganzes Ökosystem mit über 600 Blockchain-Firmen, spezialisierten Anwaltskanzleien und regelmässigen Konferenzen gewachsen.
Bemerkenswert: Vor wenigen Jahren experimentierte dort lediglich eine Handvoll Start-ups an Anwendungen der neuen Technologie, die unser tägliches Leben massiv vereinfachen soll.
Von 3000 auf 100'000 Jobs in zehn Jahren
Firmen haben zuerst Zug wegen tiefer Steuern und lascher Regulierungen zum Blockchain-Epizentrum gemacht. Heute forscht man auch von Zürich bis in die Westschweiz mit der neuen Technologie. Auf der ganzen Welt ist das Alpenland Schweiz darum als Crypto Valley bekannt geworden.
Über 3000 Arbeitsplätze soll die Blockchain in den vergangenen Jahren gemäss der Blockchain-Organisation Crypto Valley Venture Capital (CVVC) in der Schweiz geschaffen haben. «Das ist aber erst der Anfang», sagt CVVC-Gründer Mathias Ruch zu BLICK. «Wenn sich das Crypto Valley so weiterentwickelt, könnte die Blockchain in der Schweiz im nächsten Jahrzehnt bis zu 100'000 Arbeitsplätze schaffen», erklärt Ruch, der sich für den Standort seit Jahren starkmacht. Davon hätte natürlich auch die gesamte Volkswirtschaft etwas.
Schweizer Firmen wandern ab
Lange Zeit landete rund die Hälfte des Kapitals, das weltweit in Blockchain-Firmen investiert wurde, im Crypto Valley. So flossen bis heute über zwei Milliarden Franken in die Schweiz.
Mittlerweile hat die Region aber Konkurrenz erhalten: Die meisten Blockchain-Investments zieht es seit kurzem auf die Kaimaninseln und die Britischen Jungfraueninseln – zwei Destinationen, die für ihre lockeren Bankgesetze bekannt sind.
Auch andere Länder locken mit progressiven Blockchain-Regulierungen die vielversprechendsten Firmen dieser Branche an. Malta, Liechtenstein und Luxemburg beispielsweise haben zu diesem Zweck spezielle Crypto-Gesetze erlassen. Davon sieht die Schweiz ab (BLICK berichtete).
Im Jahr 2019 laufen auf breiter Front Experimente mit Blockchain an, die unseren Alltag massiv vereinfachen werden. BLICK zeigt in einer Serie, was die Technologie kann, wo sie im täglichen Leben eingesetzt wird – und wieso die Schweiz ganz vorne dabei ist.
Im Jahr 2019 laufen auf breiter Front Experimente mit Blockchain an, die unseren Alltag massiv vereinfachen werden. BLICK zeigt in einer Serie, was die Technologie kann, wo sie im täglichen Leben eingesetzt wird – und wieso die Schweiz ganz vorne dabei ist.
Konkurrenz im Ausland wächst
Tatsächlich: Bitcoin Suisse beispielsweise, eines der ältesten und wichtigsten Blockchain-Unternehmen im Crypto Valley, eröffnete kürzlich eine Niederlassung in Liechtenstein.
Die Konkurrenz für die Schweiz sei in den vergangenen Jahren tatsächlich stark gewachsen, bestätigt Standortförderer Ruch. Ausserdem habe sich die gesamte Branche verändert. «Früher hatten wir jeden Monat rund 500 Anfragen für Investments, Beratung oder Ansiedlungen in Zug. Heute kontaktieren uns vielleicht noch halb so viele Projekte.» Ruch betont: «Die Qualität und die Professionalität dieser Firmen haben aber zugenommen. Das Interesse am Crypto Valley ist nach wie vor sehr gross.»
Crypto-Kurse für Lehrlinge
Was schätzen die Blockchain-Firmen an der Schweiz? Wer nachfragt, erhält immer dieselben Antworten: politische Stabilität, hoher Lebensstandard, eine aktive Community und talentierte Programmierer von der ETH Zürich und der EPFL in Lausanne.
Damit die Schweiz ihre Führungsrolle in der Blockchain-Welt behält, wurde vor einigen Wochen die Swiss Blockchain Federation gegründet. Bei der Initiative handelt es sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, welche sowohl von Bund und Kantonen wie auch von der Privatwirtschaft unterstützt wird.
Kern der Federation ist ein Gremium von Blockchain-Fachleuten, dazu kommt ein mit Politikern dotiertes Board. «So können wir schnell reagieren, falls es neue Entwicklungen gibt, und das dann auch in die Politik und die Verwaltung tragen», erklärt Ruch, der den Expertenrat präsidiert.
Um als Standort attraktiv zu bleiben, benötige die Schweiz nicht nur klare Gesetze und Regulierungen, sondern müsse auch in die Ausbildung investieren. «In technischen Berufen sollte man schon den Lehrlingen beibringen, wie eine Blockchain funktioniert. Die Technologie wird nämlich bald nicht mehr wegzudenken sein aus dem Job-Alltag», ist sich Ruch sicher.