EMS-Chefin Magdalena Martullo über die Krisen-Regierung
«Bundesrat und Unterhändler haben versagt»

Magdalena Martullo redet im Interview mit BLICK über die Umsetzung der Einwanderungsinitiative, mögliche Lösungen und über den starken Franken.
Publiziert: 06.02.2015 um 18:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:44 Uhr
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«Es ist ein Zeichen der Schwäche, alles in Frage zu stellen.»
Foto: Sabine Wunderli
Interview: Peter Hossli

BLICK: Frau Martullo, ein Jahr nach Annahme der Einwanderungsinitiative weiss niemand, wie wir sie umsetzen sollen. Wer hat versagt?
Magdalena Martullo:
Verantwortlich ist der Bundesrat. Er hat den klaren Auftrag, fristgerecht eine Lösung zu bringen. Dabei müssen die Bilateralen erhalten und gleichzeitig die Einwanderungsinitiative umgesetzt werden.

Dann hat der Bundesrat versagt?
Er hat Vorschläge immer wieder angekündigt, aber bis jetzt kam nie etwas. Es reicht nicht, in Brüssel Leute zu treffen – und dann zu sagen, man habe unterschiedliche Positionen. Versagt haben bis jetzt der Bundesrat und die Unterhändler.

Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Ging ein Jahr verloren?
Noch haben wir Zeit zur Umsetzung. Aber der Bundesrat und die Politik in Bern tragen sicher nicht viel zur Glaubwürdigkeit der Schweiz bei.

Was wäre denn Ihre Lösung?
Die Wirtschaft hat einen Vorschlag gemacht mit einer Schutzklausel. Der Bundesrat hat bis jetzt nichts davon auf­genommen.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat angeregt, rasch nochmals über Europa abstimmen zu lassen. Was halten Sie davon?
Es ist gefährlich und verantwortungslos, alles in Frage zu stellen, es ist auch ein Zeichen der Schwäche. Weil der Bundesrat nicht in der Lage ist, seinen Auftrag zu erfüllen, schiebt er den Ball ans Volk zur Änderung. Das ist sicher nicht im Sinne der Wirtschaft.

Die Schweiz zittert wegen der Frankenstärke – und Sie erhöhen die Dividende um elf Prozent. Woher kommt dieser Hochmut?
Hochmut? Hoffentlich nicht, sonst käme ja der Fall. Die Nationalbank hat die Dividende ja auch erhöht, da bin ich wohl in guter Gesellschaft. Nein, im Ernst: 2014 war für Ems ein gutes Jahr, und 2015 wird es trotz Frankenstärke auch werden.

Wie soll das gelingen? Der Euro frisst Umsatz und Gewinn weg.
Mit Innovation und guten Geschäften. Aber auch mit günstigerem Einkauf und Effizienzmassnahmen. Und wir schnallen alle den Gürtel etwas enger.

Die Löhne fallen, Sie bauen Jobs ab?
Nein, das haben wir nicht geplant. Mir ist lieber, wenn meine Leute ausgezeichnete Ideen bringen, wie wir noch schneller und besser arbeiten können.

Ihr Aktienkurs ist stark gefallen. Jetzt reden Sie ihn hoch?
Für mich zählt nur das kurz-, mittel- und langfristige Geschäft. Wenn der Aktienkurs hoch ist, zahle ich privat einfach mehr Steuern. So war es im letzten Dezember. Und dieser Monat zählt für die Steuern. Wäre der Mindestkurs drei Wochen früher gefallen, hätte ich Millionen an Steuern gespart.

Der Franken ist nicht mehr an den Euro gebunden. Ist das gut?
Dauerhaft können wir uns nicht an den Euro binden. Die Differenz würde die Nationalbank bezahlen – also wir alle. Das geht nicht. Eine starke Währung hat Vorteile. Wir können uns mehr leisten. Die Preise sinken.

Ein starkes Land hat eine starke Währung?
Ja. Der Euro ist schwach, weil Europa wirtschaftlich und politisch schwach und seine Zukunft problematisch ist.

Sie kritisieren die stark wachsenden Staatsausgaben. Warum?
Der Staat ist im Auftrag der Bürger tätig. Er muss seine Aufgabe effizient erledigen. In den letzten Jahren hat der Staat zum Beispiel acht Prozent mehr Verwaltungsbeamte eingestellt, während die Wirtschaft effizienter wurde. Nun muss auch der Staat zurückstecken, gerade bei der aktuellen Währungssituation.

Ein hoch verschuldeter, ineffizienter Staat würde den Franken schwächen. Was gut wäre.
Wir können doch nicht schlecht werden, nur um eine schlechte Währung zu haben. Wir hätten dann zum Beispiel eine Arbeitslosigkeit wie Europa. Das ist doch kein Weg.

Wo steht der Euro Ende 2015?
Wahrscheinlich eher bei 1.00 als bei 1.20 – oder noch tiefer.

Was soll der Bundesrat tun, um die Krise zu meistern?
Verantwortung übernehmen. Klarheit und gute Lösungen bringen bei den internationalen Themen. Bilaterale und Einwanderungsinitiative umsetzen. Tiefe Steuern für Firmen sicherstellen. Die Energievorlage einstellen, da sie hohe Kosten bringt. Die Ausgaben und die Anzahl Beamte kürzen.

Braucht es neue Bundesräte?
Es braucht eine Erneuerung im Parlament. Diese Mitte-Parteien bewegen und verbessern nichts. Wer sich stets beliebt machen will, löst keine Probleme.

Wie engagieren Sie sich politisch?
Ich bringe mich direkt bei Politikern in Bern und in der Region ein. So besuchen mich nächste Woche die Bündner Kantonsregierung und alle Kantonsräte.

Machen Sie 2015 Wahlkampf?
Wenn es nötig wird. Als Schweizer Unternehmerin muss ich für den Standort Schweiz kämpfen.

Unterstützen Sie Kandidaten?
Das ist nicht ausgeschlossen. Dies nicht nur mit Geld, sondern mit Argumenten. Heute sagt  kaum jemand mehr, was Sache ist. Ich bin unabhängig und kann meine Meinung frei sagen.

Die Schweizerische Nationalbank ist mächtig: Ist das gut für die Schweiz?
Ja. Die Schweizer Nationalbank ist seriös und unabhängig. Sie will sich nicht beliebt machen. Das ist gut für die Schweiz. Die Aufhebung des Mindestkurses verdient als Entscheid, und wie es kommuniziert wurde, meinen grossen Respekt.

Philipp Hildebrand hat ihn eingeführt. War das damals richtig?
Alle haben Zeit gewonnen, sich auf den Kurszerfall vorzubereiten.

Ist der jetzige Ausstieg richtig?
Ich kann ihn nachvollziehen. Die Nationalbank hatte keine andere Wahl.

Sie galten als Erbin von Christoph Blocher. Sie sind es im privaten …
Zu einem kleinen Teil. Ich habe nur einen Drittel der Aktien geerbt, den Rest kaufte ich ihm ab. Mein Vater lebt ja noch!

Wann treten Sie sein politisches Erbe an?
Noch ist er politisch aktiv. Ich setze mich aber selbständig in der Politik ein. Allerdings ist mir politische Arbeit ausserhalb des Parlaments wichtiger, für Bundesbern fehlt mir schlicht die Zeit.

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