Der neue CS-Chef kann etwas, was Brady Dougan (55) in acht Jahren an der Spitze der Schweizer Grossbank nicht gelernt hat: Er spricht deutsch. In der Schule sei er fleissig gewesen und habe Sprachen geliebt, erklärte Tidjane Thiam (52) gestern in Zürich. «Mit 18 war mein Deutsch besser als mein Englisch.» Heute ist es etwas eingerostet. Bis im Juli will Thiam seine Kenntnisse auffrischen. Dann löst er Dougan als CEO der Credit Suisse ab. «Wenn ihr mir genügend Zeit lasst, werde ich auch Schweizerdeutsch lernen», verspricht er.
Den Mann aus der Elfenbeinküste hatte in der Schweiz niemand auf der Liste möglicher Dougan-Nachfolger. In London ist er eine grosse Nummer. Seit er vor gut fünf Jahren Chef des Versicherers Prudential wurde, hat sich der Gewinn des Unternehmens mehr als verdoppelt.
Dabei schoss Thiam einen Riesenbock. Er wollte für 36 Milliarden Franken den asiatischen Versicherungsmulti AIA schlucken. Die Aktionäre pfiffen ihn zurück. Zu seinen Beratern zählte damals CS-Chef Dougan. Trotz der Pleite lernten sich die beiden schätzen. «Thiam ist ein Mann mit Mut, Vision und Verstand», lobt ihn Dougan.
CS-Ehrenpräsident Rainer E. Gut (82) liess es sich nicht nehmen, den Neuen persönlich zu begrüssen. Ganz hinten sass er im Saal. Als die Reden vorbei waren, steuerte er nach vorn und reichte Thiam die Hand. «Ist es recht, wenn ich zum Nachtessen mitkomme?», fragte er. «Aber sicher», lachte CS-Präsident Urs Rohner (55). Für ihn ist der CEO-Wechsel ein Befreiungsschlag.
Als die CS den USA letztes Jahr wegen Steuervergehen 2,6 Milliarden Franken zahlen musste, kam er unter Druck. Er und Dougan seien Sesselkleber, lautete der Vorwurf.
Den entscheidenden Schritt machte Dougan. Im letzten Herbst habe er gesagt, dass er gehen wolle, so Rohner. Darauf sandte der Verwaltungsrat seine Headhunter los. Auch interne Kandidaten wurden geprüft, darunter Schweiz-Chef Hans-Ulrich Meister (55). Doch Thiam stach sie alle aus.
Der 1,91-Meter-Hüne bringt politische Erfahrung mit: 1999 war er Entwicklungsminister der Elfenbeinküste, als die Regierung vom Militär gestürzt wurde. Thiam wurde unter Hausarrest gestellt, danach war er arbeitslos. «Ich war jung und naiv», sagt er heute. Seine Lehre daraus: «Man sollte nie für schlechte Vorgesetzte arbeiten.»
Hat er keine Angst, dass er in der Schweiz nicht akzeptiert wird, gar auf Fremdenfeindlichkeit stösst? «Ich habe die Schweizer als sehr offen kennengelernt», sagt er. Der jüngste Beweis: «Als ich gestern in Zürich ankam, hat mich der Zöllner sofort erkannt und begrüsst.»
Dougan ist das Bauernopfer der Rochade. Nach 25 Jahren CS muss er über die Klinge springen. Der Amerikaner kassierte 2010 einen Superbonus von 71 Millionen. Das wurde zum Bumerang. Fortan galt er als Abzocker. Zu Unrecht. Dougan schuftete wie kein Zweiter. Nur drei Stunden Schlaf gönnte er sich pro Nacht. Die CS-Aktie verlor zwar in seiner Amtszeit (siehe Grafik unten). Während der Finanzkrise zeigte er aber sein Können. Anders als die UBS brauchte die CS keine Staatshilfe. In die jüngsten Betrugsfälle ist sie nicht verwickelt.
Was zeigt: Für einen Deutschkurs fehlte Dougan die Zeit, doch seinen Laden hatte er im Griff.