Ex-Lehman-Banker Rudolf Wötzel (50) erinnert sich an seine grosse Krise
«Diese Maschinerie frisst einen auf»

Der Tod von Carsten Schloter erinnert Rudolf Wötzel, der bei einigen grossen Banken arbeitete, an seine Karriere. Heute ist der Deutsche Wirt und berät Manager in Existenzkrisen.
Publiziert: 26.07.2013 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:42 Uhr
Rudolf Wötzel: «Leidensdruck genügt nicht, damit einer aussteigt.»
Foto: Integral Verlag
Von Guido Schätti

Als Banker spielte Rudolf Wötzel (50) in der obersten Liga. Bei der UBS, der Deutschen Bank und bei Lehman Bro­thers war er für Fusionen und Übernahmen zuständig. Sein Meisterstück war der Verkauf der Swiss an die Lufthansa.

Wötzel verdiente grossartig – und fühlte sich grottenschlecht. «Zuletzt hatte ich Depressionen, eine Sinnkrise  und fühlte mich permanent unwohl in meinem Körper.»

Ein Jahr vor Ausbruch der Finanzkrise zog er die Reissleine. Der Deutsche schmiss den Job, schnürte die Wanderschuhe und marschierte den Alpenbogen von Salzburg bis Nizza ab.

Dann schrieb er ein Buch darüber und kaufte sich eine Beiz, das «Gemsli» in Klosters GR. Heute ist er Wirt und Coach. Seine Kunden sind Menschen wie er selbst einer war: Manager in Existenzkrisen.

Der Tod von Carsten Schloter erinnert Wötzel an seine eigene Geschichte. «Gegen aussen war bei ihm alles grossartig. Er hatte einen hervorragenden Ruf, war sehr engagiert und hatte eine positive Ausstrahlung. Sein Tod hat mich sehr betroffen gemacht.»

Kürzertreten – leichter gesagt als getan

Schloter hatte alles: Geld, Erfahrung, Kontakte. Locker hätte er etwas kürzertreten, den CEO-Job abgeben und Berater werden können. Warum tat er es nicht?

Bei Menschen wie dem Swisscom-Chef und dem früheren Wötzel muss es immer aufwärtsgehen. «Das Selbstwertgefühl ist vollständig durch die eigene Leistung und das Urteil der Vorgesetzten bestimmt. Diese Maschinerie frisst einen auf. Man wird zum Leistungs-Junkie», sagt Wötzel.

Die Probleme kommen dann, wenn man den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt. «Irgendwann nach 40 hat man den Zenit überschritten. Man kann das eine Zeit lang verbergen, aber nicht auf Dauer. Wenn dann noch eine private Krise dazukommt, bricht alles zusammen.»

Mit dem Selbstmord wählte Schloter den radikalen Weg. Andere resignieren. «Leidensdruck genügt nicht, damit einer aussteigt. Manche haben eine enorme Leidensfähigkeit.»

«Ein kleines Pflänzchen pflanzen»

Den Totalabsturz kann verhindern, wer sich frühzeitig eingesteht, dass der Atem irgendwann sowieso nicht mehr reichen wird, um noch höher zu steigen. «Man muss sich neben dem Job etwas aufbauen», sagt Wötzel. «Ein kleines Pflänzchen pflanzen und grossziehen.»

Er hat es mit dem Gemsli geschafft. «Aber viele Manager wissen nicht, was sie eigentlich tun möchten, wenn sie die Zeit hätten. Sie sind innerlich verarmt.»

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