Experte zum Immobilienkauf
«Ich würde zumindest zur Hälfte auf eine Saron-Hypothek setzen»

Der Immobilienmarkt ist zurzeit ein heikles Terrain. Cash hat bei einem Experten nachgefragt. Die wichtigsten Antworten zum Saron, Festhypotheken und Wohneigentum.
Publiziert: 17.07.2024 um 18:47 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2024 um 18:53 Uhr
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Burak Er ist Leiter Research beim Immobilien- und Hypothekendienstleister Avobis.
Foto: ZVG
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Manuel Boeck
Cash

Die Schweizerische Nationalbank entscheidet im September wieder über den Leitzins. Eine potenzielle Anpassung hat Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Burak Er, Leiter Research bei Avobis, schätzt diese im cash-Interview ein. Er gibt Tipps für die Immobilienfinanzierung und macht Prognosen zu den Preisen für Wohneigentum.

cash.ch: Welchen Leitzinsentscheid erwarten Sie von der Schweizerischen Nationalbank SNB im September, nachdem sie 2024 bereits zweimal die Leitzinsen reduziert hat?
Burak Er: Es besteht noch Spielraum für einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte. Wir werden sicherlich die Marke von 1 Prozent bis zum Jahresende erreichen.

Wie kann dieses proaktive Vorgehen erklärt werden?
Der Grund dafür ist, dass der Inflationsdruck abgenommen hat und die Inflation nun im erwünschten Zielbereich der SNB liegt. Bei der letzten Zinsentscheidung hat die SNB den zukünftigen Inflationspfad berücksichtigt: Sie sind zufrieden mit der derzeitigen Inflation von 1 Prozent und haben die Zinsen gesenkt, um die Wirtschaft zu unterstützen.

Bei 1 Prozent Zins ist aber Marschhalt?
Der geschätzte neutrale Zinssatz liegt bei 0 Prozent. Bei einer Inflation von 1 Prozent würde ein Leitzins von 1 Prozent bedeuten, dass die Wirtschaft weder expansiv noch restriktiv ist. Dies ist am Markt weitgehend eingepreist. Jedoch denke ich, dass das Zusammenspiel eines starken Frankens und niedrigen Zinsen im internationalen Umfeld die SNB im nächsten Jahr dazu veranlassen könnte, unter diesen Bereich zu gehen.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Wie reagiert die SNB auf mögliche Inflationsrisiken?
Es ist unwahrscheinlich, dass die SNB mit Zinserhöhungen reagiert. Die SNB behält sich jedoch die Option offen, auf verbleibende Inflationsrisiken mit einer Aufwertung des Frankens zu reagieren. Denn im Gegensatz zur Intervention am Devisenmarkt wirkt der Zinshebel sehr zeitverzögert.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen der SNB?
Das Vorgehen der SNB ist angemessen. In der Schweiz hat sich die Güterinflation im Gegensatz zum Ausland nicht allzu stark auf die Dienstleistungssegmente ausgeweitet. Letzteres führt vielfach zu einer Lohninflation, die sehr lange anhalten kann und schwer zu bekämpfen ist. Mit genau diesem Problem kämpft auch die EZB. In der Schweiz hingegen könnten die Güter bald in eine deflationäre Phase mit sinkenden Preisen eintreten. Sobald auch die Dienstleistungspreise in eine disinflationäre Phase mit geringeren Preissteigerungen übergehen, könnte dies in den kommenden Jahren zu einer Gesamtinflation führen, die nahe null oder sogar darunter liegt. 

Was bedeutet dieser geldpolitische Ausblick für die Hypothekenzinsen?
Beim Saron wird eine weitere Reduzierung um 25 Basispunkte stattfinden. Festhypotheken sollten davon nicht stark betroffen sein. Kurz- bis mittelfristig dürften sie auf einem ähnlichen Niveau bleiben. Langfristig besteht jedoch noch Potenzial für eine Abwärtsbewegung um etwa 25 Basispunkte. Die Entwicklung dort bleibt allerdings volatil, da langfristige Zinsen eher von langfristigen Faktoren wie Wachstums- und Inflationserwartungen beeinflusst werden. 

