Der heute vorgelegte Untersuchungsbericht von Wirtschaftsprofessor Bruno Gehrig (71) zu Raiffeisen führte bereits zu drei weitere Abgängen in der Geschäftsleitung von Raiffeisen. Und erstmals bezifferte Verwaltungspräsident Guy Lachappelle (57) den möglich maximalen Gesamtschaden, den der Bank durch die undurchsichtigen Übernahmen und Deals entstanden ist: 300 Millionen Franken werden das Ergebnis des letzten Jahres belasten.
«Wir wollen mittels Regress soviel wie möglich von diesem Geld zurückerhalten», sagte Lachappelle an einer Telefonkonferenz. Und er werde auf alle Personen, die in der Verantwortung waren, zugehen. Zuerst müsse aber ein Gutachten der Wirtschaftskanzlei Homburger auf Basis des Gehrig-Berichts abgewartet werden.
Laut dem Bericht hat Gehrig keine Nachweise für strafrechtlich relevantes Verhalten gefunden. Doch sei es zwischen 2012 und 2015 – also unter der Führung von Pierin Vincenz, dem früheren Chef der Raiffeisen – zu «gravierenden Mängeln» gekommen. Diese betreffen getätigte Käufe und das Management von Beteiligungen. Die strafrechtlichen Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsführung gegen Pierin Vincenz und Ex-Aduno-Chef Beat Stocker sind noch nicht abgeschlossen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Risikochef weg
Betroffen von Rücktritten sind per sofort Gabriele Burn, Leiterin Departement Niederlassungen und Regionen, und Beat Hodel, zuständig für die Gruppen-Risikosteuerung. Seinen Rücktritt hat auch Paulo Brügger erklärt. Er war Leiter Departement Zentralbank. Alle drei waren schon vor 2015 Teil des Führungsgremiums. Inzwischen sind sie auf der Raiffeisen-Webseite bereits nicht mehr zu finden.
Zusätzlich gibt auch Roland Staub seinen Posten als Generalsekretär ab. Per sofort verlässt er Raiffeisen.
Auf die freien Posten rücken vorübergehend die jeweiligen Stellvertreter. Die Nachfolgesuche werde in die Wege geleitet. «Es bedarf eines Neustarts, um die Aufgaben und Herausforderungen von Raiffeisen Schweiz vorantreiben zu können», erklärt Heinz Huber, der seit 7. Januar 2019 die Bank leitet.
Zu stark auf Personen fixiert
Was ist laut Bericht falsch gelaufen? Gehrig stellt fest, dass bei einigen Geschäften nicht sorgfältig genug gearbeitet wurde. Die Strukturen, Abläufe und Ressourcen seien überfordert gewesen. Zudem wirft er der Raiffeisen mangelnde Führung und Kontrolle vor. Weiter habe es organisatorische Versäumnisse und eine «personenzentrierte Kultur» bei Raiffeisen gegeben. Die Folge: finanzielle Nachteile und ein Rufschaden der Bank.
Auf die Frage, ob Ex-Raiffeisen Chef Patrik Gisel (BLICK berichtete) nun aus dem Schneider sei, konnte Lachappelle nichts Konkretes sagen. Die Namen im Gehrig-Bericht hätten anonymisiert werden müssen und es sei niemand von den weiteren Untersuchungen ausgeschlossen, führte er aus.
Im Weiteren räumte der Verwaltungsratspräsident ein: «Der Gehrig-Bericht hat seine Grenzen, weil er nur innerhalb von Raiffeisen untersuchen konnte.» Die Strafverfolgungsbehörden hätten weitergehende Kompetenzen, um Informationen bei Drittbanken über Zahlungsströme und insbesondere die Identität der Endempfänger einzuholen.
Der Gehrig-Bericht sei bereits in die anhaltenden Ermittlungen der Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Pierin Vincenz eingeflossen. Im vergangenen Jahr sass der frühere Bank deswegen auch mehrere Monate in Untersuchungshaft. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Rücktritt über Rücktritt
Das vergangene Jahr war für Raiffeisen turbulent. Zahlreiche Führungspersonen mussten mehr oder weniger freiwillig zurücktreten. Schon im März trat Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm (57) zurück. Ad interim übernahm Pascal Gantenbein. Im Herbst dann wurde Guy Lachappelle von den Delegierten zum neuen VR-Präsident gewählt.
Auch zahlreiche einfache Verwaltungsratsmitglieder traten ab oder stellten sich nicht erneut zur Verfügung. An der Delegiertenversammlung in Lugano im Juni waren dies etwa die Zürcher alt Regierungsrätin Rita Fuhrer und der Tessiner Politiker Angelo Jelmini.
Seinen Hut nahm schliesslich auch CEO Patrik Gisel. Unter Vincenz war er jahrelang die Nummer zwei gewesen. Neuer Raiffeisen-Chef ist Heinz Huber.
Wirtschaftsprofessor Bruno Gehrig (71) wurde im April 2018 von Raiffeisen damit beauftragt, die Ära Vincenz aufzuarbeiten. Ihm stand ein Team der Wirtschaftskanzlei Homburger zur Seite. Das Ziel der Untersuchung: Beteiligungskäufe der Bank oder ihrer Töchter ab 2005 auf Unregelmässigkeiten überprüfen. Ausgenommen davon sind Geschäfte, welche die Staatsanwaltschaft Zürich bereits untersucht. Schon im November wurden erste Erkenntnisse daraus bekannt. Demnach habe innerhalb der Raiffeisen Schweiz vielerorts eine Haltung des vorauseilenden Gehorsams geherrscht. Weiter berichtete Gehrig in einer Präsentation vor den Raiffeisen-Delegierten über ein Klima der Angst unter den Mitarbeitern. Von 2003 bis 2009 war er Verwaltungsratspräsident von Swiss Life. Von 2010 bis 2016 VR-Präsi der Swiss.
Wirtschaftsprofessor Bruno Gehrig (71) wurde im April 2018 von Raiffeisen damit beauftragt, die Ära Vincenz aufzuarbeiten. Ihm stand ein Team der Wirtschaftskanzlei Homburger zur Seite. Das Ziel der Untersuchung: Beteiligungskäufe der Bank oder ihrer Töchter ab 2005 auf Unregelmässigkeiten überprüfen. Ausgenommen davon sind Geschäfte, welche die Staatsanwaltschaft Zürich bereits untersucht. Schon im November wurden erste Erkenntnisse daraus bekannt. Demnach habe innerhalb der Raiffeisen Schweiz vielerorts eine Haltung des vorauseilenden Gehorsams geherrscht. Weiter berichtete Gehrig in einer Präsentation vor den Raiffeisen-Delegierten über ein Klima der Angst unter den Mitarbeitern. Von 2003 bis 2009 war er Verwaltungsratspräsident von Swiss Life. Von 2010 bis 2016 VR-Präsi der Swiss.