BLICK: Die Credit Suisse hat die Finanzkrise ohne Staatshilfe überstanden. Den Vorsprung von damals hat sie aber verspielt. Jedes Jahr vor der Generalversammlung im Frühling kocht die Krise hoch. Was lief falsch?
Hans Geiger: Die CS blieb viel zu lange im Investmentbanking. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Entscheidend ist, dass die CS nicht geführt wird. Ich vermisse die Hand eines Bankers an der Spitze. Die Probleme sind seit Jahren bekannt, aber man lässt die Sache einfach schleifen.
Wen sprechen Sie an – den CEO oder den Verwaltungsrat?
Den Verwaltungsrat. Er ist gewählt von den Aktionären und muss für alles geradestehen. Das Problem besteht seit langem, nicht erst seit Rohner. Seit dem Rücktritt von Rainer E. Gut wird die CS schlecht geführt. Den Einzigen, den ich von der Kritik ausnehme, ist Hans-Ulrich Doerig. Wenn er in den letzten zehn Jahren Präsident gewesen wäre, stünde die CS heute viel besser da. Aber leider war er nur kurz Präsident.
Was werfen Sie Urs Rohner konkret vor?
Ich bin selber Kunde der CS. Sie ist eine sehr gute Bank, ich bin sehr zufrieden. Aber die Spitze leistet sich unglaubliche Flops. Nehmen Sie nur den Eiertanz um die Boni. Zuerst sagte man, das Management um CEO Thiam habe gut gearbeitet und einen Bonus verdient. Dann kam Druck von den Aktionären und Rohner krebste zurück. Er behauptet öffentlich, der CEO habe freiwillig auf seinen Bonus verzichtet, er selber sei überrascht worden vom Verzicht. Das ist kompletter Mist. So etwas glaubt doch kein Mensch.
Ist Rohner noch der richtige Mann?
Nein, er würde der Bank einen Dienst erweisen, wenn er sich zurückzöge. Je schneller er geht, desto besser. Er hat seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Die CS will einen Teil des Schweizer Geschäfts an die Börse bringen, um ihr Eigenkapital aufzubessern. Was halten Sie davon?
Das wäre grossartig, aber nur wenn das Schweizer Geschäft zu 100 Prozent abgespalten würde. Dann hätten wir die alte Schweizerische Kreditanstalt zurück und daneben die First Boston mit dem Investmentbanking.
Und der Teilbörsengang?
Ich halte ihn für eine Schnapsidee. Die Probleme, die man sich aufhalst, sind viel grösser als der Nutzen. Die zwei Milliarden Franken an zusätzlichem Kapital, die man dadurch einnimmt, reichen nirgends hin. Aber die Bank verstrickt sich in einen Interessenkonflikt mit ihren eigenen Aktionären.
Wäre eine Kapitalerhöhung besser?
Es führt nichts darum herum. Die CS hat seit Jahren zu wenig Eigenkapital. Heute steht sie bei rund drei Prozent, was viel zu wenig ist. Ich verstehe nicht, warum man sich gegen mehr Kapital wehrt. Das internationale Finanzsystem ist fragil. Sicherheit wäre ein grossartiges Argument. Doch die Banker wollen lieber die Eigenkapitalrendite und ihren Bonus maximieren. Das gilt nicht nur für die CS.
Für die Aktionäre sind die Banken kein gutes Investment. Die Kurse sind viel tiefer als vor der Finanzkrise, die Dividenden sind gering. Sind die hohen Löhne gerechtfertigt?
Nein, sie sind komplett überrissen. Wenn ein Unternehmer zehn Millionen Franken verdient, stört mich das nicht. Wenn seine Firma scheitert, geht er auch unter. Aber man zahlt doch nicht einem Angestellten, der kein eigenes Risiko hat, zehn Millionen.
CS-CEO Tidjane Thiam ist in der Schweiz kaum präsent. Was halten Sie von ihm?
Er war bei einer Versicherung erfolgreich. Das ist etwas komplett anderes als eine Bank. Über ihn würde ich aber nicht den Stab brechen. Er ist seit knapp zwei Jahren im Amt. Man muss ihm Zeit geben. Ich kann mir vorstellen, dass er mit seiner Strategie Erfolg hat.
Wo sehen Sie positive Ansätze?
Vor einem Jahr fuhr er das Geschäft mit den festverzinslichen Anlagen radikal zurück. Das verdient Respekt. Er macht Dinge, die nicht populär sind.
Die Idee des Börsengangs des Schweizer Geschäfts stammt aber von ihm.
Wenn das so ist, dann war es keine gute Idee. Der Verwaltungsrat hätte ihn zurückpfeifen sollen. Ich nehme an, dass der Börsengang ohnehin abgeblasen wird.
Der Zürcher Ökonom Hans Geiger arbeitete 27 Jahre für die Credit Suisse, zuletzt als Chef Logistik. Danach war er Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen an der Universität Zürich. Geiger ist SVP-Mitglied. 2007 kandidierte er ohne Erfolg für den Ständerat.
Der Zürcher Ökonom Hans Geiger arbeitete 27 Jahre für die Credit Suisse, zuletzt als Chef Logistik. Danach war er Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen an der Universität Zürich. Geiger ist SVP-Mitglied. 2007 kandidierte er ohne Erfolg für den Ständerat.