Mit welchen Zinskosten muss man bei einer zehnjährigen Festhypothek rechnen?
Ein Swapsatz zwischen 0,5 und 1 Prozent am langen Ende wird bestehen bleiben. Wenn man dann noch eine Marge von 1 Prozent hinzufügt, könnten zehnjährige Festhypotheken zwischen 1,5 und 2 Prozent kosten.

Sind zehnjährige Festhypotheken derzeit empfehlenswert?
Ja.

Und wie sehen Sie eine Finanzierung über den Saron?
Definitiv eine Option, wenn man über ein bestimmtes Budget verfügt und eine gewisse Volatilität akzeptieren kann. Allerdings kann immer etwas passieren, das wieder zu einem Anstieg der Inflation und letztlich zu einer Anpassung des Leitzinses nach oben führt.

Was würden Sie empfehlen?
Ich würde zumindest zur Hälfte auf den Saron setzen. Bei Festhypotheken verbergen die Banken ihre Margen. Sie nehmen nicht einfach die Marktzinsen und fügen überall die gleichen Zuschläge hinzu. Man muss immer berechnen, wie viele Zinsschritte bereits in der Festhypothek eingepreist sind, die man abschliessen möchte, und prüfen, ob dies plausibel ist. So kann man sie mit einer Saron-Hypothek vergleichen und entscheiden, unter welchen Zinsszenarien welche Option günstiger ist. Wenn die Festhypothek, die man heute für die nächsten zehn Jahre abschliesst, einen durchschnittlichen Leitzins von über einem Prozent für die nächsten zehn Jahre einpreist, würde ich das nicht akzeptieren.

Wenn jemand derzeit seine Hypothek neu abschliessen oder refinanzieren möchte, worauf sollte er in der aktuellen Lage achten?
Es ist wichtig, langfristig zu denken und zu planen, Angebote zu vergleichen und die Hypothekenlaufzeiten zu staffeln, um das Refinanzierungsrisiko zu minimieren.

Welche Kombinationen von Hypothekenstaffelung würden Sie empfehlen?
Im aktuellen Umfeld wäre es sinnvoll, neben einer Saron-Hypothek beispielsweise auch eine fünfjährige und eine zehnjährige Festhypothek zu haben. Natürlich sollten die Laufzeiten auch an die individuelle Lebensplanung angepasst sein.

Was gibt es sonst noch auf dem Hypothekarmarkt zu beobachten? Mit der Integration der CS in die UBS scheint es eine veränderte Dynamik zu geben.
Im Bereich des Wohneigentums gibt es keine starke Veränderung, aber bei Renditeimmobilien und gewerblichen Immobilien kann es zu Problemen und weniger respektive restriktiveren Hypothekarangeboten kommen. Die UBS reduziert ihre Hypothekenbestände und erschwert dadurch die Refinanzierung von Krediten. Es kann sein, dass man nicht mehr die gleiche Belehnung oder die gleichen Zinskonditionen erreichen kann wie zuvor. Auch andere Banken zeigen sich hier etwas zurückhaltender. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie zum Beispiel das Ausschöpfen des Exposures für dieses Jahr oder das Risiko wird als zu hoch eingeschätzt. Dies gilt insbesondere für kommerzielle Immobilien wie Bürogebäude.

Wie sieht die Situation im Bereich Wohneigentum aus?
Die Banken möchten im Hypothekargeschäft ihre Marktanteile erhalten und im besten Fall ausbauen. Entsprechend sind sie auch oftmals bereit, sich nicht streng an ihre Kreditvergaberichtlinien zu halten und sogenannte «Exception to Policy» Kredite herauszugeben. Dies bedeutet, dass bei der Vergabe mindestens eine Richtlinie, sei es die Belehnung, die Tragbarkeit oder die Amortisation, nicht eingehalten wird. Dieses Verhalten wird immer wieder von der Finma adressiert, und die Ausnahmefälle dürften in letzter Zeit zugenommen haben.

