Auf einen Blick
Ischgl ist eine Partymetropole. Ein Faktum, das spätestens seit Corona allen bekannt sein dürfte. Das Geschäft läuft, die Betten sind bis Anfang Mai ausgebucht. Dennoch ist die Freude vor Ort getrübt. Oder zumindest war sie es, bis die Dorfoberen eine Lösung für ein schon lange schwelendes Problem gefunden haben.
Aber von vorn: Jahrzehntelang gab es zwei Arten von Tickets bei den Bergbahnen, jene für Einheimische, die viel billiger waren, und jene für Touristinnen. Doch damit soll nun Schluss sein. Zumindest wenn es nach dem Willen der EU und den österreichischen Ministerien geht.
«Die Einheimischen-Tarife sind eine EU-widrige Praxis, die nur funktionierte, solange niemand genauer hinschaute», sagt Europarechtsexperte Werner Schroeder von der Universität Innsbruck. Denn: «Die Dienstleistungsrichtlinie des EU-Rechts besagt, dass alle EU-Bürgerinnen und -Bürger gleich behandelt werden müssen und nicht diskriminiert werden dürfen.»
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Ischgl ist kein Einzelfall. Auch alle anderen österreichischen Skigebiete sind von dieser Thematik betroffen. Zu viele Jahre schon schwelt der Konflikt mit der Europäischen Union, zu viele Jahre hatten die Österreicher das Thema erfolgreich ignoriert. Doch dann wurde der Druck zu gross, eine Klage zu viel lag auf dem Tisch.
Strafandrohung für die Seilbahnwirtschaft
Das erste Mal klagte die EU-Kommission 2003 Italien aufgrund der Bevorzugung von Einheimischen bei Museen und öffentlichen Einrichtungen an. 2016 dann stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass ein Einheimischen-Schwimmbadrabatt im bayerischen Berchtesgaden in der Höhe von 2,5 Euro gegen die Verfassung verstösst. Der finale Blattschuss jedoch kam aus dem eigenen Land: Wiener, die in Tirol Urlaub machten, sahen ihr Urlaubsvergnügen aufgrund der Tarife für die Einheimischen stark minimiert. Ein Fall von Diskriminierung, monierten sie beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), der daraufhin klagte.
Strafen drohten. Das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen forderte die Tiroler Seilbahnwirtschaft auf, die Tarifpraxis sofort einzustellen. Zähneknirschend machten sich die Tiroler Skigebietmanager daran, die Vorgaben umzusetzen – oder besser gesagt auszutricksen.
«Rechtlich sauber und logisch»
Besonders einfallsreich zeigt sich nun Ischgl. Die Einheimischen dort können dank der Schweiz weiterhin ihre Jahreskarte zum Billigtarif beziehen. Voraussetzung ist, diese bei den Bergbahnen Samnaun zu kaufen. Dieser Umweg ist möglich, da die Silvrettaseilbahn AG (und somit Ischgl) seit 1977 die Mehrheit an den Bergbahnen Samnaun hält. Ischgl ist somit das einzige Skigebiet in Österreich, das ein «Offshore-Ticketing» über die Schweiz anbieten kann. Praktischer Nebeneffekt: Beim Abo-Kauf im Zollfreigebiet Samnaun lässt sich gleich auch noch günstig einkaufen.
«Es war eine Frage der Zeit, bis allenfalls mit Schadensersatzansprüchen oder Strafen verbundene Verfahren auch auf Ischgl zugekommen wären», sagt Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettaseilbahn AG. Aus seiner Sicht ist der Umweg über die Schweiz rechtlich sauber und logisch. Er diene dazu, dass man den Einheimischen diese Tarife weiterhin ermöglichen könne. Als Nicht-EU-Land sei die Schweiz nicht an die spezifischen EU-Diskriminierungsvorgaben gebunden. Aber ist das wirklich so?
Bergbahnen finden interessante Schlupflöcher
Christa Tobler, Professorin am Europainstitut der Universität Basel, bestätigt Zangerls Einschätzung. «Das Personenfreizügigkeitsabkommen gewährt nur Reise- und Aufenthaltsrechte. Das geltende bilaterale Recht verbietet nicht, in der Schweiz einen Einheimischen-Rabatt vorzusehen.»
Andere Tiroler Skigebiete finden indes weitere interessante Schlupflöcher. Das «Freizeitticket Tirol» etwa, das rund dreissig Skigebiete wie die Nordkette, den Stubaier Gletscher oder das Kühtai umfasst, kann nur vor Ort an Vorverkaufsstellen und bei den teilnehmenden Bergbahnen gekauft werden. Und dies auch nur zwischen dem 1. und 31. Oktober. Wer weiter weg von Tirol wohnt, wird nicht extra anreisen, um sich das Ticket vergünstigt kaufen zu können. Und andere Bergbahnen wie jene in der Gemeinde Imst geben Vereinen einen gut 30 Prozent günstigeren Tarif.