ETH-Forscher habens berechnet
Kehrichtverbrennungsanlagen mit beträchtlichem Klimaschutzpotenzial

Müllverbrennungsanlagen könnten eine grosse Menge Treibhausgase aus der Atmosphäre abziehen, die dann unterirdisch gespeichert werden. 200 Millionen Tonnen würden so pro Jahr in Europa eingespart, haben Forschende der ETH ausgerechnet. Das Problem ist der Transport.
Publiziert: 04.05.2021 um 13:47 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2021 um 14:42 Uhr
Ein Krangreifer befüllt in der Kehrichtsverbrennungsanlage eine Ofenlinie mit Müll. Die Hälfte des Unrats ist Biomasse, also geeignet für die Negativemissionstechnologie BECCS. Dabei wird anfallendes CO2 unterirdisch gespeichert - eine laut ETH hocheffiziente Form des Klimaschutzes (Archivbild).
Foto: GAETAN BALLY

Die Technologie, um CO2 unter anderem aus der Papierindustrie und der Kehrichtverbrennung abzuziehen, sei einsatzbereit. Dies erklärt Marco Mazzotti, Professor am Institut für Energie- und Verfahrenstechnik und Leiter der Studie, in einer Mitteilung vom Dienstag. Das CO2 müsste dann allerdings in Speicherstätten transportiert werden, beispielsweise mittels Pipelines. Denn die Lagerstätten - etwa unter dem Meeresboden der Nordsee - sind weit entfernt von den Produktionsstätten.

Treibhausgasemissionen können kompensiert werden

BECCS heisst die Technologie: Bioenergy With Carbon Capture And Storage - Energiegewinnung aus Biomasse mit CO2-Abscheidung und ‐Speicherung. Es ist eine sogenannte Negativemissionstechnologie, mit welcher Treibhausgasemissionen, die unvermeidbar sind, kompensiert werden könnten. Solche fallen etwa bei der Herstellung von Zement und Stahl an, bei der Viehzucht und im Ackerbau, sowie in der chemischen und pharmazeutischen Industrie.

Würde BECCS vollumfänglich genutzt, liessen sich die CO2-Emissionen in Europa um 200 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Das sind etwa 5 Prozent der europäischen Emissionen im Jahr und ein substanzieller Anteil an die kumulativ 7,5 Milliarden Tonnen CO2, welche Europa bis 2050 einsparen muss, um die Klimaziele zu erreichen.

Potenziale für den Klimaschutz

Das grösste Potenzial liegt in Europa bei Betrieben der Papier-und Zellstoffindustrie. Ebenfalls ins Gewicht fallen Kehrichtverbrennungsanlagen, denn rund die Hälfte des Abfalls ist Biomasse. Auch mit Holz betriebene Blockheizkraftwerke sind Quellen, ebenso wie Biogasanlagen, in denen Nebenprodukte aus der Nahrungsmittelproduktion oder kompostierbare Siedlungsabfälle genutzt werden. Weitere Quellen seien Kläranlagen und Jauchegruben, heisst es in der Mitteilung.

In manchen Ländern, etwa Schweden mit seiner starken Papierindustrie, liegt das Klimaschutzpotenzial weit über dem Durchschnitt: Das Land könnte mit BECCS beinahe dreimal so viel CO2 aus Biomasse (und somit atmosphärischem) Ursprung abscheiden, wie es heute CO2 fossilen Ursprungs ausstösst. «Schöpft Schweden sein ganzes BECCS-Potenzial aus, könnte es Emissionshandelszertifikate verkaufen und damit Emissionen anderer Länder ausgleichen», sagt Lorenzo Rosa, Wissenschaftler in Mazzottis Gruppe und Erstautor der Studie.

Den Anbau von Nutzpflanzen mit dem primären Ziel der Energiegewinnung, der in anderen Weltregionen stärker praktiziert wird als in Europa, klammerten die ETH-Forschenden bewusst aus. Denn dieser gilt als wenig nachhaltig. «Der weltweite Nahrungsmittelbedarf wird sich bis 2050 verdoppeln. Wir benötigen daher dringend BECCS-Ansätze, die nicht auf Bioenergie-Plantagen beruhen», sagt Rosa.

Noch wird in der Regel kein CO2 abgeschieden in Papierwerken, Kehrichtverbrennungs- und Biogasanalagen. Nach Ansicht der ETH-Forschenden «sollte man damit baldmöglichst beginnen».

*Fachartikellink doi: 10.1039/D1EE00642H

(SDA)

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