Wo liegen die Probleme?
Tragbarkeit und Belehnung sind betroffen, da sie eng miteinander verknüpft sind. Wenn die Preise zu schnell steigen, erhöht sich in den meisten Fällen auch die Belehnung, da in der Zwischenzeit nicht mehr Eigenmittel angespart werden konnte. Das ist das eigentliche Problem. Mit höheren Preisen steigt kalkulatorische Liegenschaftsaufwand und aufgrund des höheren Kredits steigen auch die berechneten Zinskosten und belasten die Tragbarkeit und den möglichen Amortisationsplan. Insgesamt resultiert daraus eine schlechtere Tragbarkeit.

Was wird in Bezug auf Wohneigentum und Hypothekarzinsen oft missverstanden?
Viele versuchen, den Verkauf des Hauses selbst zu erledigen. Meiner Meinung nach sollte man das lieber einem Fachmann überlassen. Ein Makler verkauft Ihnen das Wohneigentum effizienter und zu einem höheren Preis, da er die richtigen Anreize setzt. Was Hypothekarzinsen betrifft, glauben viele Leute fälschlicherweise, dass sie automatisch mit den Zinssätzen der SNB ändern. Das ist jedoch nicht der Fall. Langfristige Zinsen werden einerseits durch Zukunftserwartungen hinsichtlich des Wachstums und der Inflation beeinflusst, andererseits spielen das Wording und die Prognose beim Leitzinsentscheid eine grosse Rolle. Und viele Leute betrachten Wohneigentum als Investition, obwohl es eigentlich ein Konsumgut ist. Die Zinsen beeinflussen die Kaufbereitschaft: Je höher die Zinsen, desto höher die Kosten. Der Zinshebel funktioniert eher bei Rendite-Liegenschaften.

Dass trotz Wohnungsmangel zu wenig gebaut wird, sorgt vielfach auch für Unverständnis.
Die Bauzyklen sind langsam. Die Nachfrage ist kurzfristig und schwankend, während das Angebot träge und langfristig ist. Wir kommen aus einer Phase mit wenig Bauaktivität, da vor der Corona-Pandemie die Bauaktivität aufgrund hoher Leerstände bereits abgenommen hat. Jetzt befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der Anreize und Planungssicherheit im Zusammenhang mit Inflation und Zinsen bestehen. Regulatorische Hürden spielen immer noch eine grössere Rolle. Wenn man bauen möchte, muss man professioneller sein. Dennoch wird die Bauaktivität in den nächsten zwei bis drei Jahren voraussichtlich wieder zunehmen und der Nachfrageüberhang sollte etwas abnehmen.

Wie gross ist der Nachfrageüberhang oder der Wohnungsmangel?
Die Leerstandsquote liegt bei 1,15 Prozent, was über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Das bedeutet, dass die Quote noch weiter sinken müsste, um von einem grossen Wohnungsmangel zu sprechen. Allerdings gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Bevölkerungswachstum, dem Haushaltswachstum und der Anzahl der neuen Wohnungen auf dem Markt. 

Die Preise für Wohneigentum steigen wieder. Wie haben sich Angebot und Nachfrage auf dem Wohnimmobilienmarkt in den letzten Monaten angesichts sinkender Zinsen entwickelt?
In den letzten sechs Monaten sind viele Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen auf den Markt gekommen. Trotz der hohen Zuwanderung gibt es jedoch eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Zum Teil liegt das auch an restriktiver Kreditvergabe, da nicht jeder Preis akzeptiert werden kann.

Was bedeutet das für die Preise?
Einige Eigentümer möchten gerne verkaufen und ihren Kapitalgewinn realisieren. Möglicherweise ziehen sie in eine kleinere Wohnung oder mieten eine Wohnung. Die Frage ist jedoch, wie dringend der Verkauf ist und wie bereit die Verkäufer sind, mit den Preisen herunterzugehen.

Die Einwanderung bleibt stark, der Boden ist begrenzt. Die Preisentwicklung ist vorbestimmt...
Ja, die Preise werden weiter steigen. Es gibt keine soliden Argumente, um zu sagen, dass die Preise einbrechen werden. Es ist möglich, jetzt Kapitalgewinne zu erzielen, aber das ist ein kurzfristiges Denken. Wenn man nicht unbedingt verkaufen muss, macht ein solcher Schritt wenig Sinn.

