Die Schwyzer Kantonalbank steigt 2015 in den Vorsorgemarkt ein und übernimmt die Kontrolle über die Nova-Holding, eine Verwaltungsfirma, die Pensionskassen administrativ betreut – eigentlich ein lukratives Geschäft. Doch für die Kantonalbank wird es zum Desaster.
Zu den Kunden der Nova gehört die aargauische Pensionskasse Phoenix, die im Jahr der Übernahme massive Fehler in der Buchhaltung entdeckt. Anfang 2016 zieht Phoenix die Reissleine und teilt der Nova mit, dass sie den Verwaltungsvertrag mit ihr kündigen wolle.
Bei der Nova und der Schwyzer Kantonalbank läuten die Alarmglocken: Wenn sie die PK Phoenix verlieren, bricht ihnen ein stattlicher Teil des Geschäfts weg. Sie blasen zum Gegenangriff und reichen bei der Aargauer Pensionskassenaufsicht Anzeige gegen die Verantwortlichen der PK Phoenix ein. Der Vorwurf: mutmassliche Straftaten im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften aus dem Jahr 2013, die zu einem Millionenloch in der Pensionskasse geführt hätten.
12 Millionen Franken fehlen in der Kasse der PK Phoenix.
49 Prozent besass die SZKB an der Phoenix-Verwalterin Nova.
200'000 Phoenix-Dateien wurden von den KPMG-Buchprüfern durchforstet.
Null Vorwürfe der SZKB gegen die Phoenix-Verantwortlichen hat der Staatsanwalt akzeptiert.
12 Millionen Franken fehlen in der Kasse der PK Phoenix.
49 Prozent besass die SZKB an der Phoenix-Verwalterin Nova.
200'000 Phoenix-Dateien wurden von den KPMG-Buchprüfern durchforstet.
Null Vorwürfe der SZKB gegen die Phoenix-Verantwortlichen hat der Staatsanwalt akzeptiert.
Die Aargauer Aufsicht reagiert prompt – und hart: Zwischen 2016 und 2019 setzt sie die Phoenix-Verantwortlichen gleich mehrfach ab, was höhere Instanzen jedoch ebenso oft wieder rückgängig machen. Schliesslich muss das Bundesgericht die Aufsicht in die Schranken weisen. Ihr Geschäftsführer wird in den Ausstand beordert. Denn: Für die Anschuldigungen gibt es keine Beweise.
Das überrascht nicht, wie Recherchen von SonntagsBlick und SRF zeigen. Die Vorwürfe beruhen nämlich auf einem von der Aufsicht in Auftrag gegebenen Bericht, der verblüffende Ähnlichkeit mit einem Word-Dokument hat, das ein halbes Jahr zuvor verfasst worden ist. Das digitale Schriftstück ist anonym, doch seine Metadaten zeigen, wer dahintersteckt: Es wurde von einem Verwaltungsrat der Nova finalisiert.
Mit anderen Worten: Die unbelegten Vorwürfe im Bericht zuhanden der Aargauer Aufsicht stammen aus den Reihen der Ankläger. Trotzdem tragen die Aufsicht, die Nova und die Schwyzer Kantonalbank dieses Papier immer wieder als unabhängigen «Kronbeweis» in die Gerichtshöfe. Und spielen es der Presse zu, von der die unbewiesenen Anschuldigungen gegen die Phoenix-Verantwortlichen seit 2019 in die Öffentlichkeit getragen werden.
Massive Buchungsfehler
Was tatsächlich stimmt: In der Kasse der PK Phoenix klafft ein Loch von zwölf Millionen Franken; die Vorsorgeeinrichtung steht vor dem Bankrott. Bloss hat das nichts mit Immobiliengeschäften im Jahr 2013 zu tun, wie es schliesslich ein forensischer Untersuchungsbericht im Auftrag der PK Phoenix zeigt: Verantwortlich für das Millionenloch sind vielmehr massive Buchungsfehler der Nova in den Jahren 2015 und 2016, als die Schwyzer Kantonalbank die Nova kontrollierte.
