Die Schweiz hat Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen nach sieben Jahren abgebrochen. Der deutsche Verhandlungsleiter Andreas Schwab (48), Vorsitzender der Schweiz-Delegation im EU-Parlament, ist überzeugt, dass sich die Schweiz nicht über alle Folgen dieses Schrittes im Klaren war.
Im Gespräch mit der «Badischen Zeitung» führt der CDU-Europapolitiker die Gründe für seine Ansicht aus. Es seien «leider nicht alle Möglichkeiten, zu einer Lösung zu kommen, genutzt» worden. Neben vielen Gesprächspunkten seien zuletzt nur noch vier Themen strittig gewesen. Die Frage der staatlichen Beihilfen sowie des Einbezugs des Europäischen Gerichtshofes in Streitfällen seien gelöst worden. «Offen blieben Teile der Personenfreizügigkeit und das ‹wie› der Kontrollen zum ‹Lohnschutz›.»
Schweiz habe «plötzlich nicht mehr verhandeln» wollen
Am Ende seien sieben «wirklich kleine Details bei der Frage im Zusammenhang mit der ‹Unionsbürgerrichtlinie›» hängig geblieben. Die Schweiz habe «plötzlich nicht mehr darüber verhandeln» wollen. Innenpolitische Überlegungen hätten für die Schweizer Delegation wohl «eine sehr grosse Rolle gespielt», so Schwab.
Er sei aber nicht der Ansicht, dass eine Volksabstimmung zu noch grösserem Schaden geführt hätte: «Das Interessante an dem jetzt gewählten Weg ist doch», sagt Schwab, «dass die Regierung im Land der direkten Demokratie das Volk nicht entscheiden lässt. In der Schweiz wurde in den vergangenen Jahren über alles Mögliche abgestimmt, nur über diese Frage lässt der Bundesrat eine Abstimmung nicht zu.»
Bundesrätliche «Tagträumerei»
Rosinenpickerei werde es jetzt nicht geben und auch der von der Schweiz gewünschte «politische Dialog» erstaune. Genau dieser sei ja seit sieben Jahren geführt und jetzt von der Schweiz beendet worden. Auch könnten die «bestehenden Verträge nicht zugunsten der Schweiz aktualisiert» werden. Es würden noch viele Verträge fehlen.
Die EU lebe von Mitgliedsländern, so Schwab, «die einen Beitrag leisten zur gemeinsamen Solidarität und auf dieser Basis freien Zugang zum Binnenmarkt haben. Und da die Schweiz daran nicht teilnimmt, müssen Schweizer Produkte von einer dafür zertifizierten Stelle zugelassen werden. Das ist künftig der Weg, der mehr kostet, und nichts bringt.» Erste Schweizer Firmen kriegen die Konsequenzen davon bereits mittels Exportstopp zu spüren.
Der vom Bundesrat geäusserte Wunsch der «Einzelverträge» sei «Tagträumerei»: «Die Schweiz will den Binnenmarkt nur dort nutzen, wo es ihr passt, das geht künftig nicht mehr. Es gibt keine Verträge mehr zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten und der Schweiz.» Das wolle «diese kleine Gruppe in der Schweiz nicht wahrhaben». Dies, obwohl die Hälfte der Schweizer die EU schätze und ihre «Sinnhaftigkeit» verstehe.
Keine Absage an weitere Kontakte
Schwab zitiert dabei den ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten Pascal Couchepin (79), wonach die Schweiz gegenüber den USA und China kusche, aber gegenüber der EU bestehe sie sehr hartnäckig auf ihrer Souveränität. Schwab: «Wir sind im 21. Jahrhundert und in Zeiten der Globalisierung! Da können wir unsere Souveränität eh nur gemeinsam verteidigen.»
Im EU-Ministerrat herrsche eine «grösse Enttäuschung» über den Entscheid der Schweiz: «Ein Land mitten in Europa schätzt die Sache falsch ein.» Doch eine Absage an weitere Gespräche ist das nicht. Die EU habe «ein Interesse an guten, vertrauensvollen und funktionierenden Beziehungen». Darauf wolle Schwab als Delegationsvorsitzender «auch künftig mein Hauptaugenmerk» richten. (kes)