Entlassung mit über 50
So wehrst du dich gegen eine missbräuchliche Kündigung

Angestellte sind in der Schweiz rechtlich schlecht geschützt. Ihnen kann jederzeit relativ grundlos gekündigt werden. Liegt eine missbräuchliche Kündigung vor, können sich Arbeitnehmende wehren – wenn sie sich an gewisse Fristen und Formalitäten halten.
Publiziert: 15.04.2024 um 12:07 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2024 um 14:45 Uhr
Zu unmotiviert, zu oft krank, zu alt: Arbeitgeber kündigen ihren Angestellten aus verschiedenen Gründen. Das kann für Frust und Verzweiflung sorgen.
Foto: Getty Images
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Gitta Limacher
Beobachter

Ein Heizungsmonteur arbeitet 44 Jahre lang beim selben Arbeitgeber. Immer zufriedenstellend – doch kurz vor der Pensionierung hat er keine Lust mehr auf Neues. Der Chef findet, er sei «negativ eingestellt» und kündigt ihm. Darf er das?

Eine 63-jährige Direktionsassistentin ist schon seit 14 Jahren bei derselben Firma. Doch seit einem halben Jahr ist sie krank. Darf man sie einfach entlassen?

Grundsätzlich darf man beiden kündigen. Denn Angestellte sind in der Schweiz kaum geschützt, die Kündigungsfreiheit wird grossgeschrieben. Die Arbeitgeberin kann den Anstellungsvertrag jederzeit auflösen, einen wichtigen Grund braucht es nicht.

Entschädigung von maximal sechs Monaten möglich

Aber in Ausnahmefällen ist die Kündigung ungültig. Etwa wenn Angestellte krank oder verunfallt sind. Dann läuft abhängig von der Anstellungsdauer eine Sperrfrist von maximal 180 Tagen, während der ihnen nicht gekündigt werden kann.

Ein weiterer Ausnahmefall ist, wenn die Kündigung missbräuchlich ist. Dies gilt insbesondere nach vielen Dienstjahren und wenn Angestellte kurz vor der Pensionierung stehen. Dann können Entlassene eine Entschädigung fordern – von maximal sechs Monatslöhnen.

Der lustlose Heizungsmonteur ist weder krank noch verunfallt. Darum kann er gegen die Kündigung nichts tun. Aber bekommt er eine Entschädigung wegen Missbräuchlichkeit? Ja, hat das Bundesgericht entschieden. Die Firma hat trotz der langen Diensttreue nicht nach einer «sozialverträglicheren» Lösung gesucht. Und eine betriebliche Notwendigkeit gab es auch nicht für die Kündigung. Der Heizungsmonteur bekam das Maximum von sechs Monatslöhnen.

Kommunikation mit den Chefs essenziell

Weniger Glück hatte die Direktionsassistentin. Sie war zwar immer noch krank, doch die Sperrfrist war bereits abgelaufen. Darum ist die Kündigung gültig. Missbräuchlich ist sie auch nicht, hat das Bundesgericht entschieden. Weil die Angestellte der Chefin nicht mitgeteilt hatte, ob und wann sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren würde.

Wann ein Gericht die Kündigung als missbräuchlich einstuft, lässt sich nicht vorhersehen. Es kommt auf alle Details des Einzelfalls an, das Gericht muss die Interessen beider Seiten begutachten.

Ab wann ein Mitarbeiter als «älter» oder «langjährig» betrachtet werden kann, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Eine klare Abgrenzung gibt es nicht.
Foto: Getty Images

Ausserdem ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung klare Altersgrenzen. Man kann deshalb nicht sagen, ab wann Angestellte als «älter» gelten. Das Gleiche gilt für die Frage, ab wann eine Betriebszugehörigkeit als langjährig anzusehen ist.

Ein paar Anhaltspunkte gibt es aber. Missbräuchlich ist es in der Regel, wenn der Arbeitgeber rein aufgrund des Alters kündigt. Doch auch hier gibt es eine Ausnahme: Wenn das Pensionsalter erreicht ist, kann die Kündigung nicht mehr missbräuchlich sein. So war es rechtens, einen 70-jährigen nebenamtlichen Fachlehrer wegen seines Alters zu entlassen. Auch weil es auf der Hand lag, ihn durch eine jüngere Dozentin zu ersetzen, entschied das Bundesgericht.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Missbräuchlich ist es, zu kündigen, kurz bevor ein Anspruch auf ein Dienstaltersgeschenk entstehen würde, bloss um diesen Anspruch zu vereiteln.

Anders sieht es jedoch aus, wenn der ältere Arbeitnehmer seine Leistung nicht mehr erbringt oder fachlich oder technisch den Anschluss verloren hat. So war es nicht missbräuchlich, einem 57-jährigen Offsetdrucker nach mehr als 33 Dienstjahren zu kündigen. Weil er nicht mehr Schritt halten konnte mit den technischen Anforderungen seines Berufs.

Arbeitgebende haben gegenüber langjährigen, älteren Angestellten grundsätzlich eine erhöhte Fürsorgepflicht. Die hat zum Beispiel der Chef des Heizungsmonteurs nicht wahrgenommen. Zudem sollen Vorgesetzte bei einer Entlassung möglichst schonend vorgehen.