Die Aargauer Aufsicht lässt nicht locker und gibt 2020 selbst ein Gutachten in Auftrag – bei KPMG Forensic, der ersten Adresse unter forensischen Buchprüfern. Das neue Gutachten soll doch noch den Beweis erbringen, dass die Anschuldigungen gegen die Phoenix-Verantwortlichen zutreffen.
In einer riesigen Untersuchung stellt KPMG die gesamte E-Mail-Korrespondenz der PK Phoenix zwischen 2012 und 2020 wieder her und durchforstet 200'000 Dateien. Doch die Buchprüfer finden «keine Hinweise auf betrügerische Vorgehensweisen».
Damit nicht genug: KPMG wertet auch sämtliche Bankunterlagen der PK Phoenix aus der Zeit von 2012 bis 2020 aus und sichtet Tausende Kontobewegungen. Aber die Experten finden keine einzige verdächtige Transaktion. Ihr Fazit: «Im Rahmen der durch uns durchgeführten Durchsuchung von E-Mails und der Analyse des Geldverkehrs auf den genannten Bankkonten von Phoenix konnten keine Hinweise auf betrügerische Vorgehensweisen festgestellt werden.»
Der KPMG-Bericht ist eine Blamage für die Aargauer Aufsicht und die Schwyzer Kantonalbank. Doch für die Bank kommt es noch dicker: Seit 2016 hat sie mehrere Phoenix-Verantwortliche mit Anzeigen und Klagen eingedeckt, unter ihnen auch den Phoenix-Gründer Serge Aerne (43), von dem sie – auf zivilrechtlichem Weg – mehrere Millionen Franken einfordert. Doch das Bezirksgericht Schwyz wies die Klage 2019 ab.
Der Steuerzahler blutet
Die Kantonalbank ging auch strafrechtlich gegen Aerne und weitere Phoenix-Verantwortliche vor – mit massiven Vorwürfen, darunter Urkundenfälschung, ungetreue Geschäftsbesorgung, versuchte Erpressung und Geldwäscherei.
Nun hat der zuständige Staatsanwalt gesprochen. SonntagsBlick und SRF liegen seine Verfügungen vor: Sie sind an Klarheit nicht zu überbieten. Der Staatsanwalt stellt sämtliche Verfahren gegen Serge Aerne und weitere Phoenix-Verantwortliche ein. Die Kosten tragen die Schwyzer Steuerzahler.
Und was ist mit dem «Kronbeweis», der vor den Gerichten und in der Presse für Furore sorgte? Der Staatsanwalt macht den Bericht zuhanden der Aufsicht endgültig zunichte: Das Papier sei kein Beweis. Darauf fussende Vorwürfe taxiert der Staatsanwalt als «pauschal» und «nicht konkretisiert».
Jetzt dreht der Wind: Wenn die Phoenix-Verantwortlichen nicht schuld am Millionenloch und am Untergang einer ganzen Pensionskasse sind – wer dann? «Die Schwyzer Kantonalbank muss endlich Verantwortung übernehmen», sagt Serge Aerne. «Sie hat lange genug versucht, die Schuld auf andere zu schieben.»
Aerne und die PK Phoenix prüfen nun Schadenersatzklagen in Millionenhöhe. Zudem hat Aerne Strafanzeige gegen die Bank wegen falscher Anschuldigung eingereicht.
Die Schwyzer Kantonalbank erklärt gegenüber SonntagsBlick und SRF, sie kenne den KPMG-Bericht nicht, deshalb äussere sie sich nicht dazu. Und weiter: «Die angeblichen Schwierigkeiten der PK Phoenix haben nichts mit der Schwyzer Kantonalbank zu tun. Die Bank wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe. Es gibt in diesem Zusammenhang keinerlei aufsichts-, straf- oder zivilrechtliche Verfahren gegen die Bank.»
Auch mit dem Staatsanwalt ist das Geldhaus unzufrieden: Die Begründung zur Einstellungsverfügung im Fall Serge Aerne vermöge nicht zu überzeugen. Die Bank hat die Verfügung angefochten.