Wieso starteten die USA den Handelskrieg?
Anfang Juli kündigte Donald Trump die ersten Strafzölle an. Die US-Regierung hatte die Massnahmen beschlossen, weil sie sich an dem hohen Handelsdefizit mit China stört – und es ein Wahlversprechen Trumps gewesen war.
Das Reich der Mitte importiert pro Jahr für etwa 130 Milliarden Dollar Waren aus den USA, in die andere Richtung sind es rund 500 Milliarden Dollar. Ausserdem fürchten die Amerikaner die strategische chinesische Industriepolitik – chinesische Unternehmen, die den Weltmarkt mit Staatshilfe erobern wollen. Die USA halten das für unerwünschte Subventionspolitik, die auch zulasten amerikanischer Firmen geht.
Was war die sogenannte erste Welle der Zollsanktionen?
Seit dem 6. Juli gelten für bestimmte chinesische Güter neue US-Zölle von 25 Prozent. Die betroffenen Produkte hatten 2017 einen Importwert von 32 Milliarden Dollar. Die grössten Posten sind Motoren, Bau-, Bohr- und Landwirtschaftsmaschinen, Maschinen für die Bearbeitung von Mineralien, Gummi, Plastik, Lokomotiven und Schienenfahrzeuge, Autos und Motorräder, Helikopter und Flugzeuge, Test-, Mess- und Diagnose-Instrumente.
Am 23. August kamen dann US-Zölle von 25 Prozent auf weiteren 284 Produktlinien dazu, mit einem Handelswert von 16 Milliarden Dollar.
Wie reagierten die Chinesen auf die US-Zölle?
Die Chinesen reagierten am 6. Juli umgehend mit eigenen Zöllen. Betroffen ist ein Importwert von 29,6 Milliarden Dollar im Jahr, insbesondere Soja, das Getreide Sorghum und weitere Sorten, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Früchte und Nüsse, Milchprodukte sowie Futtermittel. Auch im August erhob China erneut Gegenzölle als Reaktion auf die US-Massnahmen. Diesmal auf Produkte im Wert von 15 Milliarden Dollar, darunter Chemikalien, Plastikerzeugnisse und Motorräder.
Wie steht es um die Stahl-Zölle vom Frühling?
Nach wie vor gelten in den USA für China auch jene Zölle von 25 Prozent auf Stahllieferungen und von 10 Prozent auf Aluminiumimporte, welche Trump aus nationalen Sicherheitsüberlegungen im Frühling 2018 verhängt hat. Die Massnahmen betreffen mit einigen wenigen Ausnahmen auch den Rest der Welt.
Worum geht es in der zweiten Welle des Handelsstreits?
Die amerikanische Regierung hat am Montag bekannt gegeben, dass am 24. September 2018 Zusatzzölle von zunächst 10 Prozent auf chinesische Produkte mit einem jährlichen Handelswert von rund 200 Milliarden in Kraft gesetzt werden. Anfang 2019 sollen die Zölle dann auf 25 Prozent ansteigen. Hintergrund ist die sogenannte 301-Untersuchung. Diese wurde im März abgeschlossen und stellte einen weitgehenden unfairen Umgang Chinas mit amerikanischen Technologien und geistigem Eigentum fest.
Mit den neuen Massnahmen sind ab nächster Woche chinesische Produkte mit einem Handelswert von etwa 253 Milliarden Franken von US-Sonderzöllen betroffen. Das entspricht rund der Hälfte des Handelswerts der gesamten US-Güterimporte aus China im Jahr 2017.
Gibt es Ausnahmen?
Einige Technologieprodukte wie etwa Lautsprecher und Uhren von Apple oder auch Fitnessarmbänder von Fitbit sind von den Zöllen ausgenommen. Gleiches gilt für Auto-Kindersitze und Velohelme.
Was ist das Problem Chinas mit der zweiten Welle?
Die Reaktion Pekings auf die weitere Eskalation liess nicht lange sich warten lassen. Am Dienstag kündigte China an, Zölle auf US-Gütern im Wert von rund 60 Milliarden Dollar zu erheben. Fünf bis zehn Prozent werden Pekings Strafzölle auf US-Güter ab kommender Woche betragen, darunter Zölle auf Kaffee und Honig, Industriechemikalien und Flüssiggas.
Chinas Problem: Dem Land geht die Munition aus. Denn China importiert nicht so viel aus den USA wie umgekehrt. Chinesischen Medien zufolge erwägt die Führung in Peking, die Einfuhr nur von bestimmten Bauteilen aus den USA einzuschränken, um gezielt einige wenige Branchen zu treffen. Sie sollen dann entsprechend Druck auf Trump ausüben.
Gibt es eine dritte Runde?
Sollte China mit Gegenmassnahmen gegen die US-Landwirtschaft oder andere Industriezweige antworten, würde die US-Regierung eine weitere Phase – eine dritte also – einläuten, sagte Trump einer Mitteilung zufolge. Weitere 267 Milliarden Dollar Warenimporte aus China sollen dann mit Extrazöllen belegt werden.
Was könnte eine weitere Eskalation verhindern?
Die Eskalation auf 25 Prozent Anfang Januar 2019 könnten die US-Wahlen vom 6. November verhindern. Das ist auch die Hoffnung des Markts. Zum Hintergrund: Bei den Wahlen stehen 33 Sitze und damit ein Drittel des Senats zur Wahl. Sollten die US-Demokraten zwei Sitze hinzugewinnen, hätten sie die Mehrheit. «Mit dieser Mehrheit wäre es möglich, den Aktionsradius von Präsident Trump und damit auch weitere Zölle einzudämmen», so die Experten der deutschen Bank Helaba.
Was sind die Folgen für Europa und die Schweiz?
Ökonomen und viele Firmen befürchten, dass ein Handelskrieg der beiden grössten Volkswirtschaften die gesamte Weltwirtschaft treffen könnte. Europäische Firmen schlugen am Dienstag Alarm. «Die Auswirkungen des Handelskriegs auf europäische Firmen in China sind erheblich und überwiegend negativ», sagte Mats Harborn, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Laut einer Umfrage drohen «erhebliche Störungen der globalen Lieferketten».
Diese Befürchtungen teilt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in seiner Konjunkturprognose vom Mittwoch: Ein eskalierender Handelsstreit würde die Dynamik der internationalen Konjunktur stören. Der Welthandel insgesamt und der Schweizer Aussenhandel wären davon stark betroffen, so das Seco. «Damit verbunden könnten die Unternehmen in der Schweiz ihre Investitionen deutlich zurückfahren.»
Welche Rolle spielt die WTO im Streit?
Mit einer Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) geht Peking mit rechtlichen Schritten gegen die von Washington verhängten Massnahmen vor. Auch die Schweiz rief die WTO um Hilfe. Sie hat bei der WTO ein Verfahren zur Streitbelegung eingeleitet. Erstes Ziel ist es, eine gütliche Einigung zu finden. Gelingt das nicht, folgt ein Schiedsorgan. Die letzte Stufe ist das Berufungsgremium. Ihr Urteil ist für den betroffenen Staat bindend. Bei einem Verstoss können Vergeltungsmassnahmen getroffen werden. Bis zu einer Entscheidung kann es mehrere Jahre dauern.