Was ist derzeit teurer: Mieten oder Kaufen?
Seit dem Zinsanstieg ist der Kauf von Wohneigentum tendenziell teurer als das Mieten geworden. Steigende Immobilienpreise und vor allem höhere Zinskosten haben dazu geführt, dass Mieten seit langer Zeit wieder die günstigere Option ist. Durch die beiden Erhöhungen des hypothekarischen Referenzzinssatzes, den allgemeinen Trend bei den Angebotsmieten sowie den Rückgang der Hypothekarzinsen hat sich dieser Aufpreis jedoch wieder verringert. Vorerst dürfte das Mieten weiterhin die günstigere Variante bleiben.

Viele empfinden dies wohl anders. Wie lange sind steigende Mietkosten für die Haushaltsbudgets noch tragbar?
Ich glaube, die Schmerzgrenze ist für viele erreicht. Laut Wüest Partner würden bei 28 Prozent der Haushalte die Kosten den finanziellen Rahmen sprengen, wenn sie jetzt in eine ähnliche Mietwohnung umziehen möchten. Mehr als ein Drittel des Einkommens müsste für die Miete aufgewendet werden.

Darum ziehen Mietende ja kaum um.
Ja, genau. Es tritt der Lock-In-Effekt ein. Zusätzlich gibt es weniger Angebote auf dem Markt, was bedeutet, dass die Transaktions- und Suchkosten höher sind und die Umzugsaktivität entsprechend abnimmt. Wenn man jetzt umziehen möchte, sind die Kosten viel höher als vor ein paar Jahren. Dadurch wird der Wohnraum ineffizient genutzt. Beispielsweise bleiben ältere Menschen in zu grossen Wohnungen mit vielen Zimmern wohnen, obwohl die Kinder bereits ausgezogen sind. Gleichzeitig ist es für junge Familien, die Nachwuchs erwarten, oft finanziell nicht realisierbar, in eine grössere Wohnung umzuziehen, weshalb sie in ihrer suboptimal kleinen Wohnung bleiben müssen.

ESG wird auch bei der Bewertung von Wohneigentum immer wichtiger. Wie hoch kann der Preisminderung für eine Öl- oder Gasheizung sein?
Im Moment führt dies bei Eigenheimen noch nicht zu einer Preisminderung, andere Präferenzen haben Vorrang. Aber tendenziell geht die Regulatorik in eine Richtung, die beispielsweise im Kanton Zürich bereits umgesetzt wird. Mit dem Energiegesetz wird der Ersatz von Öl- und Gasheizungen praktisch verboten bzw. müssen diese durch klimafreundliche Heizungen ersetzt werden. Wenn man eine Immobilie kaufen möchte und diese immer noch mit Öl oder Gas beheizt ist, sollte man wirklich evaluieren, was es kostet, dies zu ersetzen. Ist es möglich, es zu ersetzen? In welchem Zeitraum muss es ersetzt werden? Diese Überlegungen sollten in die Kaufentscheidung einfliessen. Es ist finanziell lohnenswert. Das Thema ist jedoch noch nicht flächendeckend im Bewusstsein der Menschen angekommen.

Sind die Leute vielleicht auch noch zu wenig informiert?
Grundsätzlich ist es wichtig, Barrieren und Informationsasymmetrien bei den Eigentümern so gut es geht abzubauen. Einerseits muss das Bewusstsein für dieses Thema weiter gefördert werden, andererseits sollte die Entscheidungsfindung, die Umsetzung und die Finanzierung so unkompliziert wie möglich gestaltet werden. Die dafür notwendige Infrastruktur ist bereits ziemlich gut entwickelt. Sanierungen können mittlerweile so strukturiert werden, dass sie durch Fördergelder und eine speziell für diesen Zweck bewilligte Erhöhung der Hypothek mit nur geringem Einsatz zusätzlicher Eigenmittel realisiert werden können. Die dabei entstehenden Zinskosten können durch die Einsparungen getragen werden. Zudem erfährt die Liegenschaft durch die Sanierung eine Aufwertung.

Burak Er, CFA und Absolvent der Universität Zürich, ist seit 2022 Leiter Research bei der Avobis Group, wo er sich auf die Analyse von Immobilien und geldpolitischen Themen spezialisiert hat. 

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