Gesagt haben wir es alle schon mal: «Ich schaffe noch bis zum Umfallen!» Dass wir es manchmal fast tun, merken die wenigsten. In der Schweiz tobt gerade ein Streit um die 45-Stunden-Woche. So lange (mit Ausnahmen) darf der Normalangestellte pro Woche höchstens arbeiten.
Vorstösse des Luzerner CVP-Ständerats Konrad Graber (58) oder der St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (53) wollen diese aufweichen. Sollte es so weit kommen, werde man das Referendum ergreifen, kündigte der Schweizerische Gewerkschaftsbund am Dienstag schon mal vorsorglich an.
Gemäss dem Institut Eurostat arbeiten Schweizer im Schnitt fast 43 Stunden pro Woche – das ist Platz drei in Europa hinter Island (45 Stunden) und Griechenland (44,5 Stunden).
Arbeitssucht wird unterschätzt
Ganz unabhängig von der politischen Diskussion sind sich Fachleute einig: Arbeitssucht wird unterschätzt. «Die Schweizer sind ein sehr strebsames Volk. Für Arbeitssucht gibt es kein wirkliches Problembewusstsein», so Petra Baumberger (41), Generalsekretärin des Fachverbands Sucht. Im Gegenteil: «Wer viel arbeitet, geniesst in der Regel hohes Ansehen.» Deshalb, so Baumberger, sei Arbeitssucht kaum erforscht – im Gegensatz zu anderen Verhaltenssüchten wie etwa Internetsucht, Spielsucht oder Sexsucht.
Experten auf dem Gebiet sind rar. Einer von ihnen ist Franz Eidenbenz, Leiter Behandlung am Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich. Er beschreibt Arbeitssucht so: «Wenn zusätzliches Arbeiten, das über die Existenzsicherung hinausgeht, zum Wichtigsten im Leben wird – wichtiger als alles andere.» Sprich Familie, Freundschaften, eigene Freizeit, Gesundheit. Sie seien süchtig nach der Anerkennung, die ihnen die Zusatzarbeit verschaffe.
Allerdings: «Es gibt keine allgemeingültige, anerkannte Definition. Deshalb sind auch keine wissenschaftlich begründeten Zahlen erhältlich», erklärt Eidenbenz. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 1,5 Prozent der Arbeitstätigen sogenannte Workaholics sind. 15 Prozent sind gefährdet.
Wer so viel arbeitet, schadet seinem Körper
Hilfe suchen die Betroffenen nicht: «Wenn jemand zum Arzt geht, ist es nicht, weil er zu viel arbeitet, sondern weil er nicht mehr schlafen kann oder Kopfschmerzen hat», sagt der Westschweizer Suchtexperte Dwight Rodrick (61). Wenn also ein Betroffener Hilfe aufsuche, dann «um noch mehr arbeiten zu können». Für Rodrick ist aber klar: «Wer regelmässig 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeitet, schadet seinem Körper.»
Franz Eidenbenz glaubt sogar, dass der in Japan bekannte «Tod durch Arbeit» auch hierzulande vorkommt: «Karoshi ist in Japan ein bekanntes Phänomen und wird in Zusammenhang mit Herzversagen und Hirnschlägen erwähnt. Ähnliche Fälle treten wohl auch in der Schweiz auf.»
Die Experten warnen denn auch davor, am jetzigen Gesetz zu rütteln. Dwight Rodrick: «45 Stunden sind schon sehr viel.»
Die Japaner nennen es Karoshi, die Chinesen Gualaosi. Das Phänomen «Tod durch Arbeit» ist in Ostasien ein fester Begriff. Angestellte krüppeln bis zur Erschöpfung und darüber hinaus – Grund ist das tief verankerte Arbeitsethos.
«Herzinfarkt, verursacht durch Stress»
Todesursache ist oft Suizid, aber auch «Herzinfarkt, verursacht durch Stress». Wegen Medienberichten geniesst das Phänomen erhöhte Aufmerksamkeit. Trotzdem verändert sich die Gesellschaft nur langsam: Fast ein Viertel aller Japaner geben an, pro Monat 80 Überstunden oder mehr zu leisten.
Die Japaner nennen es Karoshi, die Chinesen Gualaosi. Das Phänomen «Tod durch Arbeit» ist in Ostasien ein fester Begriff. Angestellte krüppeln bis zur Erschöpfung und darüber hinaus – Grund ist das tief verankerte Arbeitsethos.
«Herzinfarkt, verursacht durch Stress»
Todesursache ist oft Suizid, aber auch «Herzinfarkt, verursacht durch Stress». Wegen Medienberichten geniesst das Phänomen erhöhte Aufmerksamkeit. Trotzdem verändert sich die Gesellschaft nur langsam: Fast ein Viertel aller Japaner geben an, pro Monat 80 Überstunden oder mehr zu leisten.