So dreist zockt uns Zalando ab!
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Euro-Kurs von 1.67 Franken:So dreist zockt uns Zalando ab!

Euro-Umrechnungskurs von 1.67 Franken!
So dreist zockt uns Zalando ab!

Schweizer Konsumenten werden von internationalen Modekonzernen gnadenlos geschröpft. Eine Volksinitiative will das nun ändern – doch es gibt Widerstand.
Publiziert: 29.02.2020 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2020 um 14:12 Uhr
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Ein «zeitlos eleganter Anzug mit stilvoller Weste und klassischer Bügelfalte» kostet die deutschen C&A-Kunden 79.90 Euro. Das entspricht gemäss aktuellem Euro-Umrechnungskurs (1.06) rund 85 Franken.
Foto: ZVG
Thomas Schlittler

In Deutschland heisst es «Reißverschluss», hier schreibt man «Reissverschluss». Im Schweizer Onlineshop nimmt der Modekonzern C&A auf solche Feinheiten keine Rücksicht. Hiesigen Kunden wird der neueste Look exakt gleich präsentiert wie Konsumenten in Deutschland.

Nur ein winziges Detail wird immer angepasst: der Preis.

Ein «zeitlos eleganter Anzug mit stilvoller Weste und klassischer Bügelfalte» kostet die deutschen C&A-Kunden 79.90 Euro. Das entspricht gemäss aktuellem Euro-Umrechnungskurs (1.06) rund 85 Franken. Doch C&A verlangt im Schweizer Onlineshop 129.90 Franken – ein Aufpreis von über 50 Prozent!

Von anderen Anbietern werden die Schweizer Konsumenten nicht minder gnadenlos geschröpft. Der neue Strickrock von Esprit kostet 99.90 Franken statt 59.99 Euro. S.Oliver verlangt für grüne Damen-Jeans statt 49.99 Euro 79.90 Franken. Und ein blaues Männerhemd kostet Schweizer Zalando-Kunden 149 Franken, in Deutschland bekommt man es für 110 Euro.

Automatische Umleitung

Um sicherzustellen, dass der Schweiz-Zuschlag auch tatsächlich bezahlt wird, setzen die Anbieter auf das sogenannte Geoblocking. Damit werden Kunden aus der Schweiz erkannt und automatisch auf den Onlineshop mit den höheren Preisen umgeleitet.

Die Fair-Preis-Initiative will diese nun verbieten. Im März kommt sie in den Nationalrat, der Bundesrat hält allerdings wenig davon. Zwar würden Konsumenten von einem Verbot des privaten Geoblockings «allenfalls profitieren», schreibt er in seiner Botschaft zur Initiative. Dessen Durchsetzung im Ausland sei allerdings «fraglich».

Weiter befürchtet die Landesregierung eine «starke Einschränkung der Handlungsfreiheit von Unternehmen im Sinne der freien Preisgestaltung». In ihrem indirekten Gegenvorschlag hat sie das Verbot des Geoblockings daher gestrichen.

Prisca Birrer-Heimo (61), Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und Mitglied des Initiativkomitees, findet das nicht akzeptabel: «Der Gegenvorschlag des Bundesrats genügt klar nicht!» Es liege nun am Nationalrat, endlich etwas gegen die Hochpreisinsel Schweiz zu tun und einen griffigen Gegenvorschlag zu verabschieden.

Geoblocking-Verbot in der EU

Zur Machbarkeit des Geoblocking-Verbots verweist Birrer-Heimo auf die EU. Dort gilt seit etwas mehr als einem Jahr eine Verordnung «gegen ungerechtfertigtes Geoblocking im Binnenmarkt». Das wirke: «Die EU macht ein Monitoring und nennt Verstösse. Ein vorbildliches Vorgehen für Konsumentinnen und Konsumenten!»

Dass der Schweiz-Zuschlag nicht gottgegeben ist, zeigt der Elektronikmarkt. Dort gibt es ihn nicht. Wie kommt das? Dazu Birrer-Heimo: «Bei den Elektronikprodukten spielte seit jeher der Onlinehandel eine grosse Rolle und hat damit indirekt erwirkt, dass sich kaum Preisunterschiede etablieren konnten.» Bei anderen Produkten habe der stationäre Handel lange davon profitieren können, dass Preisvergleiche schwierig ­waren.

Hinzu komme, dass im Modebereich die grossen Marken die gesamte Lieferkette kontrollieren – von der Herstellung bis zum Verkauf. «Damit und mit der konsequenten Anwendung des Geoblockings können sie gezielt einen Zuschlag Schweiz draufsetzen», so die oberste Konsumentenschützerin.

20 Prozent teurer

Gemäss einer Analyse der Fachhochhochschule Nordwestschweiz, welche diese Woche veröffentlicht wurde, kosten Kleidungsstücke in der Schweiz im Schnitt 20 Prozent mehr als in Deutschland. «Alleine für Kleider entgehen der Schweiz 1,9 Milliarden Franken pro Jahr», so das Fazit der Studie.

Wie rechtfertigen die grossen Modekonzerne diese Abzocke? Auf Anfrage von SonntagsBlick geben sie sich wortkarg. C&A und S.Oliver wollten kein Statement ab­geben. Eine Esprit-Sprecherin schreibt, es sei nicht ungewöhnlich, dass die Verkaufspreise von Land zu Land variierten. «Jedes Land hat unterschiedliche Kostenparameter.»

Zalando argumentiert ähnlich: «Es ist allgemein im Handel und so auch bei uns üblich, Preise an Angebot und Nachfrage anzupassen.» Weitere Faktoren, die zu unterschiedlichen Preisen in verschiedenen Märkten führen könnten, seien Liefer-, Service- und Zollkosten.

Mit anderen Worten: Freiwillig werden Zalando und Co. den Schweiz-Zuschlag nicht abschaffen.

Surfen über anonyme Browser

Unmittelbar bei ausländischen Webshops zu bestellen, ist in der Regel nur mit Lieferung ins Ausland möglich, nicht aber für Abnehmer in der Schweiz. Diese Lücke schliessen Anbieter wie Meineinkauf.ch und Internetshopper.club: Sie spielen für Schweizer Konsumenten die Rolle von Generalimporteuren. Bei einem Paketgewicht von bis zu zehn Kilogramm zum Beispiel übernehmen sie für einen Preis von 14.90 Franken die Lieferung und Verzollung – allerdings ohne Mehrwertsteuer-Ausgleich. «Das sind Möglichkeiten, das Geoblocking gegen eine Gebühr bis zu einem gewissen Grad zu umgehen», sagt Mathias Binswanger, Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Zum Teil klappe dies auch beim Surfen über anonyme Browser (z. B. Tor Browser). «Die Anbieter haben aber die Möglichkeit, solche Umgehungsversuche einzuschränken.» Es sei ohnehin stossend, wenn man nach Hintertüren suchen müsse, um das Geoblocking zu umgehen. «Dies widerspricht dem sonst so hochgehaltenen freien Handel über die Grenzen», so Binswanger.

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