Freitagnachmittag rollt die erste Welle von Schweizer Einkaufstouristen an. Samstags bricht dann die Konsumlawine los. Am Zoll stauen sich die Autos schon frühmorgens Hunderte Meter weit, gegen 11 Uhr sind sämtliche Parkhäuser von Weil am Rhein bis Konstanz belegt. Gleichzeitig wachsen die Schlangen an den deutschen Zollschaltern, an denen sich Schweizer Shopper nach getanen Einkäufen einen Stempel auf ihre Ausfuhrscheine drücken lassen (siehe Box), um die Mehrwertsteuer zu kassieren.
So ging es nicht nur in den letzten Wochen zu. Auch in den Jahren zuvor legten die Auslandeinkäufe von Schweizer Konsumenten stetig zu. 2016 verharrt der Einkaufstourismus auf einem Allzeithoch, wie exklusive Zahlen des deutschen Zolls belegen. Insgesamt stempelten die deutschen Hauptzollämter Singen und Lörrach 17,6 Millionen Ausfuhrscheine ab. Das sind exakt so viele wie im Rekordjahr 2015 (siehe Grafik). Damit zeichnet sich erstmals eine Sättigung ab.
Singen mit Minus, Lörrach mit Plus
Während in Singen die Abstempelungen mit minus 0,5 Prozent auf 11,2 Millionen leicht zurückgingen, stiegen sie mit einem Plus von 0,6 Prozent auf 6,4 Millionen in Lörrach. Auf dem gesamten deutschen Bundesgebiet wurden im letzten Jahr 23,3 Millionen Ausfuhrscheine bearbeitet – ein Minus von 0,5 Prozent im Vorjahresvergleich. Darin sind auch die Einkäufe von Franzosen und Österreichern enthalten.
«Nach zuvor jahrelangen Steigerungen ist die Entwicklung bei den absoluten Stückzahlen zum Stoppen gekommen», sagt Jürgen Wamser, Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn. Im Raum Bodensee stagnierten die Zahlen auf «sehr hohem Niveau».
Sättigung bei Schweizern zeichnet sich ab
Von einer «gewissen Sättigung bei Schweizer Einkaufstouristen» spricht auch der Handelsexperte der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. «Die Einzelhändler berichten mir durchweg von rückläufigen Umsätzen mit Schweizer Kunden», sagt Bertram Paganini (62) zu BLICK. Das Niveau sei aber immer noch erfreulich, so die O-Töne der Händler.
Laut Paganini lag in den Jahren 2015/16 der Detailhandelsumsatz in der Region Hochrhein-Bodensee bei umgerechnet 4,7 Milliarden Franken. «Davon stammen rund 1,8 Milliarden Franken von Schweizern.» Gegen 270 Millionen zumindest hätten Schweizer im letzten Jahr allein in Konstanz ausgegeben, so der Handelsexperte. Ein Bremsfaktor sei hier jedoch das knappe Parkplatzangebot.
Preisspanne nicht mehr gar zu hoch
Die sich abzeichnende Abkühlung erklärt Paganini mit dem Wechselkurs, der im Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2016 günstiger gewesen sei. «Jedoch hat sich auch der Schweizer Detailhandel angestrengt, die Preise zu senken und das Marketing zu verbessern», weiss Paganini. Dazu beigetragen habe die Expansion der Discounter Aldi und Lidl in der Schweiz.
Doch das Fremdgehen beim Shopping ist längst nicht zu Ende: Die Auslandeinkäufe dürften auf hohem Niveau verharren. «Gerade bei Drogeriewaren sind die Preisvorteile für Schweizer noch in hohem Masse vorhanden», sagt Paganini. Duschgels und Parfüms haben denn auch Bekleidung und Lebensmittel in der Beliebtheit der Schweizer Einkaufstouristen abgelöst.