Fast als stecke die Nase in der Kaffeetasse, so intensiv riechts vor der Gourmetrösterei Rast in Ebikon LU. Wer die Tür im ersten Stock des Industriegebäudes öffnet, steht direkt vor dem Herzstück: der Röstmaschine. Öffnet sich der Schlund der Rösttrommel, rauschen die gerösteten Bohnen heraus.
Rund um die Maschine lagern Jutesäcke aus Brasilien, Mexiko oder Indien. In offenen Kübeln steht die nächste Ladung Rohkaffee bereit. Evelyne Rast (38) bietet eine Handvoll zum Riechen. «Ein bisschen wie grüne Wiese», sagt Schwester Beatrice Rast (35) und verzieht die Nase. Leicht muffig fast, urteilt der Laie. Die typischen Aromen entwickeln sich erst beim Röstprozess.
Zusammen führen die Schwestern seit zwei Jahren das Familienunternehmen. Als Frauen in Chefpositionen sind sie Exotinnen. Bei Grossfirmen beträgt der Frauenanteil 2018 laut Schilling-Report ganz oben nur sieben Prozent. Rast ist mit 20 Mitarbeitern – viele in Teilzeit – kein Grossunternehmen, dafür eines mit Tradition und bekannten Namen auf der Kundenliste.
Selbst sehen sich die beiden nicht als Exotinnen. «In unserem Umfeld gibt es viele Frauen in Führungspositionen», erklärt Beatrice Rast. «Die Familie und das Unternehmen unter einen Hut zu bringen, war für uns nie ein grosses Thema.»
Die Schwestern Rast sind die vierte Generation. Zusammen mit Ehemann Adrian Gisler (40), Produktionschef und Geschäftsleitungsmitglied, hat Beatrice die Zwillinge Moritz und Elias (3). Beide arbeiten 80 Prozent. Bei der Kinderbetreuung setzen sie zudem auf eine Nanny und die Schwiegereltern.
Fast wie eine Hochzeit
Zu Evelyne Rasts Aufgabe gehören die Kundenpflege und die Wartung von Kaffeemaschinen. «Als Frau, die Männern Technik erklärt, wurde ich am Anfang schräg angeschaut.» Rückblickend seien das lustige Erlebnisse.
An der Röstmaschine überwacht Schwager Manuel Gisler (36) die Bohnen. Montag bis Freitag wird geröstet. «Mehr Rasts gibt es nicht», sagt Beatrice Rast lachend. Die Übernahme vor zwei Jahren sei ein Bruch gewesen, operativ habe sich ihr Vater komplett zurückgezogen.
Die Übergabe war von langer Hand vorbereitet. Viele Firmen tun sich da schwerer und warten zu lange, wie eine aktuelle UBS-Umfrage zeigt. Trotz der guten Vorbereitung war der Tag im Juni 2016 emotional. «Ich bin nicht verheiratet, aber an diesem Tag hatte ich das Gefühl, meine Schwester zu heiraten», erzählt Evelyne Rast.
Für beide war klar, nur zusammen packen sie die Übernahme. Die ältere Schwester arbeitet schon seit 2001 bei Rast. Beatrice hat Soziologie studiert. Beide haben sich dann an der HSG in St. Gallen in Unternehmensführung weitergebildet. Und in Kursen alles über Kaffee gelernt.
Kaffeebohnen vom Amazonas-Häuptling
Wie läuft das Geschäft? Beatrice und Evelyne Rast schauen sich an und lachen: «Gut, aber es ist streng!» Gut läuft es auch dank Grosskunden wie Emmi und McDonald’s. Wer Caffè Latte Espresso trinkt, bekommt Rast-Kaffee. «Für uns ist nicht entscheidend, ob unser Kaffee im Take-away oder im Fünfsternehotel getrunken wird. Entscheidend ist, wie perfekt sie den Kaffee zubereiten.» Alle erhalten die gleich gute Qualität.
Beatrice Rast kümmert sich im Einkauf darum. Sie weiss, woher die Bohnen kommen und wer sie erntet. Für ihren Kaffee reisen die Schwestern bis in die Anbaugebiete. Manchmal kommt auch Besuch. «Sogar ein prominenter Indianerhäuptling aus dem Amazonas war schon bei uns», erinnert sich Evelyne Rast und schmunzelt. Stolz erklärt Einkäuferin Beatrice, dass sie nun seine Bohnen verarbeiten. Serviert wird der Kaffee auf dem Vierwaldstättersee.
Die Gourmetrösterei geschäftet in einer Nische. «Gegen Billigstanbieter haben wir keine Chance», weiss Evelyne und ihre Schwester nickt. Doch die Nische ist zunehmend umkämpft, dafür sorgen neue trendige Kleinröstereien. Der Konkurrenz gewinnen die beiden Positives ab. «Wenn Schweizer mehr über Kaffee lernen, hilft das auch unserer Firma.» So kann auch die fünfte Generation dereinst ins Kaffeegeschäft einsteigen. Heute spielt sie noch im Sandkasten.