Ex-Swissair-Hostess Greta Gantenbein über das Grounding vor 15 Jahren
Eine offene Wunde, die einfach nicht verheilen will

Als Flight Attendant der Swissair hat Greta Gantenbein die goldenen 1970er- und 80er-Jahre erlebt und auch das Grounding. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben über ein «Leben mit und ohne Swissair».
Publiziert: 02.10.2016 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:04 Uhr
René Lüchinger

Irgendwann im Januar 2015 fängt Greta Gantenbein an zu schreiben. Über sich und ihr Leben mit und ohne Swissair. Warum, weiss sie selber nicht genau. Weil sie Freude hat am Schreiben, etwas einsam ist seit der Pensionierung oder weil ihre Kinder das, was sie in drei Jahrzehnten in der Luft erlebt hat, vielleicht interessiert.

Wie auch immer: Greta Gantenbein schreibt sich in burschikos-ungekünstelter Sprache 200 Seiten von der Seele. Dass ihr Opus je gedruckt würde, kommt ihr nicht in den Sinn.

Bis sie an einem verregneten Sonntag beim Googeln auf den Schweizer Kleinverlag Wörterseh stösst. Ein Glücksfall: Seine Gründerin war einst Berufskollegin bei der Swissair. Das offizielle Foto von der Diplomfeier tat wohl auch seine Wirkung: zwei Dutzend frisch diplomierte Air-Hostessen, wie sie Ende der 1960er-Jahre noch heissen, feinsäuberlich aufgereiht vor einer Metropolitan-Maschine der Swissair.

Die zweite von links ist Greta Gantenbein. Eine inszenierte Aufnahme,die bei jeder Ehemaligen Nostalgie auslöst – seit dem Grounding der Fluglinie vor 15 Jahren sowieso. So läuft ihr Erstlingswerk über die Druckmaschinen und liegt zum Todestag der Swissair in den Buchläden.

Greta Gantenbein ist eine quirlige Frau. Sie übersetzt ihre Energie in gesprochene Worte, die um die Swissair kreisen. In ihrer Wohnung im Aargauischen ist die Swissair nicht totzukriegen. Die Tassen sind original Swissair, ebenso wie die Trolleys, die sie ein Berufsleben lang durch die Kabine geschoben hat.

Damit wird auch der tiefere Grund für ihr Schreiben spürbar: gedruckte Worte als Trauerarbeit an einem grossen Verlust. Das Grounding erscheint im Buch als offene Wunde, die einfach nicht verheilen will.

«Am 2. Oktober 2001 waren mein Mann und ich auf dem Heimweg vom Tessin, als der Nachrichtensprecher kurz vor dem Gotthardtunnel verkündete: die Swissair ist am Boden. Grounding!», schreibt sie. «Ich schnappte nach Luft, mein Puls schoss nach oben. Die Swissair, das Markenzeichen unseres Landes, erbärmlich am Boden, vor den Augen der Welt.» Für die Autorin, die ihr Herz auf der Zunge trägt, gibt es kein Halten mehr. Sie schreibt über Ospel und seine Bank, über den letzten Swissair-Chef Mario Corti, an dessen «Rockzipfel wie Ertrinkende» plötzlich das ganze Swissair-Personal hing, und über die deutsche Lufthansa, an die «unser einstiges Flaggschiff verscherbelt» worden sei.

Die Swissair und die UBS: Die eine ging unter, die andere erhielt Milliarden vom Staat. So etwas will Greta Gantenbein einfach nicht in den Kopf: «Als Laie fragt man sich, wieso eine Schweizer Bank, von denen es so zahlreiche gibt, so viel mehr wert war, gerettet zu werden, als unsere einzige nationale Fluggesellschaft.»

Wahrscheinlich hat sie beim Tippen dieser Worte die Tastatur ihres Computers malträtiert, als habe sie dabei an die Schweizer Grossbank gedacht. «Bei uns», heisst es im Text, «ging es doch auch um Zehntausende Arbeitsplätze!» Andere werden altersmilde. Ex-Flight-Attendant Gantenbein hat, wenn es um das Ende der Swissair geht, keine Nachsicht.

Versöhnung wird erst spürbar, als sie über länger zurückliegende Zeiten erzählt, in denen es zum Beispiel 50 Jahre nach dem ersten Nordatlantikflug darum geht, das historische Ereignis mit einer Originalmaschine und in Originaluniformen noch einmal zu durchfliegen. Eine der letzten flugtauglichen DC-4-Maschinen wird in Südafrika aufgetrieben und in Swissair-Farben lackiert. «Die DC-4-Mission brachte der Swissair viel Respekt und Aufmerksamkeit», notiert Greta Gantenbein mit leiser Bitterkeit, «leider hat sie das auch nicht vor dem Untergang gerettet.»

Als das Undenkbare geschehen ist, kommt das fliegende Personal im Zürcher Kaufleuten zu einer Abdankung für die Swissair zusammen. Dabei zeigen die Trauernden eine Modeschau mit Uniformen der Swissair.

Eine rothaarige Hostess mit grünen Augen tritt in der zeitlos eleganten Uniform von Nelly Diener auf, die in den 30er-Jahren die erste Swissair-Flugbegleiterin überhaupt war.

Es ist Greta Gantenbein.

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