Die Strommarktöffnung allein genüge nicht, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Freitag vor den Medien in Bern.
An der vollständigen Marktöffnung will der Bundesrat indes festhalten. Diese ist seit Jahren umstritten. 2002 hatte sich das Stimmvolk knapp dagegen ausgesprochen. 2007 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das eine zweistufige Liberalisierung vorsieht: erst für Grosskonsumenten, später für kleine Betriebe und Haushalte.
Für die Grosskonsumenten ist der Strommarkt seit 2009 liberalisiert. Die Öffnung für die Haushalte dagegen verschob der Bundesrat 2016 nach der Vernehmlassung. Vor rund einem Jahr unternahm er dann einen neuen Anlauf, noch mit Energieministerin Doris Leuthard.
In der neuen Vernehmlassung hat sich nun eine Mehrheit der Teilnehmenden für die Öffnung ausgesprochen, wie Sommaruga sagte. Eine Mehrheit verlange aber auch Begleitmassnahmen, um die Versorgungssicherheit zu stärken und die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen.
Der Bundesrat hat deshalb Sommarugas Departement beauftragt, solche Massnahmen auszuarbeiten. Die Eckwerte sollen im nächsten Frühjahr vorliegen, anschliessend gibt es erneut eine Vernehmlassung. Der Bundesrat habe immer gesagt, dass ein zweites Massnahmenpaket nötig sei zur Umsetzung der Energiestrategie, sagte Sommaruga auf entsprechende Fragen.
Das erste Massnahmenpaket hatte das Stimmvolk 2017 mit dem revidierten Energiegesetz gutgeheissen. Die darin vorgesehenen Fördermassnahmen für erneuerbare Energien sind befristet. Einspeisevergütungen werden nur noch bis Ende 2022 bewilligt, Investitionsbeiträge bis 2030.
Für die Zeit danach will der Bundesrat nun Planungssicherheit schaffen. Die Förderung soll weiter gehen, aber mit marktnäheren Massnahmen, wie Sommaruga sagte.
Die Kosten bezifferte sie auf rund 215 Millionen Franken pro Jahr. Die Finanzierung soll durch den bereits heute bestehenden Netzzuschlag erfolgen. Dieser soll bei 2,3 Rappen pro Kilowattstunde bleiben. Zusätzliche Mittel seien nicht nötig, weil einzelne Fördermassnahmen wegfielen und durch effizientere Instrumente ersetzt würden, sagte die Energieministerin.
Zur Deckung unerwarteter Finanzierungsspitzen will der Bundesrat indes einen vorübergehenden Vorbezug aus dem Netzzuschlagsfonds ermöglichen, also eine Verschuldung des Fonds. Das entspricht einer Forderung aus dem Parlament.
Die Stossrichtung für die Massnahmen hat der Bundesrat bereits festgelegt. Grosse Photovoltaik-Anlagen sollen nicht länger mit fixen Einmalvergütungen unterstützt werden. Der Bundesrat will den Wettbewerb verstärken, indem die Einmalvergütungen durch Ausschreibungen festgelegt werden. Den Zuschlag soll jener Produzent erhalten, der eine bestimmte Menge Solarenergie am günstigsten produzieren kann.
Die Mittel für die Investitionsbeiträge für die Grosswasserkraft will der Bundesrat verdoppeln. Neue Wind-, Kleinwasser- und Biogasanlagen sowie Geothermie-Kraftwerke, die ab 2023 keine Einspeisevergütung mehr erhalten, sollen bis 2035 Investitionsbeiträge beantragen können.
An den Zielen für den Ausbau der erneuerbaren Energien will der Bundesrat nichts ändern. Er will aber die im Energiegesetz verankerten Richtwerte für 2035 für verbindlich erklären. Demnach müsste die Jahresproduktion von Strom aus erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft im Jahr 2035 bei mindestens 11,4 Terawattstunden liegen. Für Strom aus Wasserkraft liegt der Wert bei mindestens 37,4 Terawattstunden.
Neu soll auch für die Zeit bis 2050 ein Richtwert bestimmt werden. Sollte der effektive Zubau an erneuerbaren Energien den festgelegten Ausbaupfad zu stark unterschreiten, könnten im Rahmen des im Energiegesetz verankerten Monitorings zusätzliche Massnahmen beantragt werden, heisst es in der Mitteilung.
Die Details zur Strommarktöffnung stehen noch nicht fest. Die Vorlage, die der Bundesrat vor einem Jahr in die Vernehmlassung geschickt hatte, sah vor, dass die Konsumentinnen und Konsumenten jeweils Ende Jahr den Lieferanten wechseln könnten. Sie könnten aber auch in der Grundversorgung bleiben, mit regulierten Tarifen und Schweizer Strom.
Die SP - die Partei Sommarugas - lehnt eine Liberalisierung ab. Darüber könne erst diskutiert werden, wenn das Stromabkommen in Kraft sei, schrieb sie in ihrer Vernehmlassungsantwort. Die bürgerlichen Parteien haben sich dafür ausgesprochen.
(SDA)