Schnell und überlegt gegen eine missbräuchliche Kündigung vorgehen
  • Verlange eine schriftliche Begründung. Im besten Fall bestätigt dir der Arbeitgeber schwarz auf weiss einen Kündigungsgrund, der missbräuchlich ist.
  • Erhebe vor Ablauf der Kündigungsfrist bei der Arbeitgeberin schriftlich Einsprache gegen die Kündigung.
  • Biete darin deine Arbeitsleistung ausdrücklich wieder an und bitte darum, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
  • Versende das Schreiben aus Beweisgründen per Einschreiben oder mit A-Post Plus.
  • Wenn du dich mit dem Arbeitgeber nicht einigen kannst, ist der nächste Schritt, eine Entschädigung einzuklagen. Dazu musst du spätestens innert 180 Tagen seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Schlichtungsgesuch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten stellen. Sonst sind deine Ansprüche verwirkt. Du kannst dich nicht mehr wehren.
  • Die Entschädigung kann maximal sechs Monatslöhne betragen.
  • Bis zu einem Streitwert von 30’000 Franken kommt ein vereinfachtes Verfahren zum Zug. Es ist kostenlos – ausser, es geht vor Bundesgericht. Es kann sich daher allenfalls lohnen, die Forderung nicht höher anzusetzen. Auch das vereinfachte Verfahren birgt allerdings ein Kostenrisiko. Wenn du verlierst, trägst du neben den eigenen Anwaltskosten auch diejenigen des Arbeitgebers. Falls du eine Rechtsschutzversicherung hast: Kläre vorab, was diese übernimmt.
  • Verlange eine schriftliche Begründung. Im besten Fall bestätigt dir der Arbeitgeber schwarz auf weiss einen Kündigungsgrund, der missbräuchlich ist.
  • Erhebe vor Ablauf der Kündigungsfrist bei der Arbeitgeberin schriftlich Einsprache gegen die Kündigung.
  • Biete darin deine Arbeitsleistung ausdrücklich wieder an und bitte darum, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
  • Versende das Schreiben aus Beweisgründen per Einschreiben oder mit A-Post Plus.
  • Wenn du dich mit dem Arbeitgeber nicht einigen kannst, ist der nächste Schritt, eine Entschädigung einzuklagen. Dazu musst du spätestens innert 180 Tagen seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Schlichtungsgesuch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten stellen. Sonst sind deine Ansprüche verwirkt. Du kannst dich nicht mehr wehren.
  • Die Entschädigung kann maximal sechs Monatslöhne betragen.
  • Bis zu einem Streitwert von 30’000 Franken kommt ein vereinfachtes Verfahren zum Zug. Es ist kostenlos – ausser, es geht vor Bundesgericht. Es kann sich daher allenfalls lohnen, die Forderung nicht höher anzusetzen. Auch das vereinfachte Verfahren birgt allerdings ein Kostenrisiko. Wenn du verlierst, trägst du neben den eigenen Anwaltskosten auch diejenigen des Arbeitgebers. Falls du eine Rechtsschutzversicherung hast: Kläre vorab, was diese übernimmt.

Einige Richterinnen und Richter am Bundesgericht gehen noch weiter und sehen Arbeitgebende in der Pflicht, Betroffene rechtzeitig zu informieren, sie allenfalls vor einer Kündigung anzuhören, mögliche Alternativen zu suchen oder bei Verhaltens- und Leistungsdefiziten noch eine letzte Chance zur Verbesserung zu geben.

Arbeitgeber hätte eine letzte Chance geben müssen

Darum war es missbräuchlich, dass die Firma einem 59-jährigen Key-Account-Manager kündigte. Nach 35 Jahren im Unternehmen leistete er nicht mehr so viel. Das Bundesgericht entschied: Die Arbeitgeberin hätte zuerst signalisieren müssen, dass sie kündigen will, und eine letzte Chance geben sollen.

Eine generelle Verpflichtung dazu gibt es aber nicht. So musste eine Firma einen 60-jährigen Geschäftsführer, der auch Mitglied des Verwaltungsrats war, nicht vorgängig anhören oder nach alternativen Lösungen suchen. Obwohl er schon 37 Dienstjahre auf dem Buckel hatte. Das Bundesgericht begründete das mit der besonderen Stellung des Mannes.

Wer schon Jahrzehnte für ein Unternehmen arbeitet, dem schuldet der Arbeitgeber eine erhöhte Fürsorgepflicht.
Foto: Shutterstock

Wenn es vor Gericht geht, müssen die Angestellten beweisen, dass die Kündigung missbräuchlich war. Das ist eine Hürde. Wenn es neben dem missbräuchlichen noch einen anderen Kündigungsgrund gibt, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Kündigung auch ohne den missbräuchlichen Grund erfolgt wäre.

Immerhin sind arbeitsrechtliche Verfahren bis zum Streitwert von 30'000 Franken kostenlos. Bevor man loslegt, lässt man sich aber besser juristisch beraten – denn das Verfahren birgt auch Gefahren.

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