Die Berner Stadtregierung plant eine Offensive für mehr günstigen Wohnraum. Sie will so verhindern, dass Bern zu einer Stadt vorwiegend für Wohlhabende und Gutverdienende wird.
Bern sei für alle da, betonte Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne Freie Liste) am Montag bei der Präsentation der neuen Wohnstrategie. Damit das so bleibe, brauche es mehr Wohnraum für Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen.
Auch Private sensibilisieren
Gut 142'000 Menschen wohnen heute in Bern, rund 157'000 sollen es im Jahr 2030 sein. Dieses Ziel hat sich die Stadtregierung vor zwei Jahren gesetzt. Um es zu erreichen, braucht es etwa 8500 zusätzliche Wohnungen.
Die Hälfte davon soll im preisgünstigen Segment mit Kostenmieten entstehen. Die Stadt vertraut nicht einfach dem Markt, sie möchte vermehrt selber bauen und zudem gemeinnützige Trägerschaften fördern.
Gefordert ist insbesondere der städtische Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik, der mit seinen Immobilien und mit Beteiligungen Einfluss nehmen kann. Die Stadt will aber auch private Bauherren für ihre Anliegen sensibilisieren.
Planer am Ball
Stadtpräsident von Graffenried wies darauf hin, dass zurzeit etwa in Bethlehem West und im Weyermannshaus die Grundlagen für neuen Wohnraum geschaffen werden. Die Stadt will sich aber auch um Grosssiedlungen kümmern, die in die Jahre gekommen sind - etwa im Kleefeld und in Wittigkofen. Hier sollen Möglichkeiten zur Verdichtung ausgelotet werden.
Von der Wohnstrategie profitieren soll nicht nur der Mittelstand. Auch für Armutsbetroffene soll es mehr Wohnungen geben. Dieses Ziel verfolgt die Stadt schon länger, allerdings harzt es bei der Umsetzung.
Gerangel um Initiative
Der Stadtrat kann die Wohnstrategie lediglich zur Kenntnis nehmen. Lebendige Debatten über die Wohnbaupolitik sind trotzdem in Sicht - und zwar immer dann, wenn die Stadt bei Überbauungen auf preisgünstigen Wohnungsbau und gemeinnützige Wohnbauträger pocht. Sie beruft sich dabei auch auf die «Initiative für bezahlbare Wohnungen», die 2014 wuchtig angenommen wurde.
In Kraft gesetzt wurde sie bislang nicht - der Hauseigentümerverband hat das Bundesgericht angerufen. Aus seiner Sicht wird die Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt und die Eigentumsgarantie verletzt, wenn bei Um- und Neueinzonungen mindestens ein Drittel der Wohnungen preisgünstig sein müssen.
Grüne möchten mehr Mut
Das Grüne Bündnis begrüsst die Wohnstrategie des Gemeinderats, wie die Partei in einem Communiqué schreibt. Dass die Hälfte aller neu gebauten Wohnungen im Kostenmiete-Modell erstellt werden solle, sei unbedingt nötig; heute entsprächen nur ein Zehntel aller Wohnungen diesem Kriterium.
Generell zeige der Gemeinderat aber wenig Mut. Mit vielen Zielen setze er lediglich Stadtratsvorstösse oder eben die Wohninitiative um und gehe dabei eher zögerlich vor. (SDA)